Vatikanexperte erläutert die Hintergründe des Petersplatzes

"Der Gesamteindruck ist noch vorhanden"

Wie eine Umarmung wirken die halbrunden Säulengänge, die den Petersplatz auf beiden Seiten umsäumen. So hatte es sich Papst Alexander VII. von Baumeister Gian Lorenzo Bernini gewünscht. Vatikanexperte Ulrich Nersinger weiß noch mehr.

Blick auf den Petersplatz / © Paul Haring (KNA)
Blick auf den Petersplatz / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Beeindruckende Bilder haben wir letzte Woche aus Rom gesehen: Papst Franziskus begrüßte zehntausende Ministranten auf dem Petersplatz. Beeindruckend die Menschenmenge, klar, aber eben auch der Petersplatz selbst. Er wurde durch Gian Lorenzo Bernini von 1656 bis 1667 im Auftrag von Papst Alexander VII. gestaltet. Warum genau so in dieser Art? 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Ja, Sie haben es schon angedeutet. Bernini hat später gesagt, er hat dieses Kunstwerk mit den Kolonnaden geschaffen, um zu zeigen, dass die Kolonnaden die Gläubigen umfangen, um sie im Glauben zu stärken, um die Irrgläubigen zur Kirche zurückzuführen und die Ungläubigen im wahren Glauben zu erleuchten. 

DOMRADIO.DE: Was wissen wir denn noch über den Baumeister Bernini? Woher kannte man ihn? 

Ulrich Nersinger

"Bernini war mit der bevorzugte Architekt der Päpste."

Nersinger: Er war im Vatikan eine Zeit lang die Nummer eins. Er war der von den Päpsten mit bevorzugte Architekt und Baumeister und hatte auch eine ganze Reihe von fantastischen Ideen. Eine Idee ist übrigens, was den Petersplatz angeht, nicht verwirklicht worden.

Er wollte am Zugang zum Petersplatz, der uns ja heute so offen erscheint, eine weitere kleine Kolonnaden-Reihe einfügen, um einen noch stärkeren Eindruck zu erreichen, wie dieser Platz auf die Gläubigen wirken soll. Das hat man nicht gemacht. 

Das, was wir heute sehen, ist eine relativ junge Erscheinung. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war ja die Via della Conciliazione - die große Prachtstraße, die vom Tiber nach Sankt Peter führt - bebaut. Dort waren viele zahlreiche Häuser und Kirchen. Und Mussolini hat dann im Laufe der Zeit der Versöhnung mit der Kirche den Vorschlag gemacht, sie abreißen zu lassen, damit man einen besseren Zugang zu Sankt Peter hat. Das hat aber den Eindruck, den man in früheren Zeiten von Petersplatz und von Sankt Peter hatte, zerstört. 

Blick über die menschenleere Via della Conciliazione in Rom auf den Petersplatz / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Blick über die menschenleere Via della Conciliazione in Rom auf den Petersplatz / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Man muss sich vorstellen, die Leute kamen durch kleine, enge Gassen zum Petersplatz und waren dann auf einmal überrascht von einer großartigen Präsentation, von einem offenen Platz. Das haben wir jetzt nicht mehr so, aber der Gesamteindruck ist immer noch vorhanden. 

DOMRADIO.DE: Schauen wir noch mal drauf. Es gibt diese steinerne Umarmung durch die Säulengänge – bestehend aus 88 Pfeilern, 284 dorischen Säulen, auf denen 140 Heiligenstatuen stehen. Und dann steht da dieser riesige Obelisk auf dem Petersplatz, 33 Meter hoch. Woher kommt der? Und welche Funktion hat er? 

Eingang des Petersdomes im Vatikan. Im Vordergrund ein Teil des Obelisken auf dem Vorplatz. (Aufgenommen am 17.07.2022) / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Eingang des Petersdomes im Vatikan. Im Vordergrund ein Teil des Obelisken auf dem Vorplatz. (Aufgenommen am 17.07.2022) / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Nersinger: Ja, der stand auch nicht ursprünglich dort, sondern er stand etwas weiter entfernt, und zwar vis a vis dem Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof. Dieser Obelisk war ein Teil des alten Zirkus, den Caligula und Nero haben bauen lassen, und er wird von den Römern der "Pyramis Petri" genannt, also die Pyramide des heiligen Petrus, weil er ein Zeuge des Märtyrertodes des heiligen Petrus war. 

Man wollte diesen großen Steinkoloss, der ein steinerner Zeuge des Martyriums des Apostelfürsten ist,  stärker präsentieren. Und man hat ihn dann unter großen Schwierigkeiten und unter unglaublich raffinierten technischen Errungenschaften auf dem Petersplatz errichtet. 

DOMRADIO.DE: Wie hat man den Petersplatz im Laufe der Zeit genutzt? 

Ulrich Nersinger

"Man hat den Petersplatz immer wieder für liturgische Feierlichkeiten genutzt."

Nersinger: Man hat ihn immer wieder genutzt, um zum Beispiel den Gläubigen anzuzeigen, dass ein neuer Papst gewählt ist, weil nämlich von der Loggia der Fassade aus dann immer wieder die Wahl eines neuen Papstes und auch meistens der erste Segen des neuen Papstes präsentiert wurden. 

Und man hat ihn natürlich auch liturgisch genutzt vor allen Dingen für die Prozession am Fronleichnamfest. 

DOMRADIO.DE: Was gibt es für besondere Geschichten vom Petersplatz, Ereignisse, die sich auf diesem Platz zugetragen haben im Laufe der Zeit? 

Nersinger: Ja, vielleicht fällt uns zunächst einmal das Attentat von 1981 auf Papst Johannes Paul II. während einer Generalaudienz ein. Der Begriff Generalaudienz zeigt uns ja schon, dass man den Petersplatz auch für Audienzen genutzt hat - das war ab der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts- weil die Audienzsäle im Vatikan zu klein waren.

Man hat dann den Petersplatz im vergangenen Jahrhundert auch für andere Sachen genutzt - zum Beispiel für die Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Man hat ihn für großartige Heiligsprechungen wie etwa von Maria Goretti genutzt. Und man hat ihn jetzt in der jüngsten Vergangenheit immer wieder für liturgische Feierlichkeiten, so der Exequien der letzten Päpste, genutzt. 

DOMRADIO.DE: Welche Regeln gelten heute auf dem Platz wenn keine Audienz stattfindet? Darf man etwa mit dem Skateboard oder Fahrrad drüber fahren? 

Ulrich Nersinger

"Die italienische Polizei ist mit einem eigenen Inspektorat bei den Kolonnaden vertreten." 

Nersinger: Das nicht, aber es gibt eigentlich keine großen Einschränkungen. Er soll den Gläubigen an einen Zugang nach Sankt Peter ermöglichen. Natürlich sollte man sich dort so verhalten, als sei man gewissermaßen in der Vorhalle von Sankt Peter. 

Ein Schweizergardist (l.) und ein Mitarbeiter der Gendarmeria (dt. Gendarmerie) auf dem Petersplatz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Ein Schweizergardist (l.) und ein Mitarbeiter der Gendarmeria (dt. Gendarmerie) auf dem Petersplatz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Und man hat in den letzten Jahrzehnten bestimmt Vorschriften eingeführt. Ich kann mich noch entsinnen, zu meiner Studienzeit konnte man sich noch auf den Stufen von Sankt Peter hinsetzen und dort irgendein kleines Mittagessen, das man mitgebracht hatte, einnehmen. Das ist heute nicht mehr möglich. 

Es hat natürlich auch eine polizeiliche Besonderheit. Man kann natürlich den Petersplatz nicht mit den vatikanischen Sicherheitskräften allein absichern und man hat daher schon recht früh festgelegt, dass die italienische Polizei auf diesem Platz mitwirken kann. Das geht unter bestimmten Voraussetzungen: Sie darf zum Beispiel nicht auf dem direkten Vorplatz agieren, aber auf dem Petersplatz selber ist sie eingesetzt. 

Das ist möglich, weil die Päpstliche Gendarmerie und die Schweizer Garde allein nicht (für die Sicherheit, Anm. d. Red.) garantieren können und daher ist die italienische Polizei mit einem eigenen Inspektorat bei den Kolonnaden vertreten. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Ulrich Nersinger

Ulrich Nersinger ist Theologe und hat sich durch zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen als Vatikanexperte einen Namen gemacht.

Ulrich Nersinger / © privat
Ulrich Nersinger / © privat
Quelle:
DR