Auf Spurensuche nach Kirche und Glaube an den EM-Spielorten

Wo der Fußballgott zu finden ist

Stadionkapellen, Doppelpass-Gräber und eine Papstmesse: Das finden die Fans, wenn sie bei der Fußball-Europameisterschaft der Herren in die zehn Spielstätten pilgern, um die Nationalmannschaften beim Kicken anzufeuern.

Autor/in:
Nicola Trenz
Symbolbild Fußball-EM in München / © Sven Hoppe (dpa)
Symbolbild Fußball-EM in München / © Sven Hoppe ( dpa )

Hunderttausende Fans werden bei der Fußball-Europameisterschaft der Herren im Juni und Juli in die zehn Spielstätten pilgern, um die Nationalmannschaften beim Kicken anzufeuern. Nicht nur Bratwurstgeruch, Fangesänge und Fußballgeschichte wabern in und um die Stadien - auch Religiöses findet sich in diesen Tempeln des Fußballgotts. Eine Reise quer durch Deutschland auf der Suche nach Gott, Glauben und Kirche in den Herzkammern der EM.

Allianz Arena in München / © rarrarorro (shutterstock)
Allianz Arena in München / © rarrarorro ( shutterstock )

München: In der Allianz Arena startet die EM am 14. Juni. In weniger als 500 Metern Luftlinie steht Münchens älteste erhaltene Kirche. Das Dorf um sie herum ist dem Autobahnbau, einer Mülldeponie und anderen Bauvorhaben zum Opfer gefallen - die Kirche blieb standhaft und wird nur durch die A9 von der Arena getrennt.

Hamburg: In Hamburg wird im Volksparkstadion gespielt. Hier können sich Fans in unmittelbarer Nähe beerdigen lassen - zur Wahl stehen die Ruhestätten "Einzelspieler" (Einzelgrab), "Doppelpass" (Doppelgrab) und "Team" (Urnengemeinschaftsgrab). Vor knapp 20 Jahren hat sich hier der erste christliche Fanclub "Totale Offensive" gegründet, dem Fans anderer Vereine in anderen Städten folgten. 

Zu erkennen sind sie am Fisch-Symbol. Die christlichen Fanclubs feiern gemeinsam mit gegnerischen Fans Gottesdienste und schreiben sich Gewaltfreiheit, Toleranz und soziales Engagement auf die Fahnen. Die "Totale Offensive" aus dem Norden engagiert sich zum Beispiel für Suchtkranke. Nach eigenen Angaben ist sie der drittgrößte Fanclub des HSV.

Dortmund: Der Fußballverein Borussia Dortmund gründete sich 1909 im Umfeld der katholischen Dreifaltigkeitskirche im Stahlarbeiterviertel der Nordstadt. Das Gotteshaus gilt daher als BVB-Gründerkirche, an dem es seit 2017 eine eigene Fan-Pastoral gibt.

Fans von Borussia Dortmund halten beim Gottesdienst in der Gründungskirche des BVB ihre Fanschals in die Höhe / © Federico Gambarini (dpa)
Fans von Borussia Dortmund halten beim Gottesdienst in der Gründungskirche des BVB ihre Fanschals in die Höhe / © Federico Gambarini ( dpa )

Unter dem Motto "Glaube, Liebe, Fußball" soll die Kirche nun bis 2026 zu einem Multifunktionsgebäude umgebaut werden - inklusive Tribüne, Projektionswand, Gottesdienstraum und einer Dauerausstellung zur Vereinsgeschichte sowie zur Entwicklung des Viertels, das durch hohes Armutsrisiko, niedriges Bildungsniveau und städtebauliche Mängel geprägt ist. Parallel zum Kirchenumbau sollen daher sozial-diakonische Projekte wie Sprachkurse, Seniorenmittagstische, Spielausleihen oder Grüne Klassenzimmer entstehen.

Einen christlichen Fanclub hat der BVB auch. Die "Totale Offensive Dortmund" richtet zusammen mit dem Fanclub des Ruhrgebietsrivalen "Mit Gott auf Schalke" Derbygottesdienste aus.

Gelsenkirchen: Die Arena auf Schalke war die erste in Deutschland mit einer eigenen Kapelle. Bei den Planungen zum Stadionbau traten Vertreter von Schalke 04 an die beiden großen Kirchen heran, weil sie sich eine Kapelle für die neue Arena wünschten. Nach anfänglichem Zögern unterstützen die Kirchen das Vorhaben. Nun liegt im Herzen der Arena, zwischen Umkleiden und Spielertunnel und auf gleicher Höhe wie der Anstoßpunkt, die hell - und nicht blau-weiß - gestaltete ökumenische Kapelle. Sie ist ein Ort der Ruhe im Trubel der Arena. Wenn nicht gerade Heimspiel ist, halten der katholische oder der evangelische Stadionpfarrer dort Andachten, Taufen und Trauungen.

Vor Heimspielen öffnet in Gelsenkirchen außerdem die Sankt-Joseph-Kirche an der Schalker Meile ihre Pforten - unter dem Motto "Vorm Spiel is inne Kirche". Eins der Kirchenfenster zeigt den Heiligen Aloisius von Gonzaga - mit Fußballschuhen, blau-weißenStutzen und einem Ball. Er gilt als Patron der Jugend und ziert auf Schalke das vermutlich einzige Fußball-Kirchenfenster. Durch Schalke zieht sich außerdem der Pilgerweg "Extratour 04", der die Verbindungen von Fußball und Religion aufgreift und demPilgerwegenetz des Bistums Essen angeschlossen ist.

Berlin: Das Olympiastadion hat bereits für zwei Päpste den Rasen ausgerollt: 1996 sprach Johannes Paul II. bei seinem einzigenBerlin-Besuch im Stadion zwei Hitler-Gegner selig - den Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg (1875-1943) und den Münsteraner Priester Karl Leisner (1915-1945). Und 2011 feierte der deutsche Papst Benedikt XVI. mit 70.000 Menschen im Stadion eine Abendmesse.

Pünktlich zur Fußball-WM 2006 bekam das Olympiastadion eine Kapelle: Der Andachtsraum befindet sich unter der Haupttribüne zwischen Sportlerbereich und VIP-Räumen. Auf hundert Quadratmetern sind in feinstem Blattgold Bibelverse in 18 Sprachen aufgeführt. Vor den Spielen finden hier Andachten statt. Auch wenn nicht gespielt wird, ist die Stadionkapelle offen für Besuchergruppen und Taufen, Trauungen und Trauerfeiern.

Leipzig: Auch im Stadion von Rasenball Leipzig, der Redbull-Arena, gibt es seit 2018 eine Kapelle. Initiator war der christliche Fanclub "Holy Bulls". Die Fans legten selbst Hand an, renovierten und gestalteten den Raum. 40 Personen finden darin Platz. Neben Andachten finden in der "Gloria"-Stadionkapelle auch Fantreffen und Lesungen statt.

Der EM-Pokal steht während einer Präsentation im Berliner Olympiastadion, dem Austragungsort des Endspiels.  / © Sebastian Gollnow (dpa)
Der EM-Pokal steht während einer Präsentation im Berliner Olympiastadion, dem Austragungsort des Endspiels. / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Düsseldorf: Fortuna Düsseldorf hat ebenso einen christlichen Fanclub. Die Fans zeigen das mit einem entsprechenden Banner bei Spielen im Stadion. 2005 eröffnete Kardinal Karl Lehmann bei einem der drei gleichzeitig stattfindenden Auftaktgottesdienste hier den Kölner Weltjugendtag mit Zehntausenden Pilgerinnen und Pilgern. Die Neuapostolische Kirche folgte 2009 und richtete in der Arena ihren Europa-Jugendtag mit 35.000 Teilnehmenden aus.

Köln: Auch einige Kilometer den Rhein aufwärts fand im Stadion einer der Eröffnungsgottesdienste des Weltjugendtags 2005 statt, hier mit dem damaligen Kölner Kardinal Joachim Meisner. Im November gibt es einen Sankt-Martins-Zug für große und kleine Fans des FC Köln rund um die Arena. Im Advent werden regelmäßig die vier hohen Masten des Stadions nach und nach in Kerzen-Optik beleuchtet. Eine Stadionkapelle hat Köln zwar nicht, feiert dafür aber in Deutschlands größter katholischer Kirche, dem Kölner Dom, jedes Jahr zum Saisonauftakt einen ökumenischen Gottesdienst - mit ganz viel rot-weiß und der Vereinshymne "Mir stonn zo dir FC Kölle" auf der Orgel. Gefällt sicherlich auch dem "frommsten Fanclub" "TORa et Labora".

Albärt, Maskottchen der Fußball-EM 2024, steht bei der Präsentation des Fußball-EM-Pokals in der Allianz Arena. / © Peter Kneffel (dpa)
Albärt, Maskottchen der Fußball-EM 2024, steht bei der Präsentation des Fußball-EM-Pokals in der Allianz Arena. / © Peter Kneffel ( dpa )

Frankfurt am Main: Auch dieser EM-Spielort punktet mit eigenem Fanclub, passenderweise namens "Geschwister in Eintracht" und mit einer im Zusammenspiel der evangelischen und katholischen Kirche 2007 entstandenen Kapelle. Seit der Einweihung ist Eugen Eckert evangelischer Pfarrer in der Kapelle der Commerzbank-Arena. Er hat nicht nur eine Sportbegeisterung, sondern ist bekannt als Texter neuer geistlicher Lieder wie "Eingeladen zum Fest des Glaubens", "Wäre Gesanges voll unser Mund" und "Meine engen Grenzen". 

Stuttgart: Der VfB ist auch dank der christlichen Anfeuerung der "OFC Königskinder" und der "Stuttgarter CVJM Buaben" Vize-Meister. Im Stuttgarter Stadion gibt es außerdem, wie in den meisten der EM-Spielstätten, kurz vor Weihnachten ein gemeinsames Singen von Advents- und Weihnachtsklassikern. Das Stuttgarter Rudelsingen wird unter anderem von den Kirchen initiiert und will Brücken schlagen über Religions-, Generations- und soziale Grenzen.

Quelle:
KNA