Bei der knapp vierstündigen Show ging es unter anderem um Gleichheit, Brüderlichkeit und Respekt. "Dieses hohe Ideal wurde aber durch eine blasphemische Verhöhnung eines der heiligsten Momente des Christentums getrübt", sagte Kurienerzbischof Vincenzo Paglia.
Der Geistliche ist Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, einer Einrichtung der katholischen Kirche für ethische Fragen. Paglia hatte seine Kritik in einem Interview der Zeitung "Il Giornale" geäußert.
Er bezog sich auf eine Szene der Feier, die an Leonardo da Vincis berühmtes Gemälde "Das letzte Abendmahl" erinnert, bei dem Jesus Christus und seine Apostel dargestellt sind.
Bei der olympischen Eröffnungszeremonie wurden die Apostel nun allerdings von Dragqueens verkörpert sowie einem Transgender-Model und einem fast nackten Sänger.
Deutscher Bischof beklagt "queeres Abendmahl"
Vor Paglia hatten sich schon andere Kirchenobere entrüstet gezeigt, darunter die französische Bischofskonferenz. Der Passauer Bischof Stefan Oster, in der Deutschen Bischofskonferenz für den Sport zuständig, schrieb auf X von einem "queeren Abendmahl", das "ein Tiefpunkt und in der Inszenierung völlig überflüssig" gewesen sei.
Auch Konservative und rechtsextreme Politiker in Frankreich übten Kritik, ebenso wie die russisch-orthodoxe Kirche und das Außenministerium in Moskau.
Die Olympia-Macher wiesen die Kritik zurück und verwiesen auf die Kunst- und Meinungsfreiheit. Organisationschef Tony Estanguet betonte, die Show habe zum Nachdenken anregen sollen und sei in ihren Grundlinien mit dem IOC abgestimmt worden. "Unsere Absicht war es nie, unverschämt zu sein", sagte der Regisseur der Eröffnungszeremonie, Thomas Jolly. "In Frankreich ist das künstlerische Schaffen frei." Die Idee sei gewesen, inklusiv zu sein, was bedeute, niemanden auszuschließen.
Evangelische Kirche sieht es gelassen
Der EKD-Sportbeauftragte Thorsten Latzel rät zu einer differenzierten Betrachtung. Selbstverständlich sei die Darstellung durch die Kunstfreiheit abgedeckt, sagte der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Sonntag. Allerdings hätte er sich mehr wertschätzende Sensibilität gegenüber gelebter Religion gewünscht.
"Nun gilt es zunächst einmal zu sagen, dass queere Menschen selbstverständlich zur Kirche Jesu Christi gehören und die Teilnahme am Abendmahl an keine menschliche Voraussetzung gebunden ist, auch nicht an irgendeine sexuelle Orientierung", erklärte Latzel. "Insofern verstehe ich die Aussage auch nicht als 'blasphemisch', sondern als Ausdruck einer religiösen Emanzipation, vor allem angesichts einer schuldhaften Diskriminierung von queeren Menschen gerade auch aus religiösen Gründen."
Die Darstellung des weitgehend nackten Bacchus sei jedoch problematisch und "schlechte Kunst". "Durch diese Kombination wird das Abendmahl zu einem sexualisierten Trinkgelage einer völlig anderen, antiken Gottheit", erläuterte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. "Hier zeigt sich die Haltung einer bestimmten Form der Laizität, der es nicht um Freiheit für die Religion, sondern nur um eine negative Freiheit von der Religion und um eine religiös ideologisierte Überhöhung von Sexualität geht."
Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, sieht es gelassen: "Es war eine große, bildreiche und mit Klischees spielende Show. Zu viel sollte man nicht in sie hineinlesen. Die Zukunft des Christentums wird andernorts entschieden", erklärte der Theologe auf epd-Anfrage.