Künstler kritisiert Debatte um Olympiaeröffnung

"Nur ein Kampf um die Deutungshoheit"

Eine queere Szene bei der Eröffnung der Olympischen Spiele sorgt weiterhin für Aufregung unter Kirchenvertretern. Der katholische Künstler Gerd Mosbach ärgert sich über die Debatte und möchte den Blick auf die Kunst richten.

Autor/in:
Clemens Sarholz
 (DR)

DOMRADIO.DE: Einer Performance während der Eröffnung der Olympischen Spiele wird vorgeworfen einen der heiligsten Momente des Christentums verspottet zu haben, indem man sich an Da Vincis Abendmahl bediente und es in queeren Szene gesetzt hat. Der Regisseur des Stücks Thomas Jolly sagte, dass er nicht an das Abendmahl erinnern wollte, sondern an ein Festbankett im Olymp und den Weingott Dionysos. Was denken Sie?

Freischaffender-Künstler Gerd Mosbach / © Beatrice Tomasetti (DR)
Freischaffender-Künstler Gerd Mosbach / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Gerd Mosbach (Freischaffender Künstler)In der Kunst hat man schon immer auf bekannte Motive zurückgegriffen, sie in neuen Kunstwerken verarbeitet und ihre Aussage verändert. Das Gemälde von Jan van Bijlert, auf das sich diese Performance beziehen soll, heißt “Fest im Olymp” und ist etwa 140 Jahre nach Da Vincis Abendmahl entstanden. Es zeigt eine Feierszene auf dem Olymp und trägt entscheidende Elemente des Abendmahls in sich. Die Bilder hängen eng miteinander zusammen.

DOMRADIO.DE: Die Performance sollte die Vielfalt der Menschen preisen – andere sahen Blasphemie. Was sehen Sie?

Mosbach: Ich sehe darin erstmal eine Performance, die handwerklich gut gemacht ist. Darüber hinaus sehe ich, dass diese Performance eine Debatte ausgelöst hat, die sehr emotional geführt wird. Das halte ich für ein Problem.

Gerd Mosbach

"Ich als Künstler sehe darin aber die Gefahr Kunst mit Kultur zu verwechseln."

DOMRADIO.DE: Wieso?

Mosbach: Kunst hat immer polarisiert, die einen sehen einen Fortschritt in der Gesellschaft, andere sagen, dass unsere Werte den Bach runter gehen. Das war immer so und wird immer so bleiben. Die einen sagen: Das ist Transgenderwahn und der Untergang des Abendlandes, die anderen sagen das Gegenteil. Jeder ist um die Deutungshoheit bemüht. Ich als Künstler sehe darin aber die Gefahr Kunst mit Kultur zu verwechseln.

DOMRADIO.DE: Das müssen Sie erklären.

Mosbach: Kunst wurde immer schon genutzt um politische oder gesellschaftliche Botschaften zu versenden. Diese Botschaften wurden in der Regel sogar durch den Auftraggeber vorgegeben. Dadurch ist der Künstler erstmal an seinen Auftrag gebunden und unfrei. Der Künstler versucht diesen Auftrag zu transzendieren und in etwas Höheres zu übersetzen. Erst wenn man diese Botschaft abzieht, kann man nüchtern über die künstlerische Qualität urteilen. Alles andere ist nur ein Kampf um die Deutungshoheit und eine gesellschaftliche Debatte.

DOMRADIO.DE: Worum geht es Ihnen als Künstler in der Diskussion?

Mosbach: Wenn sich jemand diese Performance in einigen 100 Jahren ansieht, muss er unabhängig von der Botschaft gerührt sein. Wenn die Performance nichts mehr auslöst, ist sie nicht über die Botschaft hinausgewachsen. Das gilt es zu beurteilen. Das ist das einzige, für mein Dafürhalten, legitime Kriterium, wie man solche Dinge einzuordnen und zu kritisieren hat. Da muss man auch mal außen vor lassen, ob es eventuell bestimmte Gefühle verletzt.

DOMRADIO.DE: Und deswegen darf Kunst alles?

Gerd Mosbach

"Sonst beraubt sich die Kunst selbst ihrer Freiheit."

Mosbach: Wenn es wirklich freie Kunst ist, ja. Wenn sie aber nur dafür da ist ein politisch motiviertes Programm zu erfüllen, sollte man sich nicht hinter der Kunstfreiheit zurückziehen. Sonst beraubt sich die Kunst selbst ihrer Freiheit.

DOMRADIO.DE: Können Sie die Leute denn verstehen, die sich vor den Kopf gestoßen fühlen?

Mosbach: Ich fühle mich als Katholik nicht blöd dadurch angemacht, ich fühle mich auch nicht in meinen christlichen abendländischen Werten verraten. Trotzdem kann ich das verstehen. Für mich steht das christliche Weltbild auch nicht auf wackeligen Füßen, so wie Bischof Oster das sieht. Die Darstellung Gottes als Mensch, zum Anfassen und zum Ansehen, ist einzigartig auf der Welt und auch in der künstlerischen Art und Weise. Ich schätze unsere Definitionen vom christlichen Menschenbild sind nicht deckungsgleich.

Das Interview führte Clemens Sarholz.

Quelle:
DR