2011 gab es bundesweit noch 23 mehrheitlich katholisch geprägte Großstädte. Jetzt sind nur noch Münster, Paderborn, Bottrop und Trier übrig. In Regensburg und Ingolstadt brach der Katholikenanteil beispielsweise um knapp ein Viertel ein.
Befunde, die sich in der großen Datensammlung der jüngsten deutschen Volkszählung - dem Zensus 2022 - verstecken. Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) hat beim Statistischen Bundesamt dazu eine Auswertung auf Städteebene erfragt. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) legte die Behörde eine Übersicht zur Entwicklung der Kirchenmitgliedschaft bundesweit und in den Bundesländern vor.
Keine Großstadt mit protestantischer Mehrheit mehr
Laut NZZ gibt es seit 2022 keine einzige westdeutsche 100.000-Einwohner-Stadt mehr, in der Protestanten auch nur in der relativen Mehrheit sind. Die größte noch mehrheitlich evangelische deutsche Stadt ist Bayreuth. Stattdessen liegt die Gruppe der Konfessionslosen oder Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften überall vorn.
Bundesweit sind 52 Prozent - und damit erstmals die absolute Mehrheit - keine Christen, gehören also einer anderen Religion an oder sind konfessionslos. Alle Prognosen gehen von einer weiteren Entkirchlichung aus.
Christen in Deutschland unter 50 Prozent
Über Jahrzehnte waren Christen in der Bundesrepublik deutlich in der Mehrheit. Durch die religionsfeindliche Politik der DDR zählt Ostdeutschland allerdings schon seit Jahrzehnten zu den Regionen in Europa, in denen die wenigsten Bürger einer christlichen Kirche angehören.
Die Entwicklung ließ sich zuletzt auch an den von den Kirchen selbst jährlich veröffentlichten Statistiken ablesen. Jetzt schlägt sich die Entkirchlichung auch deutlich in der nur alle rund zehn Jahre organisierten staatlichen Volkszählung nieder. Grundlage des Zensus sind die Daten aller Melderegister von Städten und Gemeinden.
Zum Stichtag 15. Mai 2022 weist die Statistik 19,13 Millionen evangelische Christen und 20,75 Millionen Katholiken aus. Das entspricht 23 Prozent, beziehungsweise 25 Prozent der Gesamtbevölkerung von 82,72 Millionen Bundesbürgern. Beim vorausgegangenen Zensus 2011 waren es noch 24,07 Millionen Katholiken und 23,37 Millionen Protestanten und damit knapp 60 Prozent aller Bundesbürger.
Der Rückgang der Kirchenmitglieder lässt sich in allen Bundesländern beobachten. So ging die Zahl der Katholikinnen und Katholiken in Bayern zwischen 2011 und 2022 um 920.000 zurück. Nordrhein-Westfalen zählte im gleichen Zeitraum rund 840.000 Protestanten weniger. Auch im Osten verlieren die Kirchen weitere Mitglieder.
Bundesweit suchen evangelische Landeskirchen und katholische Bistümer nun nach Ideen, wie sie kirchliche Angebote, Gottesdienste, Seelsorge und soziale Trägerschaften unter den neuen Vorzeichen von sinkenden Mitgliederzahlen und damit sinkenden Kirchensteuereinnahmen organisieren wollen.
Kirchensteuern sinken
Am Montag wurden neue Zahlen zur Kirchensteuer bekannt. Demnach hat die katholische Kirche 2023 deutlich weniger Kirchensteuern eingenommen als in den beiden Vorjahren. 2023 beliefen sich die Einnahmen der 27 Bistümer auf 6,51 Milliarden Euro. Das waren gut 330 Millionen Euro und damit etwa 5 Prozent weniger als 2022.
Inflationsbereinigt ist der Rückgang noch drastischer. Weil die Kirchensteuer aufgrund einer staatlich-kirchlichen Zusammenarbeit direkt von den Finanzämtern eingezogen wird, kann die Zensus-Volkszählung sehr genaue Angaben zur Zahl der Christen in Deutschland machen. Völlig ausgeblendet bleiben aber andere Religionen.
Keine Zahlen zu Muslimen in Deutschland
So enthält die Statistik keine Angaben zu Muslimen oder Juden in Deutschland. Zwar wurden für den 1,5 Milliarden Euro teuren Zensus zwischen Mai 2022 und Januar 2023 zwölf Prozent aller Bundesbürger, also rund 10,3 Millionen Personen befragt. Die Frage "Wie hältst Du's mit der Religion?" schaffte es im Gegensatz zu Wohnungsgröße, Heizungstyp oder Kinderzahl nicht auf die Frageliste. Internationale Medien wie die "Neue Zürcher Zeitung" sehen darin ein Versäumnis, das symptomatisch für den zögerlichen Umgang der Deutschen mit dem Islam sei.
Die Statistiker selbst enthalten sich jeder politischen Bewertung.
Grundlage der Volkszählung war ein vom Bundesinnenministerium erarbeitetes Gesetz. "Die Religionszugehörigkeit ist kein Bestandteil des Merkmalsumfangs des Zensusgesetzes und wird folglich auch nicht abgefragt", betonen die Statistiker im schönsten Amtsdeutsch.