Jesuit Mertes sieht Gefahr in Abkehr vom Christentum

Wer ist der Mann am Kreuz?

Westliche Gesellschaften wenden sich vom Christentum ab, warnt der Jesuit Klaus Mertes. Dies verunsichere nicht nur kirchlich geprägte Menschen. Es gehe damit religiöses Wissen verloren, das Glauben erst ermögliche.

Kruzifix und Buntglasfenster in der Kirche Sankt Laurentius / © Harald Oppitz (KNA)
Kruzifix und Buntglasfenster in der Kirche Sankt Laurentius / © Harald Oppitz ( KNA )

Nach Einschätzung des Jesuiten Klaus Mertes verunsichert eine zunehmende Abwendung der westlichen Gesellschaften vom Christentum nicht nur kirchlich geprägte Menschen. Damit gehe wichtiges religiöses Wissen verloren, dass nicht-religiösen Menschen überhaupt erst einen Bezug zum Glauben eröffnen würde, schreibt Mertes in der katholischen Kulturzeitschrift "Stimmen der Zeit" (August-Ausgabe).

"Papa, wer ist der Mann am Kreuz?"

Mertes berichtet, er sei kürzlich nachmittags in einer leeren Kirche gewesen, als ein etwa zehnjähriges Kind die Kirche betreten habe und seinen Vater gefragt habe: "Papa, wer ist der Mann da am Kreuz?" Die Antwort des Vaters: "Das weiß ich leider auch nicht."

Mertes mahnt daher: "Wenn die Frage danach, wer der Mann am Kreuz ist, unbeantwortet bleibt, geht mehr verloren als nur Wissen um eine historische Kreuzigung auf Golgatha." Es gehe Wissen verloren, das das religiöse Bekenntnis, wonach Jesu Tod Hoffnung für alle Menschen über den Tod hinaus bringt, erst ermögliche. Die Frage, was passiere, "wenn sich unsere westlichen Gesellschaften immer mehr vom Christentum abwenden", gehe daher nicht nur Christen an.

"Tiefe Unbeholfenheit" im Umgang mit dem Religiösen

Es sei auch keineswegs so, dass Erwartungen von Politik und Gesellschaft an die Kirchen in dem Maße abnähmen, wie die Zahl kirchlich-religiös orientierter Menschen sinke. Im Gegenteil wüchsen auch bei Menschen ohne religiöses Interesse Erwartungen an die Kirche. Dies sei oft gepaart mit kulturpessimistischen Untergangsängsten, wonach die Gesellschaft mit der Abwendung von Religion wichtiges Wissen und den Zugang zum kulturellen Erbe in Literatur, Kunst, Musik und Philosophie verliere. Spürbar sei eine "tiefe Unbeholfenheit im Umgang mit religiös geprägten Kulturen hierzulande und weltweit".

Klaus Mertes SJ

Klaus Mertes wurde in Bonn geboren, die ersten elf Lebensjahre verbrachte er im Ausland: in Marseille, Paris und Moskau. 1966 kehrte er mit seiner Familie nach Bonn zurück. Am Aloisiuskolleg der damaligen Hauptstadt machte er Abitur. Nach dem Wehrdienst studierte er von 1975 bis 1977 Klassische Philologie/Slawistik in Bonn. Danach begann er das zweijährige Noviziat des Jesuitenordens in Münster.

Pater Klaus Mertes SJ / © Norbert Schäfer (Pro)
Pater Klaus Mertes SJ / © Norbert Schäfer ( Pro )
Quelle:
KNA