Es ist ein historischer Schritt. Joe Biden, der 46. Präsident der USA, wird nicht zur Wiederwahl antreten. Nach der TV-Debatte mit seinem Konkurrenten Donald Trump wuchs der Druck auf den Demokraten seit Wochen, am Ende hat sich sogar Barack Obama für einen Wahlkampf-Ausstieg seines ehemaligen Vizepräsidenten ausgesprochen.
Biden ist der erste Katholik im Weißen Haus seit John F. Kennedy. Knapp 200 Jahre galt ein katholischer US-Präsident als unvorstellbar. Die Beziehung zwischen den Katholiken und der US-Politik war schon immer kompliziert. Mit Argwohn wurden die katholischen Gläubigen lange betrachtet, da sie, so die Binsenweisheit, nicht der Verfassung und den freiheitlichen Werten der USA treu seien, sondern dem Papst, ihrem Religionsoberhaupt in Rom. Als John F. Kennedy 1961 als erster Katholik ins Weiße Haus zog, musste er noch hoch und heilig versprechen, dass das bei ihm nicht so wäre.
Katholische Konflikte unter Biden
Die Präsidentschaft von Joe Biden, dem zweiten Katholiken im Oval Office, hat ganz andere Konflikte aufgeworfen, an die zu Kennedys Zeiten noch kaum jemand denken konnte. Wie so oft in der US-Politik geht es um das Reizthema Abtreibungen. Über Jahrzehnte waren die USA für ein liberales Abtreibungsrecht bekannt, das aber die vergangenen Jahre durch den konservativen obersten Gerichtshof (auch mehrheitlich mit Katholiken besetzt) mehr und mehr beschnitten wurde.
Biden ist auf Linie seiner Demokraten und setzt sich für "Pro Choice", ein liberales Abtreibungsrecht ein, obwohl er auch betont als Katholik im Blick auf den Lebensschutz dieses Thema anders zu bewerten. Der Politiker, der auch jahrzehntelang als Abgeordneter im US-Kongress saß, hat das früher allerdings noch deutlicher betont als heute. In den 1970ern hat er noch gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes gestimmt.
Kritik von den Bischöfen
Seine "Pro Choice"-Haltung hat auch zu Konflikten mit der katholischen Amtskirche in Amerika geführt. Auch wenn sich die US-Bischofskonferenz (US-Conference of Catholic Bishops, USCCB) vor der Wahl von 2020 nicht explizit gegen Biden ausgesprochen hat, betonen ihre Dokumente wie wichtig es ist, Politiker zu unterstützen, die sich gegen Abtreibungen, also "Pro Life", positionieren.
Besonders deutlich wurde das nach der Wahl von Biden. Im Januar 2021 war es zunächst Papst Franziskus, der den neuen katholischen Präsidenten zu seiner Wahl beglückwünscht hat. Erst hinterher kam der Brief von der USCCB, der statt Glückwünschen eine Mahnung an den neuen katholischen Präsidenten enthielt, sich doch bitte an das katholische Wertekonstrukt zu halten.
Noch größere Schlagzeilen machte die Bischofskonferenz im November 2021 als sie bei ihrer Vollversammlung offen darüber debattierte, ob "Pro Choice"-Politikern wie Biden der Empfang der Kommunion untersagt werden kann. Am Ende verfehlte das Dokument der Bischöfe eine Mehrheit, aber das Signal in Richtung Weißem Haus war klar gesetzt.
Was wird Bidens Ausstieg für katholische Wähler bedeuten?
Katholische US-Wähler, die ihre Entscheidung von der Religionszugehörigkeit abhängig machen wollen, können nun nicht mehr auf den Katholiken Biden zählen. Auch keiner seiner möglichen demokratischen Nachfolger, allen voran Vizepräsidentin Harris, ist katholisch. Dafür tritt nun Donald Trump mit einem katholischen Kandidaten zur Vizepräsidentschaft an. Der Republikaner J.D. Vance ist im Erwachsenenalter zum Katholizismus konvertiert und darin genau so überzeugt wie in seiner politischen Begeisterung für Donald Trump.
Am Ende wird die Religionszugehörigkeit aber wahrscheinlich nicht über das Wahlverhalten der Katholiken entscheiden. Von einem monolithischen katholischen Wählerblock kann keine Rede sein, hat der Analyst Sean Michael Winters im Frühjahr gegenüber DOMRADIO.DE betont: "Im Gegensatz zu früheren Wahlkämpfen kann man die katholischen Wähler nicht mehr über einen Kamm scheren. Den katholischen Block gibt es nicht mehr.“ Das merke man zum Beispiel bei den Latinos, so Winters. Im umkämpften Bundesstaat Florida leben viele wohlhabendere Familien, die aus Kuba geflohen sind und tendenziell eher republikanisch wählen. Im Südwesten des Landes (Kalifornien, Arizona, Nevada) gäbe es mehr Latinos aus Mexiko und Zentralamerika, die finanziell schlechter aufgestellt sind und eher in Richtung der Demokraten tendieren.
Die US-Katholiken sind gespaltener denn je. Trotzdem, so Winters, spiele die katholische Wählerschaft auch 2024 eine große Rolle, da sie vor allem in den sogenannten "Battleground States" überproportional vertreten sei. "Dazu gehören Michigan, Pennsylvania oder Arizona. Dort befinden sich die Katholiken politisch oftmals in der Mitte und könnten in beide Richtungen bewegt werden. "Die Katholiken sind inzwischen relativ gleichmäßig aufgespalten zwischen Demokraten und Republikanern." Inwiefern ein neuer Präsidentschaftskandidat der Demokraten dieses Verhältnis verschiebt, bleibt nun abzuwarten.