Kirche zahlt wegen Missbrauchs über 2,5 Millionen Euro

Was haben die Verantwortlichen gewusst?

Missbrauchsbetroffene haben nach Medienangaben bislang über 2,5 Millionen Euro von der Evangelischen Kirche im Rheinland erhalten. Die Aufarbeitung der Fälle sei noch nicht abgeschlossen. Weitere Untersuchungen sollen folgen.

Verdachtsmeldungen / © Pixel-Shot (shutterstock)

In 35 Fällen seien Anerkennungsleistungen gezahlt worden, insgesamt rund 540.000 Euro, sagte der Rheinische Präses Thorsten Latzel der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag online). Hinzu kämen weitere gut zwei Millionen Euro für 134 Fälle im Gebiet der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, die in Heimkontexten passiert seien.

Thorsten Latzel / © Hans-Juergen Bauer (epd)
Thorsten Latzel / © Hans-Juergen Bauer ( epd )

"Wir versuchen, vor Retraumatisierung zu bewahren"

Anerkennungszahlungen seien bereits dann getätigt worden, "wenn Missbrauchsvorwürfe plausibel dargelegt werden", erklärte Latzel. "Denn wir versuchen, Betroffene vor einer Retraumatisierung zu bewahren und sie nicht alles wieder und wieder erzählen zu lassen."

In der bundesweiten Forum-Studie, die die Evangelische Kirche in Deutschland in Auftrag gegeben hatte, waren für die rheinische Kirche 70 Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch aufgeführt worden. Laut Latzel gingen seit der Einrichtung der Meldestellen im Frühjahr 2021 108 Meldungen ein, die jedoch teilweise eine Schnittmenge mit den 70 in der Studie genannten Fällen aufwiesen oder bei denen sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet hätte. "In jedem Fall gibt es aber ein Dunkelfeld, da nicht alle früheren Fälle aktenkundig geworden sind."

"Uns liegt sehr an unabhängiger Aufarbeitung"

Der Präses räumte ein institutionelles Versagen bei Missbrauchsfällen ein, "auch bei Menschen auf den Leitungsebenen unserer Kirche". Es müsse weiterhin untersucht werden, was einzelne Personen gewusst hätten, und wie sie mit dem Wissen über Missbrauchsfälle umgegangen worden sei. 

Diese Fragen zu klären, sei Aufgabe der regionalen Aufarbeitungskommissionen, an denen die Kirche mitbeteiligt sei, aber in denen sie keine Mehrheit habe. "Uns liegt sehr an unabhängiger, externer Aufarbeitung unter Einbeziehung der Betroffenen – auch wenn wir als Kirche der Auftraggeber sind", betonte Latzel.

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )
Quelle:
KNA
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