Georg Magirius (Theologe und Initiator der Reihe GangART): Eigentlich ist es Wandern. Für einen Tag oder wenige Stunden macht man sich auf den Weg. So verstehen ich diesen Begriff. Und das Spirituelle daran ist eigentlich ganz elementar. Denn im Wort "spirituell" steckt die Grundbedeutung "Wind, Atemhauch".
Und genau das spürt man ja auch, wenn man einfach nach draußen geht. Deshalb ist es wichtig, dass man einfach mal nach draußen kommt. Große Teile unseres Lebens verbringen wir ja drinnen.
Dieses spirituelle nach draußen Gehen kann dann auch mit dem Spiritus Sanctus, dem Heiligen Geist, verknüpft werden. Es geht also darum, verbunden zu sein mit Gott, mit einem geistlichen Interesse.
DOMRADIO.DE: Sie organisieren spirituelle Wanderungen. Wo liegt dabei der Unterschied zum Pilgern?
Magirius: Pilgerwege sind ja ganz spezielle, markierte Wege. Sie führen über weite Strecken und sie zu durchwandern dauert mehrere Wochen. Dabei bewegt man sich immer auf ein klar erkennbares Ziel zu. Das sind vielfach bekannte Heiligtümer, die seit Jahrhunderten von Pilgern aufgesucht werden.
Spirituelles Wandern hingegen ist ein bisschen freier, weil man ja wirklich jeden Weg gehen kann. Manchmal gehe ich mit meinen Gruppen auch über unmarkierte Wege.
Das Verbindende ist diese gemeinsame Suche nach Gott. Spirituelles Wandern ist so eine Art Pilgern im Kleinformat, wo man sein Ziel schon nach wenigen Stunden erreicht hat.
DOMRADIO.DE: Und Sie sind ja immer mit Gruppen unterwegs. Wie läuft so eine Wanderung ab?
Magirius: Wichtig ist, dass wirklich jeder teilnehmen kann. Und so ist jede Gruppe immer wieder einzigartig. Es gibt Menschen, die nehmen regelmäßig teil. Manche gehen aber bewusst nur einmal mit und auch das ist ein wichtiges Element.
Die Wanderungen sind jeweils geistlich gestaltet und stehen unter einem Motto, zum Beispiel "Quelle des Lebens", "Muße statt Müssen", "Die Früchte meines Lebens" oder ein Bibelwort wie "Du sendest deinen Atem aus und machst neu die Gestalt der Erde".
Ich liefere dabei nur ganz knappe Impulse. Den Weg habe ich jeweils zuvor abgelaufen und überlege mir, wie die Natur unser Motto dann jeweils deuten kann. Das kann dann etwa die Form eines Stillewegs annehmen.
Alle Teilnehmenden gehen dann für eine halbe Stunde in Stille mit einigen Metern Abstand voneinander. Dann hört man noch mal ganz neu und entwickelt eine Aufmerksamkeit für das, was drum herum ist. Dann geht man durch den Wald und plötzlich öffnet sich eine Ebene des Glaubens, die wirklich erfahrbar ist.
Diesen neuen Weg zu suchen, also die Natur, das Biblische und das Geistliche, das wird dabei zusammengefügt. Wichtig ist dabei auch die, dass man nicht zu schnell geht, dass man durchatmen kann. Dieses Atmen und dass man auch mal einkehrt, das ist zentral.
DOMRADIO.DE: Sie organisieren diese Wanderungen schon seit 15 Jahren. Gibt es ein besonderes Highlight aus all diesen Jahren?
Magirius: Letzten Herbst war eine Wanderung zur Wallfahrtskirche Mariabuchen geplant. Mariabuchen liegt wunderschön in einem Tal des Spessart.
Diese Wanderung, die kenne ich wirklich gut. Zwei Tage vorher habe ich sie auch noch abgelaufen. Als wir aber ankamen, war der Weg wegen einer Treibjagd gesperrt. Da stand ein Schild, das vor Lebensgefahr warnte.
Ich konnte und wollte die Gruppe nicht überreden, in diesen Wald einzudringen. Das heißt, die überlegte Wanderung fiel aus.
Stattdessen sind wir einen neuen Weg gegangen. Die Landschaft kenne ich ja und so sind wir letztlich in die andere Richtung gelaufen. Wir sind dann schließlich von oben statt von unten nach Mariabuchen gelangt.
So gingen wir dann entlang des Buchenbachs, der zu dieser Wallfahrtskirche führt, einfach in der anderen Richtung als ursprünglich geplant.
Am Schluss war die Treibjagd dann schon vorbei. Und dann hat jemand aus der Gruppe gesagt, dass eigentlich kaum vorstellbar sei, dass diese Wanderung ursprünglich anders geplant war. Mit der Kraft Marias ließen wir uns so durch das Leben treiben.
Das Interview führte Sonja Geus.