Gartenhistorikerin stellt das "Salomonssiegel" vor

Hat die Pflanze etwas mit Urteilen zu tun?

Es gibt einige Verästelungen zwischen Flora und Christentum. Die Gartenhistorikerin Antje Peters-Reimann blickt gleichermaßen auf die Welt der Pflanzen und die verschiedenen Glaubenserzählungen. Zum Beispiel auf das "Salomonssiegel".

Autor/in:
Uta Vorbrodt
Der umgangssprachlich oft Salomonssiegel genannte vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum) gehört zu den Spargelgewächsen / © Walter Erhardt (shutterstock)
Der umgangssprachlich oft Salomonssiegel genannte vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum) gehört zu den Spargelgewächsen / © Walter Erhardt ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie suchen Sie die Pflanzen aus, die hier zum Thema werden?

Antje Peters-Reimann / © Horst Wiedemann (privat)
Antje Peters-Reimann / © Horst Wiedemann ( privat )

Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): Ich habe ungefähr einen Festmeter Bücher in meinem Büro. In denen geht es um Pflanzen in der Bibel, im Christentum, im Glauben und solche Dinge wie Symbolpflanzen. Darin blättere ich immer sehr gerne. 

Außerdem bin ich viel in Kirchen und in Museen unterwegs. Dabei habe ich eine Art Auge für solche symbolischen Pflanzen entwickelt und gucke genauer auf die Bilder. Wenn ich da zum Beispiel Heilige sehe, schaue ich, was auf dem Bild um die Figur herum noch so wächst. Das grabe ich dann aus und recherchiere das.

DOMRADIO.DE: Nun sprechen wir über das Salomonssiegel. Was ist das für eine Pflanze?

Peters-Reimann: Das ist eine Waldstaude mit kleinen weißen, zarten Glöckchen-Blüten und schwarzblauen Früchten. Das sind grüne, spitzbogige Blätter, die sich ein bisschen nach unten biegen. Die Pflanze wächst auch bei uns im Wald. Vor allem auf humushaltigen, lockeren Lehmböden. Ein anderer Name für die Pflanze ist Springwurzel.

DOMRADIO.DE: Springwurzel, Salomonssiegel. Da fallen einem vor allem salomonische Urteile ein. Die Pflanze wird aber nicht zum Urteilefällen genutzt?

Peters-Reimann: Nein, weniger für Urteile, sondern zum Sprengen von Felsen. Der biblische König Salomon, der den ersten Tempel gebaut hat, hatte der Erzählung nach einen fantastischen Siegelring. Den hat er verwendet, um die Felsen weg zu sprengen, die für den Tempelbau im Weg waren. Das Salomonssiegel hat von diesem salomonischen Siegel seinen Namen.

DOMRADIO.DE: Die Pflanze verhindert also spontane Felsenbildung?

Peters-Reimann: Man muss sich das wahrscheinlich wie Dynamit vorstellen, aber das ist nur eine symbolische Vorstellung. Das passiert in der Natur nicht. Sonst gäbe es keine Wälder mehr.

DOMRADIO.DE: Der magische Volksglauben hat auch eine schöne Geschichte zum Salomonssiegel, oder?

Peters-Reimann: Ja, es ist aber auch ähnlich. Wie gesagt, das Kraut nennt man auch Springwurzel. Früher ging man im Volksglauben davon aus, dass man mit dieser Springwurzel alle Türen und Schlösser aufmachen könnte. Das ist natürlich etwas sehr Begehrtes, wenn man überlegt, was man mit diesem Mittel in der Hand, mit dem man alle Türen öffnen kann, anstellen könnte. Das muss man unbedingt haben und um jeden Preis in seinen Besitz bringen.

DOMRADIO.DE: Und wie kommt man da dran?

Peters-Reimann: Tja, dazu braucht man laut Volksglauben einen Specht. Denn der Specht hat eine ganz besondere Beziehung zur Springwurzel und weiß, wo die Wurzel liegt. Um an den Specht zu kommen, muss man das Nest des Spechts verschließen. Der Specht ist aber schlau und weiß sich zu helfen. Er will ja wieder in sein Nest hinein und holt dafür aus dem Versteck die Springwurzeln.

Wenn der Specht dann mit dieser Wurzel zurückgeflogen kommt, erschreckt man den Specht, der dann die Wurzel fallen lässt. So kommt man in den Besitz der Wurzel und kann dann selbst fest verschlossene Türen aufmachen und zum Beispiel die Bank von England ausrauben (lacht).

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Waldsterben in Deutschland

Unseren Wäldern geht es schlecht. Deutschlandweit sterben in nicht gekanntem Ausmaß ganze Waldflächen ab. Grund ist vor allem die extreme Trockenheit der letzten Jahre und damit einhergehend eine größere Anfälligkeit für Schädlinge. Nie zuvor in der Erdgeschichte hat sich das Klima so schnell verändert. Quer durch Deutschland und Mitteleuropa zieht sich heute sichtbar das breite Band eines Wassermangels, der auch in feuchten Monaten kaum auszugleichen ist.

Waldsterben im Harz / © juerginho (shutterstock)
Quelle:
DR