DOMRADIO.DE: 2018 und 2021 gab es schon mal schlimme Überschwemmungen in Kerala. Ist das eine wiederkehrende Katastrophe, mit der man rechnen muss?
Silvia Cromm (Leiterin der Abteilung Programme und Projekte bei der Don Bosco Mission Bonn): Der Leiter unseres Projektbüros hat uns berichtet, dass das Unglück in diesem Jahr eine deutlich andere Dimension hatte. Aber es ist auch so, dass die Überschwemmungen in ganz Indien zu nehmen, nicht nur im Süden. Auch die Auswirkungen der Fluten sind deutlich stärker geworden im Vergleich zu früheren Jahren. Das heißt: Ja, man muss damit rechnen, dass es wiederkehrend zu solchen Katastrophen kommt.
DOMRADIO.DE: Der Bezirk Wayanad gilt als besonders stark betroffen. Was ist da passiert?
Cromm: Durch anhaltende starke Regenfälle hat sich dort die Erdoberfläche gelöst. Es sind ganze Täler, wo die Erdoberfläche abgerutscht ist und ganze Dörfer weggeschwemmt wurden. Zum Beispiel ist das Dorf Meppadi sehr stark betroffen. Allein dort sind mehr als 10.000 Menschen obdachlos geworden.
Aber nicht nur die Dörfer und die Häuser sind zerstört, sondern auch das gesamte landwirtschaftliche Gebiet ist komplett zerstört. Hauptsächlich leben die Menschen von der Landwirtschaft und dem Anbau. Entsprechend sind viele Menschen heimatlos geworden.
Gestern kam unser Leiter des Projektbüros aus dem Katastrophengebiet zurück und hat berichtet, dass inzwischen mehr als 400 Tote geborgen worden sind. Die Menschen sind jetzt dort in Camps untergebracht und sind teils schwersttraumatisiert, weil viele noch Angehörige vermissen.
DOMRADIO.DE: Sie als Salesianer Don Boscos sind mit Soforthilfen vor Ort und versorgen Familien. Was können Sie vor Ort als Dringendstes tun?
Cromm: Wir versorgen erst mal 1000 Menschen, die in diesen vorläufigen Camps untergebracht sind. Das sind meist Schulen oder Gemeindehallen. Wir versorgen die Menschen mit den notwendigen Lebensmitteln, mit sauberem Trinkwasser, Medikamente und auch Kleidung, weil die Menschen alles verloren haben.
In einer ersten Phase versorgen wir die Menschen mit allem zum Überleben Notwendigen. Das sind so die ersten zwei, drei Wochen. Wichtig ist uns traumatherapeutische, seelsorgerische Arbeit zu leisten, um den Menschen auch in ihrer seelischen Not zu helfen. Darüber hinaus denken wir auch schon daran, wie es weitergehen soll.
DOMRADIO.DE: Neben den vielen Toten ist, wenn das Gröbste irgendwann vorbei ist, immer noch die Lebensgrundlage der Menschen gefährdet. Sie haben die Plantagen mit den Kulturpflanzen erwähnt. Sind das Beispiele für ihre Gedanken über die Zukunft?
Cromm: Ganz genau das sind solche Gedanken. Es laufen auch schon Gespräche mit den Behörden vor Ort, weil einige Dörfer nicht am gleichen Ort wieder errichtet werden können. Die Leute können also nicht in ihre Heimatdörfer zurück. Für diese Menschen müssen temporäre Unterkünfte erstellt werden und geplant werden, wo die Menschen neu angesiedelt werden können.
Auch dort müssen die Unterkünfte oder Häuser gebaut werden und insbesondere die Landwirtschaft neu errichtet werden, um den Menschen überhaupt langfristige wieder eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dafür wird vom Saatgut bis zum Gerät alles neu gebraucht.
DOMRADIO.DE: Inwieweit hilft da der Staat?
Cromm: Der Bundesstaat Kerala hat insofern geholfen, indem er die Notunterkünfte organisiert hat. Trotzdem ist der Staat auf die Hilfe von Organisationen wie den Salesianern Don Boscos angewiesen, weil es eine Katastrophe großen Ausmaßes ist. Der Staat ist vor Ort und organisiert im großen Stil Notunterkünfte, um die Familien unterzubringen. Außerdem bringt er technische Unterstützung mit, um die Toten zu bergen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.