Heilig-Blut-Wallfahrt in Walldürn und Kirchenempfang für Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe. Projektbesuche bei Kriegsflüchtlingen in Kongo und Krankenwallfahrt nach Lourdes.
Festgottesdienst im Nationalpark Schwarzwald – über Langeweile kann sich der Freiburger Erzbischof Stephan Burger im Moment nicht beklagen.
Der enge Terminkalender bringt ihn aber nicht aus der Ruhe. Burger ist gerne unter Leuten. Und er steht für ein zugewandtes, offenes Christentum. Wegen sinkender Katholikenzahlen und Kirchenaustritten zu verzweifeln oder sich als heilige Herde von der Welt abzuwenden – das ist ihm fremd.
Am 29. Juni feiert der 62-Jährige sein zehnjähriges Bischofsjubiläum. "Ohne großes Aufsehen, der normale Samstagabendgottesdienst im Münster. Danach gibt's Schnitzel-Weckle und Blasmusik im Priesterseminar. Und keine hochtrabenden Reden!", kündigt Burger an.
Auch der Südwesten wird säkularer
Noch vor wenigen Jahren gehörten knapp zwei Millionen Katholiken und Katholikinnen zum Erzbistum Freiburg, das vom Bodensee bis in den Odenwald reicht. Der Skandal um sexualisierte Gewalt und Vertuschung in der Kirche hat das Schwinden beschleunigt. Jetzt sind es 1,65 Millionen. Auch der Südwesten wird säkularer.
Daher ist eine Kernfrage für Burger, wie Kirche in den kommenden Jahrzehnten aussehen wird. Wie Gläubige ihr Christentum leben. Wofür Christen und Christinnen sich künftig engagieren wollen, wofür sie einstehen. Ende des Jahres ist dazu die nächste große Bistumsversammlung geplant.
Trotz Priestermangels stellt Burger das Kirchenrecht nicht infrage, wonach immer ein Priester eine Pfarrei leiten muss. Seine Lösung – und auch die in vielen anderen Bistümern Deutschlands: Die Zahl der Pfarreien radikal reduzieren. Damit unter dem Dach der Großpfarreien kreative Spielräume entstehen. Jeder Gläubige ist eingeladen, mitzumachen.
Keine Moralpredigten und klare Kante gegen Hetze
Der Leipziger Theologe Eberhard Tiefensee formulierte es beim Verfassungsgerichts-Empfang jüngst so: "Wir müssen uns damit arrangieren, dass es sich auch ohne Gott gut leben lässt." Christen sollten offen und transparent den Dialog mit den verschiedenen Lebensentwürfen suchen. Und niemanden belehren.
Rigorose Moralpredigten oder Belehrungen von der Kanzel herab liegen Burger fern. Aber er ist überzeugt, dass Christinnen und Christen auch weiterhin gebraucht werden. Durch ihre christliche Hoffnung auf eine gute Zukunft, durch ihr soziales und karitatives Engagement.
Auch als Gegenstimme zu Hass, Hetze und Polarisierung. "Niemand darf schweigen, wenn Parteien oder Gruppierungen heute Grundzüge unseres demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaates in Frage stellen wollen", sagte er im KNA-Interview.
Daher hält Burger auch trotz absehbar geringer werdender finanzieller Spielräume an Kindergärten, katholischen Schulen oder der Katholischen Akademie Freiburg fest. Dabei hilft, dass das Erzbistum im bundesweiten Vergleich finanziell noch verhältnismäßig komfortabel dasteht. Aber die Prognosen zum Sinken der Kirchensteuereinnahmen sind eindeutig.
Zuständig für die Hilfswerke Caritas und Misereor
Burger ist seit seiner Bischofsweihe vor zehn Jahren – für viele kam die Wahl des damals wenig bekannten Kirchenrechtlers überraschend – viel in der Welt unterwegs. Mit den katholischen Hilfsorganisationen Caritas international und Misereor besucht er weltweit Sozialprojekte. Aus eigener Anschauung heraus drängt der Bischof auf eine faire Entwicklungszusammenarbeit. Ihn empört, wenn Profitgier – auch unter Beteiligung deutscher Unternehmen – Regenwald zerstört und Menschen aus ihren Dörfern vertreibt.
Starke Akzente setzt Burger in seiner Diözese beim Umweltschutz. Als bundesweit erstes Bistum will Freiburg bis 2035 klimaneutral werden. Eine große Photovoltaik-Offensive auf den Dächern kirchlicher Gebäude kommt derzeit allerdings nur langsam in Fahrt.
Transparent und couragiert steht Burger für die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt durch Geistliche und Kirchenmitarbeiter. Das würdigen auch Betroffenen selbst. Burger ging dabei rasch auf Distanz zu seinem Amtsvorgänger Robert Zollitsch, dem die große Freiburger Missbrauchsstudie Fehlverhalten und Vertuschung nachwies.
In regelmäßigen Kontakt steht Burger mit seiner evangelischen Bischofskollegin in Baden, Heike Springhart. Beide betonen, dass die Zukunft der Christen ökumenisch, dialogisch sein muss. Trotz mancher Unterschiede, etwa bei Bioethik oder Schwangerschaftsabbruch. Auch darüber dürfte am Samstag gesprochen werden – bei Schnitzel-Weckle und Blasmusik.