Jesuit sieht Harris nach TV-Duell gegen Trump gestärkt

"Harris konnte Trump vorführen"

Laut Jesuitenpater Godehard Brüntrup hat es US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris im TV-Duell geschafft, ihren Konkurrenten Trump zu reizen. Damit habe sie gepunktet. Für einen Wahlsieg im November reiche das aber noch nicht.

Autor/in:
Carsten Döpp
Das Interesse am TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump war riesig / © John Locher/AP (dpa)
Das Interesse am TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump war riesig / © John Locher/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Amerika ist gespalten. Es gibt nur noch wenige unentschlossene Wähler. Um die ging es auch bei diesem TV Duell. Sie haben es für uns beobachtet. Sind die unentschlossenen Wähler jetzt schlauer? 

Godehard Brüntrup SJ ist ein deutscher Philosoph, Jesuit und USA-Experte. / © Pater Christof Wolf SJ
Godehard Brüntrup SJ ist ein deutscher Philosoph, Jesuit und USA-Experte. / © Pater Christof Wolf SJ

Godehard Brüntrup SJ (Jesuitenpater, USA-Experte, Professor für Philosophie in München und St. Louis, USA): Ich glaube, ein bisschen schon, aber nicht allzu viel. Es war auffällig, dass Kamala Harris, die bisher sehr blass war und sich bisher auch nicht als fähige Debattenrednerin erwiesen hat, hier gezeigt hat, dass sie Vollblutstaatsanwältin ist und dass sie solche schwierigen Situationen vielleicht aus der Gerichtspraxis kennt. Es ist ihr gelungen, unter die Haut von Trump zu gehen, ihn manchmal zu reizen, ihn genau da zu packen, wo er empfindlich ist: bei seinem Stolz und seinem Ehrgeiz und seinem Narzissmus. 

Wenn sie zum Beispiel gesagt hat, dass am Ende seiner Wahlveranstaltungen die Leute aus Langeweile weggehen, ist er darauf sofort voll abgefahren. Sie sagte das natürlich nur, um ihn zu reizen. Das ist noch niemanden so gelungen, ihn so vorzuführen. Da hat sie gepunktet.  In der Gesamtwertung hat sie hier einen Punktsieg davongetragen. 

DOMRADIO.DE: Das Fernsehduell gegen den indisponierten Joe Biden im Juni hatte Trump deutlich gewonnen. Würden Sie sagen, diesmal ist die Siegerin Kamala Harris? 

Pater Brüntrup: Es ist bei weitem nicht so deutlich, weil Trump auch sehr stark ausgeteilt hat. Er hat manchmal auch die Oberhand gehabt. Gerade beim Schlussstatement, wo er gesagt hat: All die schönen Ideen, die Sie hier geäußert haben, haben Sie bisher nicht umgesetzte und Sie sind seit vier Jahren an der Macht. Wie wollen Sie uns erläutern, dass Sie das jetzt umsetzen, wenn Sie es in vier Jahren nicht geschafft haben? Das war zum Beispiel ein sehr starker Moment von Trump. 

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump betritt das Studio  / ©  Alex Brandon (dpa)
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump betritt das Studio / © Alex Brandon ( dpa )

Oder bei der Abtreibungsfrage, wo er sie gefragt hat: Wollen Sie irgendwo eine Grenze bei der Abtreibung setzen? Im siebten, achten oder neunten Monat oder wenn ein Kind die Abtreibung überlebt hat und schon außerhalb des Mutterleibes ist? Gibt es irgendwo eine Grenze, wo Sie sagen: Hier muss jetzt das Kind geschützt werden? Kamala Harris hatte darauf keine Antwort. Sie konnte darauf nicht antworten. Es war ein starker Moment für ihn. Beide hatten starke Momente. In der Summe war Trump fahriger, manchmal durch Harris' Aggressivität und durch ihr Geschick aus der Bahn geworfen. Und Harris war insgesamt besser vorbereitet. 

DOMRADIO.DE: Die Wirtschaft ist für die US-Wählerinnen und -Wähler laut Umfragen das wichtigste Thema im Wahlkampf, aber auch Migration, Gesundheitsvorsorge, Frauenrechte. Wie wurden diese Themen denn diskutiert? 

Pater Brüntrup: Für Trump war das wesentliche Thema die Immigration. Das hat er immer wieder vorgebracht, manchmal auch an Stellen, wo es gar nicht gepasst hat. Er hat sich dann noch verstiegen in seiner Art und Weise, mit Übertreibung, dass die ganzen Immigranten Verbrecher sind. Aber es ist nach der Wirtschaft laut Umfragen das wichtigste Problem für die Amerikaner. Hier konnte Trump sicherlich punkten. Das ist sein Thema, weil unter der jetzigen Regierung Biden/Harris die Immigration explodiert ist und das Land die Kontrolle über seine Grenzen in gewisser Weise verloren hat. 

Es gab natürlich viele andere Themen. Sie war sehr stark mit Angriffen auf seine Persönlichkeit, dass er ein verurteilter Straftäter ist, dass er im Ausland kein Ansehen hat bei den anderen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs. Harris konnte seine Charakterschwäche, seine Unfähigkeit und seine Unwürdigkeit, ein so hohes Amt zu bekleiden, vorführen. Trump ist auf diese Angriffe auch immer wieder reingefallen, hat versucht sich zu verteidigen und hat damit in gewisser Weise ihren Punkt noch verstärkt. 

DOMRADIO.DE: Wofür steht Harris politisch? Nach einer aktuellen Umfrage der New York Times weiß etwa ein Drittel der Wähler diese Frage noch nicht so recht zu beantworten. Wissen wir jetzt mehr nach diesen anderthalb Stunden des TV-Duells? 

Pater Brüntrup: Ja,  sie will anders sein als bisher. Sie will die Grenzen dichtmachen. Sie hat sogar schon mal von einer Mauer gesprochen. Sie will eine andere Wirtschaftspolitik machen, die mittelstandsfreundlicher ist. Also die alte, sehr linke Kamala Harris versucht sich in der Mitte zu platzieren. Das war in der ganzen Debatte deutlich zu spüren, dass die sich in die Mitte zu bewegen versucht, weil dort die Wahlen gewonnen werden. Trump antwortete darauf, dass ihr das keiner glauben wird,  weil sie vorher immer anders war. Insgesamt haben wir zum ersten Mal von Kamala Harris Positionen gesehen. 

Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris während des TV-Duells / © Alex Brandon (dpa)
Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris während des TV-Duells / © Alex Brandon ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es gibt noch eine weitere TV-Debatte zwischen den Vizekandidaten Tim Walz von den Demokraten und J.D. Vance von den Republikanern am 1. Oktober. Ob Harris und Trump noch mal im Fernsehen aufeinandertreffen, das ist noch offen. War die vergangene Nacht eine kleine Vorentscheidung für die Wahl am 5. November. Was meinen Sie? 

Pater Brüntrup: Das glaube ich nicht. Dafür ist es einfach noch zu offen. Selbst wenn Kamala Harris hier ein oder zwei Prozentpunkte. gewonnen hätte, dann läge sie halt jetzt ein oder zwei Prozentpunkte vorne. Das würde aber nicht reichen, um die Wahl zu gewinnen. Joe Biden lag um diese Zeit vor vier Jahren acht oder neun Punkte vorne und am Ende ging es um ein paar 10.000 Stimmen. Damit Frau Harris die Wahl gewinnt, müsste sie einen viel größeren Vorsprung erreichen als den, den sie im Moment hat.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR