Vatikan irritiert mit "Ablass-Tarif"

Experte erklärt Mittelalter-Begriff

Der Ablass hat einen schlechten Ruf, denn viele verbinden ihn mit der Käuflichkeit von Kirche. Was ein Ablass tatsächlich ist und weshalb Papst Franziskus ihn für besonders wichtig hält, erklärt Vatikan-Experte Ulrich Nersinger.

Holzkreuz in den Händen / © witsarut sakorn (shutterstock)
Holzkreuz in den Händen / © witsarut sakorn ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was ist eigentlich ein Ablass? 

Nersinger (Vatikan-Experte und Journalist): Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Denn man kann beobachten, dass der Ablass von vielen, auch von vielen Katholiken, falsch verstanden wird. Es braucht viele Erklärungen, um den vielen negativen Gefühlen, die mit diesem Begriff verbunden sind, zu begegnen. 

Ulrich Nersinger

"Das, was ich angestellt habe, muss ich ja in irgendeiner Weise wiedergutmachen. Und diese Wiedergutmachung ist der eigentliche Ablass."

Grundsätzlich ist es so: Wenn wir gesündigt haben, gehen wir zur Beichte und bekommen dann durch den Priester die Lossprechung, die sogenannte Absolution. Damit ist die Schuld eigentlich getilgt. 

Aber etwas salopp gesagt: Das, was ich angestellt habe, muss ich ja in irgendeiner Weise wiedergutmachen. Und diese Wiedergutmachung ist die eigentliche Sündenstrafe. 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Die Sündenstrafe ist nichts anderes, als dass ich mich nach der Vergebung der Sünden bemühen muss, mein Verhältnis zu Gott und zu meinen Mitmenschen wieder ins Lot zu bringen. 

Das beinhaltet auch meine Beziehung zur Gesellschaft und zur kirchlichen Gemeinschaft. Das, was ich durch meine Handlungen verletzt habe, muss ich in irgendeiner Weise wiedergutmachen. Und das geschieht eben durch die Sündenstrafen.

Diese Sündenstrafen sind für viele gar nicht so einfach zu erfüllen. Da bietet die Kirche ein Geschenk, das ist der Ablass. Durch fromme Gebete, durch Wallfahrten und gute Werke können diese Sündenstrafen getilgt werden.

DOMRADIO.DE: Wenn es aber um besonders schwere Sünden geht, wie etwa Mord, lässt sich das nicht mehr gutmachen. Oder doch? 

Nersinger: Man kann einen Mord natürlich nicht ungeschehen machen. Aber man kann sich bemühen, etwas zu tun, was das Geschehene wieder etwas abmildert. Damit auch wieder eine Beziehung besteht, beispielsweise zu den Verwandten des Ermordeten oder auch zu der Gesellschaft als Ganzes. 

Man sagt gewissermaßen: Ich habe hier etwas falsch gemacht und nehme es auf mich, diese verletzten Beziehungen in irgendeiner Weise zu bereinigen. Das zu formulieren, ist schwer. Aber durch den Ablass stehe ich für diese Vergehen ein, auch nach meiner Vergebung.

DOMRADIO.DE: Ende des Jahres beginnt das Heilige Jahr. Jetzt ist von sogenannten Ablass-Tarifen, die es im Heiligen Jahr geben soll, die Rede. Können Sie dafür Beispiele nennen?

Nersinger: Der Begriff "Tarife" ist leider schlecht gewählt. Das erinnert an die Zeit, in der Luther gegen gewisse Ablassformeln gepredigt hat. Damals wurde die Peterskirche gebaut und die Päpste waren in Geldnot, weil dieser Bau Unsummen an Geld verschlang. 

Ulrich Nersinger

"Die Ablassprediger haben den Unterschied zwischen Sündenstrafe und Sündennachlass stark verwässert"

Werbeplakat für Ablässe zum Unterhalt des Kölner Doms um 1517 / © UB Köln (KNA)
Werbeplakat für Ablässe zum Unterhalt des Kölner Doms um 1517 / © UB Köln ( KNA )

Deshalb hat man gesagt, dass auch ein Ablass durch Geldspende möglich ist. Das per se ist gar nichts Schlechtes, sondern eine gute Tat. Aber es hat Leute gegeben, die das ausgenutzt haben. Darauf haben die sogenannten Ablassprediger reagiert. Berühmt ist der Satz: "Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!". 

Die Ablassprediger haben diesen Unterschied zwischen Sündennachlass und Sündenstrafen manchmal sehr stark verwässert. So entstand der Eindruck, man könne die Sünden durch Geldspenden eliminieren. 

Das ist natürlich falsch, aber dieser Eindruck ist eben entstanden. Tatsächlich hat die Kirche dann schon nach einigen Jahrzehnten darauf reagiert und diese Art des Ablasses wieder abgeschafft. Trotzdem haben die mit dem Ablass verbundenen Skandale die Reformation befeuert. 

DOMRADIO.DE: Heute bezeichnen gewisse Stimmen Papst Franziskus als "Ablassanhänger". Warum?

Nersinger: Das ist eigentlich gut verständlich. Der Papst hat den Begriff der Barmherzigkeit hervorgehoben. In diesem Zusammenhang ist auch der Ablass zu sehen. 

Er will sagen, dass wir den Ablass brauchen, um uns wieder in der Gesellschaft zu integrieren. Denn es gibt viele Leute, die können ihre Bußauflagen nicht erfüllen. In solchen Fällen bieten fromme Gebete, Wallfahrten und ähnliche Aktionen die Möglichkeit, diese Sündenstrafen zu tilgen oder zumindest zu mindern. 

Papst Franziskus öffnet 1. Januar 2016 eine Heilige Pforte im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom / © Cristian Gennari (KNA)
Papst Franziskus öffnet 1. Januar 2016 eine Heilige Pforte im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom / © Cristian Gennari ( KNA )

Denken wir an die Heilige Pforte, die wir nun im Heiligen Jahr haben. Durch das Durchschreiten der Heiligen Pforte und durch Gebete trete ich ja mit jedem Durchgehen in eine neue Wirklichkeit ein. In diesem Sinne soll der Ablass ein Geschenk der Kirche darstellen, gerade durch einen Papst, für den Barmherzigkeit ein solch wichtiger Faktor ist. 

Das Interview führte Oliver Kelch.

Ablass

Der Ablass (lateinisch "indulgentia") ist ein Nachlass zeitlicher Bußstrafen für die Sünden, die man gebeichtet hat und die hinsichtlich der Schuld schon vergeben sind. Entstanden aus verschiedenen Elementen des spätantiken und frühmittelalterlichen Bußwesens, stellt er eine besondere Form des Umgangs mit dem Büßer dar, die nur die katholische Kirche kennt.

Ablasstruhe aus dem 16. Jahrhundert (KNA)
Ablasstruhe aus dem 16. Jahrhundert / ( KNA )
Quelle:
DR