Jesuit hält Biden-Rücktritt vom Präsidentenamt für möglich

"Er ist ein Mann des Gebetes"

Joe Biden zieht seine Kandidatur zurück. Den Jesuiten und USA-Experten Godehard Brüntrup hat dieser Schritt nicht überrascht. Der Präsident habe die Entscheidung sicher auch im Gebet behandelt, so Brüntrup, der Biden persönlich kennt.

Autor/in:
Tim Helssen
Biden verzichtet auf Kandidatur  / © Gerald Herbert (dpa)
Biden verzichtet auf Kandidatur / © Gerald Herbert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie kennen Joe Biden persönlich. Hat Sie dieser Rückzug überrascht? 

Godehard Brüntrup SJ ist ein deutscher Philosoph, Jesuit und USA-Experte. / © Pater Christof Wolf SJ
Godehard Brüntrup SJ ist ein deutscher Philosoph, Jesuit und USA-Experte. / © Pater Christof Wolf SJ

Godehard Brüntrup SJ (Jesuitenpater, USA-Experte, Professor für Philosophie in München und St. Louis, USA): Er hat mich wenig überrascht. Ich habe verschiedenen Freunden gesagt, dass sich das in den nächsten Tagen vollziehen wird. Er hat sich am Wochenende zurückgezogen mit seinen engsten Beratern, die ihn seit Jahrzehnten begleiten: Mike Donilan, Ron Klain und Ted Kaufman. Ted Kaufman war schon derjenige, der ihn bei seiner ersten Kandidatur, als der Plagiatsskandal aufkam, geraten hat, zurückzuziehen und sich "nicht den Haifischen zu stellen". Ich glaube, dass dieser innere Kreis ihn letztlich überzeugt hat. 

Er hat ja selber gesagt, es gibt nur drei Möglichkeiten dass er aufhört: eine Botschaft vom Allmächtigen, ein überwältigendes Gesundheitsproblem oder wenn ihm jemand klar macht, dass er keine Chancen hat zu gewinnen. Meine persönliche Vermutung ist, dass ihm diese engsten Berater am Wochenende klargemacht haben, dass er keine Chance mehr hat, zu gewinnen. 

Godehard Brüntrup

"Ich bin sicher, dass er diese Frage auch im Gebet angeht."

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie denn Biden als Katholiken ein? Wird er vielleicht auch darüber gebetet haben, in so einer schwierigen Situation der Entscheidung? 

Pater Brüntrup: Ich bin sicher, dass er sehr religiös ist, von seiner ganzen Erziehung her, aber besonders durch die schweren Schicksalsschläge, die er erlitten hat. Er musste ja früh den tragischen Verlust enger Familienmitglieder erleben. Er hat eine sehr tiefe katholische Religiosität entwickelt und er ist ein Mann des Gebetes. 

Ich bin sicher, dass er diese Frage auch im Gebet angeht. 

Joe Biden und Godehard Brüntrup SJ / © Brüntrup (privat)
Joe Biden und Godehard Brüntrup SJ / © Brüntrup ( privat )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet denn dieser Schritt des Rückzugs aus dem Wahlkampf für die Katholikinnen und Katholiken in den USA? 

Pater Brüntrup: Das wird jetzt noch mal eine Zuspitzung bedeuten, weil die Katholiken traditionell gespalten sind. Die Hälfte etwa sind Demokraten. Besonders diejenigen, die sozial engagiert sind - für soziale Gerechtigkeit. Die andere Hälfte sind Republikaner, die sich besonders für Grundwerte wie zum Beispiel das Recht auf Leben gegen Abtreibung engagieren. 

Kamala Harris ist bekannt dafür, dass sie eine sehr liberale Abtreibungspolitik vertritt und eigentlich die Einschränkungen in den Abtreibungsrechten, die Trump eingeführt hat, wieder rückgängig machen will. 

Daher werden viele Katholiken hin- und hergerissen sein, in welche Richtung sie sich entscheiden sollen. 

Bari: US-Präsident Joe Biden, begrüsst Papst Franziskus, zum G7 Gipfel / © Michael Kappeler (dpa)
Bari: US-Präsident Joe Biden, begrüsst Papst Franziskus, zum G7 Gipfel / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Kamala Harris blieb als Vize-Präsidentin recht blass an der Seite von Joe Biden. Wie schätzen Sie sie ein? 

Pater Brüntrup: Als Vizepräsidentin hat sie natürlich eine Art Amtsbonus, der noch größer werden könnte. Denn jetzt werden viele sagen, wenn Biden nicht in der Lage ist zu kandidieren, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, weil er nicht mehr mental fit genug ist, dann kann er aber auch nicht mehr Präsident sein. Dann müsste er eigentlich zurücktreten. Das ist wohlgemerkt nicht meine Perspektive.

Aber es ist durchaus möglich, dass er noch gezwungen wird, zurückzutreten. Und dann wird Kamala Harris Präsidentin werden. Mit diesem Amtsbonus würde sie in den Wahlkampf gegen Trump gehen. Das könnte ihr schon einen gewissen Vorteil verschaffen. Ich glaube aber momentan von den Umfragen nicht, dass sie Trump schlagen kann. 

Aber es geht ja um mehr als nur um die Wahl zu gewinnen. Es geht auch darum, wer zum Beispiel die Mehrheit im Abgeordnetenhaus gewinnt. Da sind jetzt die Republikaner mit acht Sitzen vorne, also ganz knapp. Wenn die Demokraten einen guten Wahlkampf hinlegen, könnten sie zum Beispiel das Haus zurückgewinnen, auch wenn sie nicht die Präsidentschaft gewinnen. Da setzt man Hoffnungen auf sie, dass sie vor allen Dingen Frauen, Afroamerikaner, asiatische Amerikaner mobilisieren könnte. 

Godehard Brüntrup

"Ihre Religion wird keine große Rolle spielen."

DOMRADIO.DE: Kamala Harris bezeichnet sich ja selber auch als Baptistin. Was könnte das denn für die Zukunft bedeuten? 

Brüntrup: Amerika versteht sich nach wie vor als christliches Land, und es wäre schwer, überhaupt als Präsident oder Präsidentin zu kandidieren, wenn man nicht einer christlichen Kirche angehören würde, dann würde man viele Stimmen verlieren. Von daher spielt es eine Rolle. Aber ansonsten vermute ich, dass ihre Religion keine große Rolle spielen wird. 

Das Interview führte Tim Helssen.

Quelle:
DR