Freunde des Spargels kennen ihn, den Stichtag, an dem das beige-weiße oder grüne Stangengewächs traditionell nicht mehr geerntet wird. Aber nicht nur die Spargelernte endet am 24. Juni. Auch die Zeit des frischen Rhabarbers hört um den Johannistag auf. Doch die meisten Bräuche rund um Johannes entstammen weniger der Person des heiligen Täufers, sondern mehr dem Zeitpunkt, an dem das Hochfest seiner Geburt gefeiert wird.
Allein schon der Umstand, dass die Geburt eines Heiligen gefeiert wird, ist in der Liturgie ungewöhnlich. Denn normalerweise ist es der Todestag, der den Zeitpunkt der himmlischen Geburt festlegt und daher entsprechend im Kalender der Kirche vermerkt ist. Doch es gibt drei Ausnahmen: Jesus Christus selbst, dessen Geburt nicht nur Christen jedes Jahr am 25. Dezember, vor allem aber am Abend davor begehen, seine Mutter Maria, deren Geburtstag sich am 8. September jährt und Johannes der Täufer, dessen Geburt am 24. Juni gefeiert wird. Bereits bei der Gottesmutter müssen aber Abstriche vorgenommen werden, da ihre Geburt nur als Fest, nicht als Hochfest gefeiert wird und ihre Erwählung neun Monate zuvor am 8. Dezember in der Liturgie der Kirche die größere Rolle spielt.
Geburtsankündigung durch den Erzengel Gabriel
Bleiben also Johannes und der Herr selbst, deren Geburten im Kirchen- und Kalenderjahr jeweils eine Zeitenwende einläuten. Während die Geburt des Johannes um das Datum der Sommersonnenwende die Tage danach wieder kürzer werden lässt, findet die Geburt Jesu um das Datum der Wintersonnenwende statt. Biblische Deutungen, wonach Johannes als Vorläufer Jesu ankündigt, dass er (Jesus) wachsen, Johannes aber geringer werden müsse (Joh 3,30) oder das Volk, das im Finstern ging, ein helles Licht sah (Jes 9,1), werden durch das Naturphänomen unterstützt.
Über Johannes den Täufer wird in den Evangelien recht viel berichtet. Lukas widmet sich in seiner Vorgeschichte zur Geburt Jesu auch der Geburt Johannes' des Täufers, die ebenso wie die Jesu Christi durch den Erzengel Gabriel angekündigt wird. Jedoch ist hier nicht die Mutter Elisabeth, sondern der Vater Zacharias Empfänger der Botschaft, der ähnlich wie Maria zunächst etwas ungläubig zurückfragt, woran er erkennen solle, dass dem Ehepaar im vorgerückten Alter noch ein Sohn geschenkt wird. Wegen seiner Skepsis wird Zacharias prompt vom Engel auf stumm geschaltet, bis er schließlich nach der Geburt den Namenswunsch seiner Frau Elisabeth schriftlich bestätigt, die den Sohn Johannes – übersetzt: Gott ist gnädig – nennen will.
Geburtsort En Kerem bei Jerusalem
Als Geburtsort des Johannes gilt En Kerem nahe bei Jerusalem. Hier soll auch Maria ihre Verwandte Elisabeth besucht haben, wodurch sich die beiden noch ungeborenen Kinder Jesus und Johannes erstmals begegnet sind. Heute steht an diesem Ort unter anderem die Johanneskirche, in der die Geburtshöhle des Täufers zu sehen ist.
Bereits die ersten Christen verehren Johannes als Propheten der Endzeit, der das ersehnte Kommen des verheißenen Messias ankündigt und daher zu Umkehr und Buße aufruft. Scharen von Menschen kommen zu ihm in die Wüste und lassen sich im Jordan vom Mann "in härenem Gewand", der sich von Heuschrecken ernährt, taufen. Auch Jesus reiht sich in die Schar der Umkehrer ein und lässt sich von Johannes taufen, was dieser nur widerwillig vollzieht, da er Jesus sofort erkannt hat.
Der Aufruf des Täufers zur Umkehr gefällt allerdings nicht jedem, da Johannes kein Blatt vor den Mund nimmt und sogar König Herodes Antipas öffentlich die unrechtmäßige Liaison mit dessen Schwägerin Herodias vorhält. Letztere nutzt bei einem rauschenden Fest, bei dem der wahrscheinlich angetrunkene Herodes den weiblichen Reizen ihrer Tochter Salome erliegt, die Gelegenheit, auf einer silbernen Platte den Kopf des Johannes zu fordern. Dieses Ereignisses wird jährlich am Gedenktag der Enthauptung des Täufers am 29. August gedacht.
Grab in Samaria
Die Jünger begraben nach biblischer Überlieferung den Leichnam des Johannes. Als Ort seines Grabes gilt das antike Samaria in der Nähe von Nablus im palästinensischen Autonomiegebiet. Die dortige St. Johannes-Kathedrale, von der heute nur noch Ruinen erhalten sind, wurde im 12. Jahrhundert durch Kreuzfahrer errichtet.
Dass die Ruinen nach der Eroberung Samarias durch die Syrer Ende des 12. Jahrhunderts nicht restlos beseitigt worden sind, ist dem Umstand zu verdanken, dass recht bald eine Moschee am Grab des Johannes erwähnt wird. Denn auch im Islam wird Johannes der Täufer als drittletzter Prophet vor Jesus und Mohammed verehrt.
Reliquien in alle Welt verstreut
Allerdings berichten bereits spätantike Quellen von der Verbrennung der Gebeine des Täufers durch Ungläubige zur Zeit des römischen Kaisers Julian (360-363), der wegen seines Abfalls vom christlichen Glauben den Beinamen Apostata erhielt. Einige Reliquien konnten jedoch gerettet werden und wurden in alle Welt verstreut, so dass es heute mehr Gebeine gibt, die dem Täufer zugeordnet werden, als dieser biologisch je gehabt haben konnte.
Gleich mehrere Orte wollen in Besitz des Kopfes des Johannes sein, darunter der Schrein in der Umayyaden-Moschee in Damaskus, aber auch die Kathedrale in Amiens in Frankreich oder die Kirche San Silvestro in Capite in Rom unweit der Hauptpost.
Parallelen zwischen Geburtsfesten
Die Geburtsfeste des Vorläufers und des Herrn selbst als Antipoden des Kirchenjahres führte auch zu liturgisch ähnlichen Besonderheiten wie das Feiern einer Mitternachtsmesse, weshalb das Geburtsfest des Täufers im Mittelalter auch den Beinamen "Sommerweihnachten" hatte, dem ähnlich der Adventszeit eine entsprechende Zeit der Vorbereitung vorausging.
Auch heute noch ist das Hochfest der Geburt Johannes' des Täufers eines der wenigen Hochfeste, welches in der Liturgie am Vorabend mit anderen Texten begangen wird als am Tag selbst. Eine solche eigene Vigilmesse gibt es nur noch an Weihnachten selbst, am Hochfest der Erscheinung des Herrn, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten sowie Peter und Paul und Mariä Aufnahme in den Himmel.
Geburtsfest verdrängt Sonntag
Da das Hochfest eines Heiligen im liturgischen Rang höher steht als ein Sonntag im Jahreskreis, beginnt in diesem Jahr das Geburtsfest des Täufers bereits am Sonntagabend. Wer also an diesem Sonntag einen abendlichen Gottesdienst besucht, dürfte – sofern Küster, Klerus und Kirchenmusik ihre Arbeit ordentlich verrichten – mit weißen statt grünen Paramenten empfangen werden und die entsprechenden Texte hören.
Dass aber der Herr selbst in der Hierarchie noch über den Heiligen steht, zeigte sich vor zwei Jahren, als das Hochfest Heiligstes Herz Jesu auf den 24. Juni fiel und das Geburtsfest des Täufers um einen Tag vorverlegt wurde, somit dann auch keine zweite Vesper mehr hatte. Man mag es als mangelnden Respekt vor der Tradition bezeichnen, wenn eines der ältesten Feste der Christenheit durch ein erst seit dem 19. Jahrhundert im Generalkalender befindliches verdrängt wird. Es zeigt aber auch, dass das Alter allein kein Grund für den Vorrang ist.