DOMRADIO.DE: Das Projekt, in Kirchen oder auf Kirchplätzen mit dem Wohnmobil zu campen, haben Sie nach britischem Vorbild vor gut einem Jahr ins Leben gerufen. Welche Idee steckt denn dahinter?
Pfarrer Martin Cachej (Pfarrer in der evangelischen Markusgemeinde am Elm in Evessen): Wir haben uns gefragt, warum wir unsere Kirchen und Kirchengrundstücke nicht für Menschen öffnen, die auf der Durchreise sind. Wir wollen doch zeigen, dass wir gastfreundlich sind. Der Rest hat sich aus diesem Gedanken heraus entwickelt.
Wir sind während der Corona-Pandemie selber Camper geworden und an vielen Kirchen vorbeigefahren. Die liegen sehr schön und da ist selten was los. Und dann haben wir das Projekt selber gestartet. Das ist jetzt ein Jahr her.
DOMRADIO.DE: Sie haben ein Internetportal aufgebaut, das Camper und Kirchengemeinden in ganz Deutschland zusammenbringen kann. Wie gut ist dieses Übernachtungsangebot bisher ausgebaut?
Cachej: Wir stehen noch am Anfang und suchen händeringend nach Kirchengemeinden, die mitmachen wollen. Wir haben in Niedersachsen drei Standorte, einen in Mecklenburg-Vorpommern und, was mich besonders freut, eine Kirchengemeinde in Österreich. Die Information zu den Stellplätzen findet man bei uns auf der Internetseite und wir hoffen, dass es noch viele Kirchengemeinden gibt, die Lust haben mitzumachen.
DOMRADIO.DE: Müssen die Reisenden einer christlichen Gemeinschaft angehören, um das Übernachtungsangebot nutzen zu dürfen?
Cachej: Wir gucken erst mal auf den Menschen, der da kommt. Das ist das Allerwichtigste. Wir fragen nicht nach der Religion der Menschen. Sie sind auf der Durchreise und brauchen einen Ort, wo sie ihr Haupt niederlegen können. Das wollen wir ihnen gerne ermöglichen.
DOMRADIO.DE: Es gibt an den Orten dann auch jeweils einen Ansprechpartner?
Cachej: Man kann über unsere Internetseite direkt mit den Kirchengemeinden Kontakt aufnehmen. Jede Kirchengemeinde hat ja auch unterschiedliche Angebote, was die Infrastruktur betrifft. Ob es beispielsweise eine Toilette gibt oder nicht?
Man schreibt ihnen eine Mail oder ruft an, sagt, wann man kommt, erkundigt sich, ob an dem Tag noch Platz ist und dann geht alles seinen Gang. Der Aufwand ist für die Kirchengemeinden relativ gering. Es geht ja erst mal nur darum, einen Platz zur Verfügung zu stellen, an dem ein Camper stehen kann.
DOMRADIO.DE: Wenn man müde wird und sich spontan entscheidet ein Plätzchen zu suchen, kann man ja nicht den Gemeinderatsvorsitzenden aus dem Bett klingeln. Wie spontan kommen die Menschen denn?
Cachej: Dass jemand so spontan vor der Tür stand, haben wir bisher noch nicht gehabt. In der Regel ist es so, dass die Menschen mit ein bisschen Vorlauf anrufen, manchmal sogar Wochen vorher. Wenn sie beispielsweise eine Fahrt nach Dänemark planen und eine Zwischenübernachtung einlegen wollen.
So ist das natürlich einfacher. Aber auch spontan ist es durchaus möglich. Allerdings ist es immer gut, wenn man sich kurz vorher mal meldet und Bescheid gibt, dass man auf dem Weg ist. Denn vor Ort gibt es ja auch immer Regeln dazu. Es dürfen beispielsweise maximal nur drei Fahrzeuge an einem Ort sein. Je nach Kirchengemeinde und Grundstücksgröße kann das natürlich auch variieren.
DOMRADIO.DE: Sonst gilt es als Mini-Campingplatz?
Cachej: Ja genau. Der Gesetzgeber hat das schon fest definiert, dass man dann einen Campingplatz anmelden müsste, wenn die Menschen länger als eine Nacht bleiben und wenn es mehr als drei Fahrzeuge sind. Es ist ja auch sinnvoll, das einzugrenzen. Man muss auch ein bisschen an die Nachbarn denken.
DOMRADIO.DE: Können die Gäste denn auch nur da stehen, wenn sie mit einem Wohnmobil ohne Strom und Wasser autark sind oder können die auch irgendwo duschen oder zumindest zur Toilette gehen?
Cachej: Bei uns in Evessen geht es nur für autarke Fahrzeuge. Aber zum Beispiel im Stift in Börstel, kann man auch beispielsweise auf die Toilette gehen. In Schöppenstedt wird es demnächst möglich sein, eine Toilette und eine Dusche zu benutzen, weil die Kirchengemeinde das gerade vorbereitet. Das ist unterschiedlich geregelt. Unsere Idee war, nur ein Netzwerk zu bilden.
DOMRADIO.DE: Wie wollen Sie vorgehen, damit Sie noch mehr Menschen dafür gewinnen können?
Cachej: Bisher haben wir einige Kirchengemeinden angeschrieben, um sie zu fragen, ob sie da nicht mitmachen wollen. Ich hoffe, dass sich diese Idee über Mund-zu-Mund-Propaganda weiter verbreitet.
Es hat ja auch immer was mit Bedenken zu tun: Wie verhalten die sich? Machen die irgendwas kaputt? Das hatten wir auch bei uns im Kirchenvorstand diskutiert. Meine Erfahrung ist, dass Camper grundsätzlich erst mal freundliche Menschen sind und sehr darauf achten, ihren Müll wieder mitnehmen.
Ich glaube, dass die Menschen, die an oder in einer Kirche übernachten auch um die Besonderheit dieses Ortes wissen und sich dementsprechend verhalten und nicht wilde Gelage feiern oder so.
DOMRADIO.DE: Bei Ihnen können Reisende sogar in der Kirche und in einem Bett schlafen.
Cachej: Wir haben im letzten Jahr auch schon unterschiedlichste Gäste gehabt. Menschen, die nur ein paar Orte entfernt wohnen, haben in der Kirche übernachtet und waren begeistert. Wir hatten ein Pärchen aus den USA, die zu Besuch waren, Freunde von ihnen haben denen das geschenkt. Die waren auch schwer begeistert.
Ein Motorradtourist aus Dänemark, der auf dem Weg nach Südeuropa war, hat Station bei uns gemacht. Das wird mittlerweile auch vermehrt angefragt. Es melden sich immer mehr, die sagen, dass das was Besonderes ist und das ausprobieren wollen.
DOMRADIO.DE: Haben Sie alle Angebote schon getestet?
Cachej: Nein, leider habe ich das noch nicht geschafft. Das ist wirklich ärgerlich, aber es steht noch auf der To-Do-Liste. Der Plan ist, mal alle Stationen anzufahren und die Menschen vor Ort kennenzulernen. Bisher kenne ich sie nur vom Telefon. Vielleicht schaffen wir es auch mal, alle, die jetzt schon mitmachen, auch mal an einen Tisch zu kriegen.
DOMRADIO.DE: Was kostet eine Übernachtung denn?
Cachej: Das ist den Kirchengemeinden überlassen. Einige bieten Infrastruktur an, die auch Geld kostet. Dann ist es legitim, wenn die ein paar Euros dafür haben möchten. Andere bieten das gegen eine Spende an. Wer was geben will, kann was geben, und wenn man nichts bekommt, ist auch nicht schlimm.
Das Interview führte Dagmar Peters.