Zu Besuch beim Sargmaler vom Bodensee

Künstler und Trauerbegleiter

In der legendären Fernsehsendung "Was bin ich?" hätte sich das Rateteam an Alfred Opiolka vermutlich die Zähne ausgebissen. Der 64-Jährige bemalt Särge mit Blumenmotiven, die er in seiner Lindauer Galerie ausstellt und verkauft.

Autor/in:
Uli Fricker
Alfred Opiolka sieht sich als Kuenstler und Trauerbegleiter zugleich / © Uli Fricker (epd)
Alfred Opiolka sieht sich als Kuenstler und Trauerbegleiter zugleich / © Uli Fricker ( epd )

Alfred Opiolkas Geschäft gehört vermutlich zu den originellsten in der Lindauer Altstadt. Dabei ist die Stadt an Sehenswürdigkeiten reich: Auf der Altstadtinsel im Bodensee gibt es ein bemaltes Rathaus, am Hafen den bayerischen Löwen oder unweit des "Kleinen Sees" den "Milchpilz"-Kiosk. 

Kommen die Touristen an den Schaufenstern von Opiolkas Laden vorbei, staunen sie trotzdem ganz besonders. Manche sind fasziniert von dem Sarg, der heiter wie eine Blumenwiese bemalt ist - andere wirken irritiert und huschen weiter.

"Ich will hier einen Friedensraum schaffen"

Wenn der 64-Jährige morgens seinen Laden mit den bemalten Totenkisten und Wandgemälden aufsperrt, legt er erst einmal Musik auf. Plötzlich schallen Arien von Puccini durch die Schneeberggasse. "Musik reinigt die Gasse", sagt er, "ich will hier einen Friedensraum schaffen".

Lindau am Bodensee / © Yasonya (shutterstock)

Mit Friedensräumen und friedlichem Übergang hat auch seine Arbeit zu tun. Seit knapp 20 Jahren bemalt er schlichte sechseckige Särge, die ihm ein Schreiner aus Franken schickt. Sie sind aus Fichte oder Kiefer. Der Deckel ist aufgesetzt und nicht verschraubt.

Drei Tage dauert die Bemalung eines Holzsargs. Dann ist nicht nur der Deckel bunt - auch die Seiten werden bemalt. Nur der Boden bleibt frei von Acrylfarbe. Opiolkas beliebtestes Modell ist die "Blumenwiese", auf dem vor weißem Hintergrund die Pflanzen eines Bauerngartens blühen. 

"Ein Zeichen der Hoffnung"

"Den verkaufe ich am häufigsten", sagt der Maler. Ein Sarg sei nicht nur eine Kiste, mit der ein Mensch "rausgeht" aus der Welt. Er sei "Bedeutungsträger". Während sich der Kasten in die Tiefe des Grabs senkt, sende seine Bemalung "ein Zeichen der Hoffnung".

Alfred Opiolka bemalt Urnen und Särge / ©  Uli Fricker (epd)
Alfred Opiolka bemalt Urnen und Särge / © Uli Fricker ( epd )

Auf Hoffnung verweist auch das andere Modell mit Schmetterlingen, das im Schaufenster steht. Mit keinem anderen Tier hat sich Opiolka so intensiv beschäftigt, keines malt er so häufig. Für ihn sind Schmetterlinge ein Zeichen für den Kreislauf des Lebens. 

Insekten sind Symbole der Wandlung und Verwandlung

Zugleich sind die Insekten Symbole der Wandlung und Verwandlung. Sie durchlaufen einen Zyklus, der von der Larve über die Raupe bis zur Puppe reicht, die sich schließlich zu einem Schmetterling entwickelt. Auch schon auf alten Grabsteinen sind die Tiere als Gravur zu sehen, erzählt er.

Alfred Opiolka in seinem Atelier in der Innenstadt von Lindau  / © Uli Fricker (epd)
Alfred Opiolka in seinem Atelier in der Innenstadt von Lindau / © Uli Fricker ( epd )

All diese Dinge erklärt er seinen Kunden in langen Gesprächen. Immer ohne Hetze. Er versteht sich auch als Trauerberater. Er rät etwa von Trauerrednern ab. "Was weiß er schon von dem Toten?" Wichtiger wäre, selbst das Wort zu ergreifen, anstatt die letzten Worte an einen bezahlten Redner zu delegieren. 

"Die Arbeit mit den Särgen hat mich verändert", sagt er. Er habe genug lieblose Begräbnisse erlebt. Im Allgäu, wo er aufwuchs und lange lebte, stand das leere Ritual im Vordergrund. Das will er mit seinen bunten Särgen ändern.

 "Der Tod ist grün"

"Der Tod ist grün", sagt der Sargmaler. So lautet auch der Titel seines Buchs, in dem er seine Erfahrungen mit dem Abschied beschreibt. 3.800 Euro kostet das Sarg-Modell mit den gemalten Blumen. Im Schnitt verkauft er ein Exemplar pro Monat. 

Manches Stück muss er in größter Eile mit Blüten und Blättern versehen. Der Aufwand des Bemalens lohne sich, auch wenn der Sarg im Boden vergänglich ist. "Meine Särge sind nicht kaputtbar", sagt der Maler. Auch wenn der Kasten verrotte, präge sich das Bild fest im Kopf ein.

Opiolka ist ein religiöser Mensch: "Ohne Jesus geht es nicht." Eine kirchliche Bindung verspüre er zwar nicht, doch durchziehe seine Malereien die Sehnsucht nach einem Leben nach dem Tod. Für sein eigenes Ableben hat er mit seinem Mann schon einiges beredet. 

Natürlich will er in den Sarg mit den Schmetterlingen gebettet werden, mit viel Wiesenheu als Unterlage. "Und dann sollen alle das Leben feiern mit sehr gutem Rotwein." Die Worte "sehr gut" betont er.

Für die eigene Beerdigung vorsorgen

Wer zu Lebzeiten seine Beerdigung plant, kann aus mehreren Wegen auswählen. Was bei der Planung der eigenen letzten Ruhe wichtig ist.

Die Zahl derer, die ihre eigene Beerdigung vorbereiten, wächst / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Zahl derer, die ihre eigene Beerdigung vorbereiten, wächst / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
epd