Theologin teilt Erfahrung nach Taylor-Swift-Konzertabsage

Leere und Dankbarkeit

Zehntausende Menschen haben sich monatelang auf die Tour von Taylor Swift vorbereitet. Jetzt wurden drei Konzerte in Wien wegen Terrorverdachts abgesagt. Über die Lage spricht Eva Puschautz, Theologin und Taylor Swift-Fan in Wien.

Taylor-Swift-Konzerte in Wien wegen Terror-Gefahr abgesagt / © Eva Manhart/APA (dpa)
Taylor-Swift-Konzerte in Wien wegen Terror-Gefahr abgesagt / © Eva Manhart/APA ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie hatten vor, auf eines der drei geplanten Taylor Swift Konzerte in Wien zu gehen. Das findet jetzt nicht statt. Wie fühlen Sie sich damit? Was war Ihr erster Gedanke?

Eva Puschautz (katholische Theologin und Taylor-Swift-Fan): Ich wäre beim dritten Konzert am Samstagabend dort gewesen, mit drei Freundinnen aus den USA. Ich kenne sie aus meiner Austauschzeit. Meine amerikanische Gastschwester ist schon hier bei mir. 

Eva Puschautz / © Susanne Grunsky (privat)
Eva Puschautz / © Susanne Grunsky ( privat )

Wir waren gestern gemeinsam unterwegs, als wir zuerst nur gehört haben, dass IS-Terroristen festgenommen wurden und es eine Pressekonferenz dazu gibt. Dann kam erst die Nachricht, dass es etwas mit Taylor Swift zu tun hat. 

Das war alles sehr verwirrend und man hat sich auf längere Einlasszeiten bei der Security eingestellt. Wir haben gedacht, sie haben es unter Kontrolle. Als dann kurz vor zehn Uhr wirklich die Absage kam, ist man in ein Loch gefallen. 

Eva Puschautz

"Da war zum einem ein Moment der Leere und gleichzeitig der Dankbarkeit."

Den Satz, den wir gestern Abend bei mir zu Hause ständig gesagt haben, war: Das gibt's ja nicht. Da war zum einen ein Moment der Leere und gleichzeitig der Dankbarkeit, weil es wahrscheinlich die richtige Entscheidung war. Denn kein Konzert der Welt ist so wichtig, dass dafür Leben in Gefahr gebracht werden.

Eva Puschautz

"Aber dass eine Terrorgefahr dazwischen kommt, das ist unfassbar."

DOMRADIO.DE: Weil es offenbar diesen terroristischen Hintergrund hat, ist es etwas anderes, oder?

Puschautz: Es ist auf alle Fälle etwas anderes. Man kann auf den Veranstalter nicht böse sein, man kann auf die Künstlerin nicht böse sein. Meine Sorge vor ein paar Wochen war: Um Gottes Willen, was, wenn Ihre Stimme jetzt genau nach einem Jahr Tour vor Wien aufgibt? 

Aber dass eine Terrorgefahr dazwischen kommt, das ist unfassbar. Die Frage ist eher, was kann man dagegen tun, dass sich Jugendliche nicht radikalisieren, wie sie es anscheinend gerade wieder in großem Maße tun.

Eva Puschautz

"Es besteht auch die Sorge, was das für Wien bedeutet."

DOMRADIO.DE: Ihre Gäste aus den USA haben Sie schon erwähnt. Wie gehen die damit um? Es ist auch ein ziemlicher finanzieller Verlust, der damit einhergeht.

Puschautz: Für meine Gastschwester ist es tatsächlich ein großer Schock. Es war die einzige Möglichkeit, die sie gehabt hat. Sie ist Ärztin. Sie kann sich nicht einfach frei nehmen und hat nur eine Woche hier. Die ist extrem traurig. 

US-Sängerin Taylor Swift steht in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen auf der Bühne / © Marius Becker (dpa)
US-Sängerin Taylor Swift steht in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen auf der Bühne / © Marius Becker ( dpa )

Sie hat mir gestern Abend jedoch auch versichert, dass es für sie keine verschwendete Zeit war. Sie sei froh, dass wir die Zeit hier gemeinsam haben und Österreich mit mir sei immer schön. Für meine anderen beiden Gäste ist es nicht so dramatisch. Sie sind in der glücklichen Position, Karten für ein Konzert in London zu haben. 

Der Schock war bei allen sehr groß. Es besteht auch die Sorge, was das für Wien bedeutet. Wie geht man damit auf die Straße hinaus? Aber da dürfte die Polizei, glaube ich, doch gute Arbeit machen, um zu sagen, es gibt gerade keine akute Gefahr. Dann weiter zu sagen, sie haben die Sicherheitsmaßnahmen bei allen Events hinaufgefahren, die es teilweise noch gibt.

Eva Puschautz

"Ich glaube, das ist sowieso das Einzige, was hilft und funktioniert: Gemeinschaft." 

DOMRADIO.DE: Jetzt sprechen wir mit Ihnen nicht bloß als Taylor Swift-Fan, sondern als Theologin. Das heißt, Sie befassen sich viel damit, wie Menschen emotional und spirituell mit so einer Situation umgehen. Wie blicken Sie aus dieser Ecke auf die Zehntausenden von Leuten, die jetzt gerade genau das Gleiche durchmachen, was sie beschrieben haben?

Puschautz: Ich glaube, das Besondere an der Taylor Swift-Community ist, dass sie sich untereinander gut auffangen. Der Schock ist groß. Ich habe auch schon unterschiedliche Beiträge gelesen, in denen Psycholog:innen, die auf Kinder und Jugendliche spezialisiert sind, Tipps geben: Wie teilt man das Kindern am besten mit, ohne sie zu verängstigen?

Ich habe aber schon auch gesehen, dass die Swifties (Bezeichnung für Anhänger der Sängerin, d. Red.) sich schon wieder zusammentun und gemeinsam singen. Man versucht es gemeinsam aufzufangen. Ich glaube, das ist sowieso das Einzige, was hilft und funktioniert: Gemeinschaft. 

Eva Puschautz

"Das ist, wenn man jetzt ins theologisch-christliche gehen würde, etwas Urchristliches. Zusammen Dinge zu verarbeiten, darüber zu reden und Hinfinden." 

Das ist, wenn man jetzt ins theologisch-christliche gehen würde, etwas Urchristliches. Zusammen Dinge zu verarbeiten, darüber zu reden und Hinfinden. Das Klingt so plattitüdenhaft, aber sich zumindest gegenseitig aufzufangen. Ich glaube, das ist das, was diese Community ganz gut kann.

DOMRADIO.DE: Das kommt aus der Community selber und ist momentan nicht vonseiten der Kirche geplant. Es würde sich anbieten, wenn zehntausende Menschen in dieser Situation stecken und seelsorglichen Beistand bedürfen, dass man da ein Angebot macht. Bräuchte es so etwas?

Puschautz: Zu einzelnen Konzertveranstaltungen gibt es das bis jetzt in Wien nicht. Das ist jetzt auch eine Ausnahmesituation. Was es österreichweit allerdings schon gibt, getragen, soviel ich weiß von der katholischen Jugend, ist die Festivalseelsorge. 

Österreich hat einige größere Musikfestivals, unter anderem auch nächste Woche eines der größten, das Frequency Festival in St. Pölten. Dort ist ausgehend von der katholischen Kirche Festivalseelsorge unterwegs, die Gesprächsangebote machen. 

Das ist aber jetzt nicht auf Konfession oder Religion beschränkt. Das funktioniert, soweit ich das gehört habe, über die letzten Jahre ganz gut und wird gut angenommen. Es gibt schon Versuche, auf solchen Events präsent zu sein. Ich glaube, das ist auch der richtige Weg.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR