Am 14. August 2024 wird der langjährige Vorsitzende der Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland und Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Orthodoxe Theologie an der Universität Münster 90 Jahre alt.
Geboren wurde Kallis in Naoussa in Griechenland. Dort studierte er Theologie, Philologie, Pädagogik und Geschichte an der Universität Thessaloniki, wo er 1956 sein Examen als Diplomtheologe ablegte. Bereits nach dem Militärdienst und kurzer Tätigkeit als Lehrer und Diözesanprediger kam er als Stipendiat des Bistums Münster nach Deutschland.
Zunächst wissenschaftlicher Assistent
Zunächst als wissenschaftlicher Assistent am damals neu gegründeten Katholisch-Ökumenischen Institut, Abteilung Ostkirchen, promovierte er 1964 in Philosophie mit dem Thema "Der menschliche Wille in seinem Grund und Ausdruck nach der Lehre des Johannes Damaskenos" und 1974 in Theologie zum Thema "Der Mensch im Kosmos - Das Weltbild Nemesios" von Emesa".
1978 habilitierte er sich als erster nicht-katholischer Theologe an einer Katholisch-Theologischen Fakultät in Deutschland und erhielt die venia legendi für "Geschichte und Theologie der Ostkirche". Bereits ein Jahr später wurde er dort Inhaber eines eigenen Lehrstuhls für orthodoxe Theologie.
Doch Kallis Wirken reichte über den "Elfenbeinturm" der Universität hinaus. Er war über viele Jahre ein immer wieder gern eingeladener Vortragende. Seine Sichtweise der heutigen orthodoxen Theologie legte Kallis dar in dem erstmals 1979 erschienenen Buch "Orthodoxie - Was ist das?".
Mitglied zahlreicher panorthodoxer und ökumenischer Kommissionen
Seit Jahren wirkte Kallis, der von 1993 bis 1999 auch eine Gastprofessur für Ökumenische Theologie an der Christkatholischen Theologischen Fakultät in Bern innehatte, in zahlreichen panorthodoxen und ökumenischen Kommissionen und theologischen Ausschüssen auf nationaler und internationaler Ebene mit, so als Delegierter der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen auf Bundesebene, im Deutschen Ökumenischen Studienausschuss, in der Gemeinsamen Kommission der Griechisch-Orthodoxen Metropolie und der Römisch-Katholischen Kirche in Deutschland.
Dabei sah er sich der theologischen Qualität verpflichtet und dem Anspruch, dass orthodoxe Theologie keineswegs nur retrospektive Wiederholung der Aussagen der Väter ist, sondern von ihnen ausgehend und weiterdenkend auch in der Gegenwart eine gewichtige Stimme darstellt.
In einer Ökumene, die hierzulande schon durch die sozio-religiöse Struktur weitgehend katholisch-evangelisch geprägt ist, hat diese Sensibilität für die Eigenständigkeit der orthodoxen Denkweise und Theologie, eine umso größere Bedeutung.
Als Laie im Vorsitz des Vorläufers der Bischofskonferenz
Das wohl bedeutendste Verdienst von Kallis ist aber die wesentlich auf seine Initiative und seinen Einsatz zurückgehende Gründung der Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland (KOKiD) 1994. Dieser Vorläufer der heutigen Orthodoxen Bischofskonferenz (OKB) war die erstmalige institutionalisierte Zusammenarbeit aller Orthodoxen in Bereichen der Liturgie, Pastoral, religiösen Erziehung und der kirchlichen Publizistik in Deutschland.
Seit der Gründung stand Kallis der KOKiD auch als Vorsitzender vor und hat so wesentlich die gesamtorthodoxe Wirklichkeit in Deutschland inspiriert und geprägt - und zwar in jener Ausrichtung, die er selbst einmal gern als "westliche Orthodoxie östlicher Identität" formuliert hat.
Orthodoxie in die deutsche Gesellschaft integrieren
Damit wollte er dem Anspruch gerecht werden, die Orthodoxie in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Das herausragende Charisma von Kallis zeigte sich auch daran, dass er als Laie in den schwierigen Anfangsjahren den fast ganz aus Geistlichen bestehenden Delegiertenversammlungen vorstand.
Die Rolle, die die Orthodoxe Kirche in Deutschland zu übernehmen habe, so betonte Kallis immer wieder, sei nicht die eines Mitläufers im Konzept der innerdeutschen Ökumene, sondern die eines Mitgestalters.
Dabei betonte er, dass die Pflege ihrer liturgisch geprägten Spiritualität und Theologie den ökumenischen und gesellschaftlichen Bemühungen neue Anstöße und neue Perspektiven vermitteln könne.
Ein Ergebnis dieser so verstandenen ökumenischen Zusammenarbeit war 2002 die Unterzeichnung der ersten Vereinbarung "Ehen zwischen evangelischen und orthodoxen Christen und Christinnen" durch Kallis als Vorsitzendem der KOKiD und dem Ratsvorsitzenden der EKD, Manfred Kock.
Wesentlich geprägt durch die Mitwirkung von Kallis war auch die Einrichtung des orthodoxen Religionsunterrichtes als ordentlichem Lehrfach und die Entwicklung der ersten Lehrpläne. Zunächst in Nordrhein-Westfalen, doch andere Bundesländer zogen bald nach. Ohne seinen Einsatz wäre vieles in der innerorthodoxen Zusammenarbeit nicht zustande gekommen.