DOMRADIO.DE: Was hat Sie dazu bewogen, bei dem Kirchengespräch 'God meets Gays' am 17. Juli im Kölner Domform im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zur 'Cologne Pride' dabei zu sein?
Monsignore Robert Kleine (Kölner Stadt- und Domdechant): Ich bin jetzt 31 Jahre Priester. Als solcher und auch als Stadtdechant ist es mir wichtig, dass wir uns als Kirche der Diskussion stellen und mit Menschen in den Dialog treten. Wir wollen Menschen zu einem Dialog einladen, um die Position anderer besser zu verstehen, ohne dass man erwartet, dass man diese Position direkt übernimmt.
Da das Thema Homosexualität die Menschen umtreibt, wollen wir dazu eine inhaltliche, fachliche und ruhige Podiumsdiskussion anbieten.
DOMRADIO.DE: Queer sein und katholische Kirche ist ein nicht ganz reibungsfreies Thema. Es gibt jetzt eine Petition, die die Kirche dazu aufruft von der Kölner Pride Parade fern zu bleiben. Über 15.000 Menschen haben sie unterschrieben. Was sagen Sie den Unterzeichnern dieser Petition?
Kleine: Zuerst einmal nehmen wir nicht an der Pride Parade teil. Die Veranstaltungsreihe "Cologne Pride" geht über einige Tage, an denen es in der kommenden Woche Veranstaltungen gibt. Wir als Stadtdekanat bieten thematisch dazu eine Veranstaltung in dieser Zeit an. Dabei ist "Cologne Pride" aber kein Kooperationspartner.
Die Veranstaltung haben wir natürlich bewusst in diese Zeit gelegt, nicht um zu provozieren, sondern um Menschen zu erreichen, die auch als Gäste zu "Cologne Pride" in Köln sind und sich auf diesen Dialog einlassen wollen. Wir haben gefragt, ob wir auch in das offizielle Programm aufgenommen werden können, damit besser wahrgenommen wird, dass es im Domforum eine Diskussion von der Kirche dazu gibt.
Manche werden sich nach der Diskussion vielleicht in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen. Manche werden vielleicht aber auch unsere kirchliche Lehre in einem anderen Licht sehen oder wenigstens sagen können, dass die katholische Kirche für einen Dialog offen war.
Es geht nicht um die Teilnahme an der "CSD-Parade". Es geht darum, zum Dialog einzuladen, wie ihn auch immer wieder der Heilige Vater fordert.
DOMRADIO.DE: Sie selbst haben schon in zahlreichen Aufrufen und Unterstellungen gemerkt, wie emotional aufgeladen dieses Thema ist. Wie erklären Sie sich, dass so viel Wut dabei ist?
Kleine: Ich verstehe es nicht. Vielleicht ist es die Sorge, dass die Lehre der Kirche im Umbruch ist. Viele dieser Kritiker sind auch Kritiker des Synodalen Weges. Das sind Menschen, die beim Thema "Queer" und "Homosexualität" auf die Barrikaden gehen. Das sind zum großen Teil auch die Menschen, die auf den Heiligen Vater losgestürmt sind, nachdem er das Dokument "Fiducia supplicans" herausgegeben hat, womit er erklärt, dass homosexuelle Beziehungen außerhalb von liturgischen Feiern gesegnet werden dürfen.
Da brach auch ein Tsunami gegen den Heiligen Vater los. Die Menschen hatten Angst davor, dass er die ganze Kirchenlehre über Bord werfen würde. Und ein wenig von dieser Angst ist jetzt auch zu spüren, obwohl es jetzt bei uns nicht um Segnung geht, sondern darum, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir als Kirche queeren Menschen begegnen.
Ich kenne und begegne vielen persönlich und ich bin dankbar, dass sie noch ganz selbstverständlich in unserer Kirche sind. Dass da jetzt so ein Bashing kommt, dass diesen Menschen Unmoral unterstellt, sie abgelehnt werden und von Sünde gesprochen wird, ist ein Zeichen dafür, dass die einzelnen Menschen nicht ernst genommen werden.
Es geht um den einzelnen Menschen, den wir im Blick haben müssen. Da bin ich ganz einer Meinung mit unserem Papst, der sagt, dass es um Respekt geht.
Wir alle müssen einander respektieren, auch die queeren Menschen. Auch unser Erzbischof hat vor zehn Jahren, als er in unser Erzbistum eingeführt wurde, gesagt, dass Homosexuelle natürlich genauso zur Kirche gehören wie alle anderen und wir niemanden auf seine Sexualität reduzieren. Mein Empfinden ist, dass die Gegner dieser Podiumsdiskussion genau das tun, nämlich queere, homosexuelle Menschen auf ihre Sexualität beschränken.
DOMRADIO.DE: Man sollte aufklärend vielleicht auch sagen, dass "Drag Queens" Männer sind, die in Frauenkleidern performen und das als eine Art Kostüm verstehen. In dieser Diskussion taucht auch das Argument immer wieder auf, dass Papst Franziskus nochmal klargestellt hat, dass das katholische Geschlechtsverhältnis rein binär zu betrachten ist: "Gott schuf den Menschen als Mann und Frau. Punkt." Das ist die offizielle Kirchenmeinung.
Kleine: Das ist die offizielle Kirchenmeinung. Dem widerspricht auch keine "Drag Queen". Auch Ken Reise (alias Julie Voyage) zum Beispiel, der im Karneval im Kleid auftritt, bleibt natürlich ein Mann, wenn er sich ein Kleid anzieht.
Zusammen mit meiner Großmutter habe ich, als ich klein war, Mary und Gordy angeguckt. Das war ein Duo, das in Frauenkleidern auftritt. Aber dieses Verkleiden ist nichts, was die binäre Ausrichtung von Menschen aufbricht. Man kann Ken Reise sehen und ihn als Mann lesen und später ist er dann als Julie Voyage nicht wiederzuerkennen. Aber er schminkt sich, im wahrsten Sinne des Wortes, wieder ab.
DOMRADIO.DE: In Köln sollte man das wissen. Auch die Jungfrau im Karneval ist schließlich ein Mann. Wer wird auf dem Podium dabei sein?
Kleine: Wir haben Ken Reise, der von seiner Lebensgeschichte erzählt, wie er im Oberbergischen Land aufgewachsen ist, dann zu erkennen gab, dass seine sexuelle Orientierung anders ist und wie er mit den Widerständen hat umgehen können. Es ist ein sehr persönliches Zeugnis, das sich sogar als Glaubenszeugnis entfaltet.
Wir haben Annelie Bracke, die Leiterin unserer katholischen Telefonseelsorge in Köln, die von dem Aspekt der Beratung und der psychologischen Begleitung etwas dazu beitragen wird, wie wir Menschen mit Respekt begegnen können, gerade auch queeren Menschen.
Dritter im Bunde bin ich. Die Veranstaltung wird von Cassie Carrington moderiert.
DOMRADIO.DE: Der Erzbischof von Köln, Kardinal Woelki, wird in der schon angesprochenen Petition offen aufgefordert, die Teilnahme der Kirchen an "Cologne Pride" zu unterbinden. Wird das geschehen?
Kleine: Ich hoffe sehr und vertraue darauf, dass es uns allen in der Kirche, auch in unserem Bistum, um diesen Dialog geht. Und noch einmal: Wir sind kein Kooperationspartner von "Cologne Pride".
Ich persönlich stehe auch nicht hinter all dem, was in diesen Tagen in Köln gezeigt wird. Für mich ist Sexualität tiefster Ausdruck von personaler Liebe. Und diese Liebe ist eine intime Liebe. Alles, was pornografisch oder erniedrigend ist und keine Begegnung auf Augenhöhe bedeutet, ist etwas, was ich persönlich ablehne und was natürlich auch im katholischen Verständnis von Liebe nicht zum Tragen kommt.
Wenn aber zwei Menschen in Verantwortung zueinander stehen, dann möchte ich eine Partnerschaft nicht nur auf die sexuelle Beziehung reduzieren. Partnerschaft bedeutet auch, dass man füreinander sorgt.
In dem Sinne unterstütze ich natürlich auch das, was unser Heiliger Vater gesagt hat, dass wir das respektieren sollen. Deswegen bitte ich alle, auch im Hinblick auf die Veranstaltung im Domforum, diese Worte ernstzunehmen.
Ich muss die Meinung anderer nicht übernehmen, ich muss nicht alles gutheißen. Ich kann meine eigene Sicht auf Homosexualität haben, aber ich muss jeden einzelnen Menschen ernst nehmen.
Jede und jeder von uns ist ein Abbild Gottes und ein von Gott geliebter Mensch. Bitte begegnen wir, gerade im Namen des Christentums, den Menschen mit Respekt und Achtung.
Das Interview führte Johannes Schröer.