DOMRADIO.DE: Sie sind an diesem Donnerstag zu Besuch an der Steinbachtalsperre, einer Jugendbildungsstätte auf dem Gebiet der Stadt Euskirchen. Warum war es Ihnen heute ein besonderes Anliegen, hierhin zu kommen?
Rainer Maria Kardinal Woelki (Erzbischof von Köln): Es gibt hier eine Gruppe von 43 ukrainischen Kindern, von denen die meisten vor zwei Jahren vor den Folgen dieses schrecklichen russischen Angriffskrieges nach Deutschland geflüchtet sind. Die verleben hier nun ein paar Ferientage.
Ich finde, dass das ein wichtiges Zeichen der Unterstützung, der Solidarität ist. Ich bin dankbar, dass die Kinder hier bei uns in einer friedlichen Umgebung, in einer wunderschönen Natur einige Ferientage verleben können.
Ich habe deutlich gespürt, dass sie nicht vergessen können, was zu Hause passiert ist. Sie können nicht vergessen, dass zu Hause Krieg ist. Der ist allgegenwärtig für sie. Sie beten jeden Tag um Frieden und versuchen auf ihre Weise, die Heimat zu unterstützen. Da wollte ich an ihrer Seite sein.
DOMRADIO.DE: Die Heimat der Kinder werden Sie im August besuchen. Was erwartet Sie auf dieser Ukraine-Reise?
Kardinal Woelki: Ich denke, dass ich da in diese ganz schreckliche Situation, in der die Ukraine gegenwärtig steckt, hineinkomme. Wir werden versuchen, kirchliche Autoritäten zu besuchen. Wir versuchen mit ihnen in Kontakt zu kommen, um uns über mögliche Friedenslösungen auszutauschen.
Es ist vor allen Dingen ein Zeichen der Unterstützung und der Solidarität, dass sie nicht vergessen sind. Wir werden Gottesdienste miteinander feiern, weil Waffen letztlich keinen Frieden bringen können. Vielmehr bringen sie eigentlich immer nur neuen Streit und neue Spaltung sowie Tod und Vernichtung.
Das Einzige, was gläubigen Menschen gerade helfen kann, ist das Gebet. Denn wir als Christen sind davon überzeugt, dass das Gebet stärker als alles andere ist. Wir werden sicher auf dieser Reise auch das Herz Gottes bestürmen, dass endlich Frieden wird.
DOMRADIO.DE: Sie sind heute hier auf Kinder getroffen, die neun bis 14 Jahre alt sind. Am Montag erst berichteten Medien, dass eine russische Bombe ein Kinderkrankenhaus in Kiew getroffen und Kinder getötet hat. Wie sehr berühren Sie diese Bilder, gerade wenn Sie hier auf Kinder aus der Ukraine treffen?
Kardinal Woelki: Das ist natürlich total bedrückend. Hoffentlich werden diese Kinder, wenn Frieden herrscht und sie nach Hause kommen dürfen, genauso wie die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die nicht fliehen konnten, nie mehr eine solche Situation in ihrem Leben erleiden müssen.
Ich habe die Kinder hier zu ermutigen versucht, gut in der Schule zu lernen, weil es auf sie mit Blick auf den Aufbau der Ukraine ankommt, damit die Ukraine ein freiheitlich demokratischer Rechtsstaat wird, der in Europa beheimatet ist und zu Europa gehört.
Ich hoffe und wüsche, dass diese Kinder eine friedliche Zukunft haben, die auch von Wohlstand, Freiheit und Gerechtigkeit gekennzeichnet ist, so wie wir das alle für uns wünschen.
DOMRADIO.DE: Heute ist es zehn Jahre her, dass Sie als Erzbischof von Köln ernannt wurden. Das Thema Flucht und Vertreibung ist immer eines gewesen, das Sie seitdem begleitet hat. Wie wichtig war es Ihnen, heute so einen Akzent zu setzen und geflüchtete Kinder zu besuchen?
Kardinal Woelki: Das ist heute für mich ein ganz normaler Arbeitstag. Es ist ehrlich gesagt eher durch Zufall so gekommen, weil in meinem Kalender noch ein Zeitfenster war und weil sich das irgendwie in der Absprache vorher mit dem ukrainischen Pfarrer und dem Ortspfarrer Tobias Hopmann so ergeben hat, dass das an diesem Nachmittag möglich ist.
Also eigentlich ist es ein Zufall, dass das jetzt so zusammentrifft. Aber ich bin ganz froh und dankbar. Ich hätte diesen Tag nicht schöner verbringen können als hier mit diesen Kindern.
Das Interview führte Alexander Foxius.