Flughafenseelsorger beschreibt Lage nach Protest-Aktion

"Schwieriger sind die persönlichen Schicksale"

Vom Frankfurter Flughafen konnte kurzfristig kein Flugzeug abheben. Aktivisten der "Letzten Generation" hatten sich festgeklebt. Inzwischen wurde der Betrieb weitgehend wieder aufgenommen. Die Flughafenkapelle bleibt aber gut besucht.

Autor/in:
Clemens Sarholz
Symbolbild Touristen am Frankfurter Flughafen / © Andreas Arnold (dpa)
Symbolbild Touristen am Frankfurter Flughafen / © Andreas Arnold ( dpa )

DOMRADIO.DE: Mit einer Klebeaktion auf den Landebahnen haben Klima-Demonstranten der sogenannten "Letzten Generation" den Betrieb am Frankfurter Flughafen für Stunden lahmgelegt. Laut Flughafenbetreiber Fraport wurden rund 170 der 1.400 für Donnerstag geplanten Flüge annulliert. Wie erleben Sie die Stimmung am Frankfurter Flughafen?

Peter Schwaderlapp (Pastoralreferent und Flughafenseelsorger am Frankfurter Flughafen "Fraport"): Die Stimmung ist inzwischen, so empfinde ich es, relativ gelassen. Es stehen aber immer noch mehr Menschen als sonst in den Hallen. Einige gucken relativ ratlos - vermutlich, weil ihre Flüge nicht starten. Ich glaube aber, dass das Schlimmste vorbei ist. 

Symbolbild Menschen am Frankfurter Flughafen / © r.classen (shutterstock)
Symbolbild Menschen am Frankfurter Flughafen / © r.classen ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie haben sich die Fluggäste denn verhalten? 

Schwaderlapp: Die, die mir begegnet sind, waren zum Teil genervt. Die, die heute aber gar keine Möglichkeit mehr hatten an ihr Ziel zu kommen, waren zum großen Teil gar nicht mehr da oder sind gar nicht erst angereist. Die, die jetzt da sind, sind damit beschäftigt sich neu zu organisieren, auf ihre neuen Abflugzeiten einzustellen, neue Gates aufzusuchen.

Es ist schon ein bisschen aufwendiger als sonst, sich durchzunavigieren. Dafür gibt es aber viele Wegweiser. Wenn man, wie ich, mit der gelben Weste durchläuft, wird man im 30-Sekunden-Takt irgendetwas gefragt. 

DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie damit um, wenn die Menschen aufgebracht sind? 

Schwaderlapp: Wirklich Aufgebrachte habe ich nicht erlebt. Ich habe mit Angestellten gesprochen, die in der Halle mittendrin sind. An einer Stelle werden Snacks und Getränke verteilt werden, nebenan bekommen die Fluggäste Infos.

Die haben Kontakt mit aufgebrachten Leuten gehabt, die die Information nicht verarbeiten konnten, dass ihr Flugzeug nicht fliegen kann, weil es schlicht und einfach nicht da ist, weil es nicht landen konnte und deshalb heute Morgen nach Düsseldorf umgeleitet wurde.

Peter Schwaderlapp

"Viel schwieriger sind die Dramen und die großen Enttäuschungen."

Viel schwieriger sind die Dramen, die großen Enttäuschungen und die persönlichen Schicksale. Leute konnten nicht zu einer Hochzeit von nahen Verwandten kommen, lange geplante Urlaubsreisen verspäten sich, auf die man sich monatelang gefreut hat. Dann plötzlich steht man mit gepackten Koffern da und es gibt keine Möglichkeit mehr, die Reise anzutreten. Die haben dann nur noch die Hoffnung, dass es morgen oder übermorgen weitergeht.

DOMRADIO.DE: Konnten Sie als Seelsorger auch Seelsorge leisten? 

Mehrere Demonstranten waren am frühen Morgen auf das Gelände des Flughafens eingedrungen und hatten sich festgeklebt. / © Arne Dedert (dpa)
Mehrere Demonstranten waren am frühen Morgen auf das Gelände des Flughafens eingedrungen und hatten sich festgeklebt. / © Arne Dedert ( dpa )

Schwaderlapp: Seelsorge im Sinne einer geistliche Anfrage dahinter nicht. Aber das Unterstützen und Ansprechbarsein hilft den Menschen ebenso. Ich wurde gefragt, wo der muslimische Gebetsraum ist, wie man am schnellsten zu Gate 24 kommt.

Jede Information, die sie in diesem Tohuwabohu bekommen, ist nützlich und nutzt auch der Seele. Das beruhigt. Wenn man freundlich guckt, ansprechbar ist und sich nach Kräften bemüht, die Lage handhabbar zu machen, wird das gerne angenommen. 

Insgesamt ist es auch Seelsorge, in dieser Situation zu helfen. Auch wenn manche Leute auf die Weste geguckt haben und erstaunt waren, als sie "Flughafenseelsorge" gelesen haben.

DOMRADIO.DE: War die Flughafenkapelle dadurch frequentierter?

Peter Schwaderlapp

"Es kommen deutlich mehr Menschen hier hin."

Schwaderlapp: Ja. Wir haben glücklicherweise auch ökumenische Ehrenamtliche von katholischer und evangelischer Seite in ausreichender Zahl hier. Es kommen deutlich mehr Menschen hier hin, um einen Moment in Ruhe in der Kapelle zu sitzen. Ein Ort der Ruhe ist an so einem Tag doch ganz schön. Wobei auch manche nur kommen, weil sie sich irgendwo hinsetzen wollen.

DOMRADIO.DE: Es geht bei den Klimaprotesten um die Bewahrung der Schöpfung. Hatten auch Menschen Verständnis für die Klimakleber? 

Schwaderlapp: Ich hatte zwei Gespräche, in denen es genau um diese Frage ging. Das inhaltliche Verständnis für die Sache ist da. Aber die Menschen fragen sich, warum sie die Opfer sein müssen. Die sagen, dass das an an anderer Stelle ausgehandelt werden muss. In der Verkehrspolitik zum Beispiel. Im Flughafen sehen sie die falsche Adresse für diese Aktion. 

Wenn man diese persönlichen Geschichten dahinter hört, ist das ja auch vollkommen verständlich. Die Leute sagen, dass sie es doch nicht sind, an denen es hängt. Ich habe das Gefühl, dass diese Art von Klimaprotesten eher nach hinten losgeht und der Sache nicht dient. Da verliert die Bevölkerung eher das Verständnis dafür.

Das Interview führte Clemens Sarholz.

Flughafenseelsorge Deutschland

Die Airport- oder Flughafenseelsorge, auch Airportchaplaincy, ist ein besonderes Angebot der Religionen für Reisende und Mitarbeitende auf Flughäfen weltweit.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz (OEKOF) verfügen elf Flughäfen über eine Flughafenseelsorge mit Andachtsräumen, mit der Möglichkeit zum seelsorglichen Gespräch und Hilfen.

Symbolbild Flughafen / © Prostock-studio (shutterstock)
Symbolbild Flughafen / © Prostock-studio ( shutterstock )
Quelle:
DR