Nur selten haben Nachrichten über die katholische Kirche in diesen Tagen einen positiven Werbeeffekt. Skandale und Krisen verdüstern das öffentliche Image. Da kommen leuchtende Vorbilder wie gerufen, um die Kirche in ein besseres Licht zu rücken.
Um diese Vorbilder bekannt zu machen, sind die Prozesse zu ihren Selig- oder Heiligsprechungen ein wichtiges und werbewirksames Instrument. Da sie oft mit unerklärlichen Wundern verbunden sind, umgibt sie bis heute eine mystische Aura.
Dabei sind die Verfahren, an deren Ende die Kirche einen Menschen zum Vorbild für die Gläubigen und zum Fürsprecher bei Gott erklärt, nicht ganz uneigennützig. Zwar kosten sie oft viel Geld und Arbeitszeit.
Aber mit Geschick und etwas Glück können sie ideellen Zuspruch mobilisieren und manchmal auch materiell sichtbare Erfolge bewirken, wenn die Zahl der Verehrer steigt.
Aktuell scheint sich die katholische Kirche mit einigen dieser Prozesse ein jugendlicheres Image geben zu wollen. Gezielt rückt sie das aus ihrer Sicht beispielgebende Leben junger Menschen in den Fokus - vom wellensurfenden Priesteranwärter bis zur jungen Mutter, die zum Wohle ihres ungeborenen Babys auf eine Chemotherapie verzichtete und starb.
Der Fall Acutis
Zu einem wahren Glücksfall hat sich die zügige Seligsprechung eines mit 15 Jahren gestorbenen Italieners entwickelt. Carlo Acutis (1991-2006) erlangte weltweite Bekanntheit als "Cyber-Apostel", "Internet-Patron" oder "Influencer Gottes".
Ende 2020 wurde Acutis im italienischen Assisi seliggesprochen, nun haben Papst und Kardinäle den Weg freigemacht für seine Heiligsprechung. Die Anerkennung einer tugendhaften Lebensweise und zwei Wunder "auf seine Fürsprache bei Gott" galt es bis dahin zu bewältigen. Zwei Menschen wurden laut Gutachtern auf medizinisch unerklärliche Weise durch göttliches Eingreifen geheilt, nachdem Angehörige der Kranken Acutis um Hilfe gebeten hatten.
Bevor Acutis mit 15 Jahren an Leukämie starb, soll er ein frommes Leben mit täglichen Messbesuchen, Rosenkranzgebeten und ehrenamtlichem Engagement geführt haben. Mit Begeisterung soll er sich mit "eucharistischen Wundern" beschäftigt haben - also unerklärliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit geweihten Hostien.
Seine Sammlung weltweiter Ereignisse dieser Art ist heute online zugänglich. Zudem tourt sie als Wanderausstellung durch kirchliche Einrichtungen.
Glaubensvorbild in Jeans und Turnschuhen
Seine inoffizielle Ernennung zum Schutzpatron des Internets verdankt er einem weiteren Hobby. Neben der Schule beteiligte Acutis sich an der Erstellung von Internetseiten, etwa für seine Heimatgemeinde in Mailand.
Seit 2020 liegt er bekleidet mit Sweatshirt, Jeans und Turnschuhen in einem Glasschrein in der Kirche Santa Maria Maggiore in Assisi, sein Herz in einem goldenen Gefäß einige Hundert Meter weiter im Dom San Rufino. Der Bischof von Assisi spricht von gestiegen Besucherzahlen, ebenso der Pfarrer von Acutis' Heimatgemeinde.
Dem vorausgegangen war jahrelanges Engagement, die Geschichte des 15-Jährigen überregional bekanntzumachen - von den Eltern wie von hochrangigen Kirchenmännern. Denn was ein künftiger Seliger wie ein künftiger Heiliger braucht, ist eine Lobby.
Wie man heilig wird
Nach neuen katholischen Glaubensidolen sucht nämlich in der Regel nicht der Vatikan selbst. Vielmehr fungiert er als eine Art Dienstleister, der mögliche Kandidaten prüft und anschließend über ihre vorbildhafte Eignung entscheidet.
Es ist ein oft jahrzehntelanger Prozess, der von den "Lobbyisten" bezahlt werden muss. Die Gebühren entfallen dabei auf die Arbeit der Gutachter sowie kirchenrechtlicher Anwälte. Sie recherchieren im Leben des Kandidaten - suchen nach Flecken auf der vermeintlich weißen Weste, prüfen, ob sie wirklich mehr als nur durchschnittlich gute Christen waren - und ob es für die gemeldeten Wunder nicht doch eine simple medizinische Erklärung gibt. Erklären sie den Kandidaten für geeignet, bittet die zuständige Fachabteilung im Vatikan den Papst um eine positive Entscheidung.
Im Fall von Acutis geschah das schnell. Die theologischen Berater des Prozesses bezeichneten ihn als "leuchtendes Beispiel für die Freude, die von einer Begegnung mit Jesus ausgeht". Ein Jugendseelsorger aus Mailand erklärte das Phänomen des "Internet-Heiligen" so: "In seiner Erfahrung des Aufwachsens finden sich viele Züge, in denen sich die Jugendlichen von heute wiederfinden können, im Gegensatz zu anderen jungen Heiligen, die in einer ganz anderen historischen, kulturellen und sozialen Zeit gelebt haben."
Die internationale Popularität dieses Falles scheint ihnen recht zu geben. Bald wird mit Carlo Acutis also der erste Millennial heiliggesprochen.