DOMRADIO.DE: Wegen Belästigungsvorwürfen gegenüber Orchestermusikern ist François-Xavier Roth seit Wochen in der Kritik. In gegenseitigem Einvernehmen ist nun der Vertrag mit der Stadt Köln vorzeitig aufgelöst worden. Wenn der Gürzenich-Kapellmeister ein Jahr früher aufhört, inwiefern betrifft das den Kölner Dom?
Mathias Peter (Redakteur DOMRADIO.DE): Die Vorwürfe stehen nicht im Zusammenhang mit der Kooperation mit der Dommusik, aber sein vorzeitiges Aus betrifft den Dom mit Blick auf das traditionsreiche jährliche Domkonzert der Domchöre mit dem Gürzenich-Orchester. Da hätte er nämlich dirigieren sollen.
Vor rund 15 Jahren hat Domkapellmeister Eberhard Metternich mit dem damaligen Gürzenich-Kapellmeister Markus Stenz eine Kooperation begonnen, die seitdem sehr erfolgreich ist. Regelmäßig haben seitdem die Chöre der Dommusik in der Philharmonie mit dem Gürzenich-Orchester musiziert, haben CDs gemeinsam aufgenommen, außerdem gibt es seitdem einmal im Jahr, wie gesagt, das Dom-Konzert, das im Wechsel der Domkapellmeister oder der Gürzenich-Kapellmeister dirigiert.
Metternich und Roth wollten das Konzert 2025 im Dom gemeinsam dirigieren, da Metternich in den Ruhestand geht und Roth eigentlich regulär nach zehn Jahren Köln verlassen wollte und Chefdirigent des SWR-Symphonieorchesters werden soll. Dieses Konzert wird Eberhard Metternich nun allein leiten, was sicher die beste Lösung ist.
DOMRADIO.DE: Bevor wir gleich auf die Vorwürfe gegen Roth kommen, wie ist er musikalisch als Dirigent einzuordnen?
Peter: Er ist ohne Frage ein absoluter Spitzendirigent, einer der besten seiner Generation weltweit. Roth hat ein großes Repertoire, das heißt, er kann sehr gut sowohl Barockmusik dirigieren wie Klassik, Romantik oder auch zeitgenössische Werke. Beim Gürzenich-Orchester waren musikalisch alle von ihm absolut überzeugt, nach allem was ich gehört habe. Als Sänger der Dommusik habe ich ihn selbst als Dirigent mehrfach erlebt und das war wirklich hervorragend. Er war fordernd, aber die Ergebnisse waren außergewöhnlich. Aber klar ist auch: musikalische Brillanz rechtfertigt kein Fehlverhalten.
DOMRADIO.DE: Genau, was wird ihm vorgeworfen?
Peter: Im Kern betrifft es vor allem seine Tätigkeit in Frankreich. Es geht also nicht um die Zusammenarbeit mit der Dommusik. Roth ist ja Franzose, wurde in einem Vorort von Paris geboren, ist Sohn des berühmten Organisten Daniel Roth. Bevor François-Xavier Roth nach Köln kam, hat er sich schon einen Namen als Orchesterdirigent gemacht.
Im Zuge einer #Metoo-Recherche hat das französische Investigativ-Magazin "Le Canard enchaîné" Anschuldigungen gegen Roth veröffentlicht. Sieben Personen eines französischen Orchesters werfen ihm sexuell übergriffiges Verhalten vor. Diese Vorwürfe geschahen auch nicht anonym, Roth bestreitet auch nicht, dass er gewisse Nachrichten verschickt hat.
In dem Bericht ist die Rede von unaufgeforderten Textnachrichten mit sexuellem Inhalt und Bildern, sogenannte "Dickpics". Daraufhin hat es auch beim Gürzenich-Orchester eine Untersuchung gegeben, Roth lässt seitdem sein Amt dort ruhen und dirigiert im Moment auch nicht. Und jetzt wurde das Aus als Kölner Generalmusikdirektor und Gürzenich-Kapellmeister verkündet.
DOMRADIO.DE: Wie ist nun die Trennung in Köln gelaufen und wie geht es weiter?
Peter: Offiziell geschieht dies im gegenseitigen Einvernehmen, eben ein Jahr früher. Gründe wurden nicht genannt, es gab von der Stadt auch keinen Dank, sondern nur die Anerkennung seiner musikalischen Leistung. Im Raum steht auch eine sechs-stellige Summe, die er für die Vertragsauflösung erhalten soll.
Sein Nachfolger ab der übernächsten Spielzeit 2025/2026 steht schon fest. Alle Konzerte, die Roth bis dahin dirigieren sollte, übernehmen Gastdirigentinnen und Dirigenten.
Das Dom-Konzert, wie gesagt, dirigiert Domkapellmeister Eberhard Metternich allein. Er nimmt ja Abschied nach rund 38 Jahren als Domkapellmeister. Es ist gut, dass dieses Konzert dann nicht belastet wird und sein Abschied vom Ärger um Francois-Xavier Roth nicht mehr tangiert wird.
So gesehen ist der vorzeitige Abschied von Roth richtig und alternativlos, musikalisch sicher zu bedauern, aber eben auch unabwendbar.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.