Hildegard von Bingen hilft als Heilige für alle Lebenslagen

Von Gott unendlich geliebt

Heilige scheinen als Glaubensvorbilder unerreichbar und aus einer anderen Zeit zu stammen. Dabei inspirieren sie noch immer. In jedem Monat rückt eine Glaubenspersönlichkeit in den Fokus. Im September ist das Hildegard von Bingen.

Autor/in:
Kerstin-Marie Berretz OP
Bronzeskulptur der Heiligen Hildegard von Bingen / © Rainer Oettel (epd)
Bronzeskulptur der Heiligen Hildegard von Bingen / © Rainer Oettel ( epd )

Am 17. September feiert die Kirche eine Heilige, die auch kirchenfernen Menschen etwas sagt: Hildegard von Bingen. Sie wurde im Jahr 1098 als zehntes Kind ihrer Eltern Hildebert von Hosenbach und Mechthild von Merxheim geboren. 

Da sie das zehnte Kind war, entschieden sich die Eltern schon früh, dass Hildegard ihr Leben der Kirche widmen sollte. So konnte sie dem Zehnt - einer Art Unterhaltssicherung für den Klerus - entsprechen. Mit acht Jahren wurde sie deshalb Oblatin und seitdem religiös erzogen.

Ruinen der Abtei auf dem Disibodenberg in Odernheim am Glan / © Alexander Brüggemann (KNA)
Ruinen der Abtei auf dem Disibodenberg in Odernheim am Glan / © Alexander Brüggemann ( KNA )

1112 wurde Hildegard mit zwei anderen Frauen in eine Klause auf dem Disibodenberg eingeschlossen. Dort entwickelte sich ein Kloster, zu dessen erster Vorsteherin sie gewählt wurde. 

Hildegard setzte sich dabei zum Wohl ihrer Mitschwestern ein, lockerte strenge Speisevorschriften und kürzte die langen Gebetszeiten. Dafür nahm sie auch Auseinandersetzungen mit dem Benediktinerabt der Abtei Disibodenberg in Kauf.

Zulauf und Kritik von Zeitgenossen

Zwischen 1147 und 1150 gründete Hildegard das Kloster Rupertsberg auf dem gleichnamigen Berg an der Nahe. Dieses Kloster, in das nur Adelige aufgenommen werden konnten, florierte, was auch an der Ausstrahlung der Ordensfrau gelegen haben mag. Es erwarb viele Güter, sorgte damit aber auch Kritik an der Gemeinschaft. Das entspreche nicht dem evangelischen Rat der Armut, hieß es.

Bronzestatue der Heiligen Hildegard von Bingen / © Arne Dedert (dpa)
Bronzestatue der Heiligen Hildegard von Bingen / © Arne Dedert ( dpa )

Ebenso wurde kritisiert, dass nur adelige Frauen in Hildegards Kloster eintreten konnten. Da die Zahl der Nonnen auf dem Rupertsberg ständig zunahm, kaufte Hildegard 1165 das leerstehende Augustinerkloster in Eibingen und gründete dort ein Tochterkloster, in das nun auch Nichtadelige eintreten konnten. Hildegard von Bingen starb am 17. September 1179 im 82. Lebensjahr.

Seit zwölf Jahren Kirchenlehrerin

Die wichtigsten Lebensdaten können kaum erfassen, welch reiche Glaubenspersönlichkeit Hildegard von Bingen war. Das Leben der Mystikerin war geprägt von gewaltigen Visionen, in denen sie den Menschen als armselig und zerbrechlich sieht. 

Gleichzeitig habe der Mensch jedoch eine unbändige schöpferische Energie, da er von Gott - dem zärtlichen und aufmerksamen Freund des Menschen - unendlich geliebt werde. So betont Hildegard immer wieder, auch gegen Predigten ihrer Zeit, dass Christus stärker sei als alle Satansmacht - und entschlossen zur Rettung der Menschen.

Eine Figur der Hildegard von Bingen (dpa)
Eine Figur der Hildegard von Bingen / ( dpa )

Die Klostervorsteherin vereinte viele Fähigkeiten und Kenntnisse in sich. So führte die Universalgelehrte einen der umfangreichsten Briefwechsel des Mittelalters; sie war Theologin, Dichterin, Naturwissenschaftlerin, Apothekerin, Komponistin und Predigerin auf den Marktplätzen. 

Schon zu Lebzeiten wurde die natur- und heilkundige Äbtissin als Heilige verehrt. Doch erst Papst Benedikt XVI. dehnte am 10. Mai 2012 ihre Verehrung auf die Weltkirche aus und ernannte sie am 7. Oktober 2012 zur Kirchenlehrerin.

Ein Vorbild jenseits von Trends

Heute kann Hildegard in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sein: Sie predigte die bedingungslose Liebe Gottes, auch wenn das zu ihrer Zeit nicht unbedingt Trend war. Ohnehin ließ sie sich selten von anderen Menschen beirren, sondern folgte ihrem Glauben und dem, was sie in den Visionen gesehen und verstanden hatte. 

Das kann auch uns ermutigen, sich nicht einfach der Meinung anderer anzuschließen, sondern genau hinzuschauen und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Heilige verdeutlich Verwobenheit der Welt

Hildegards zahlreiche Begabungen zeigen auch in besonderer Weise, wie alles in der Welt miteinander verwoben ist: Die Medizin mit ihren Wirkstoffen aus der Natur bringt uns den Schöpfer näher, der für die Menschen das Leben in Fülle will. Wissenschaft und auch künstlerisches Wirken schließen einander nicht aus, sondern können sich gegenseitig bereichern.

Die heilige Hildegard und ihre Spiritualität sind weit über die Grenzen der Kirche in aller Welt bekannt. Dass die Gedanken der mittelalterlichen Heiligen so viele Menschen ansprechen, zeigt auch, dass die christliche Botschaft kein Sondergut nur für gläubige Menschen ist. 

Damit kann Hildegard auch dazu inspirieren, so über Gott zu sprechen, dass es jeder versteht - ganz so, wie sie es als Kirchenlehrerin bereits im 12. Jahrhundert vorgemacht hat.

Hildegard von Bingen

Die heilige Hildegard von Bingen war eine der bedeutendsten Frauen des Mittelalters. Ihr genaues Geburtsdatum ist nicht überliefert; doch geht die Forschung davon aus, dass sie 1098 im rheinhessischen Bermersheim zur Welt kam. Schon mit acht Jahren übergaben ihre Eltern die Tochter zur Erziehung an Jutta von Sponheim, die sich bei der Benediktinerabtei Disibodenberg an der Nahe (Rheinpfalz) niedergelassen hatte.

Bildnis von Hildegard von Bingen am Altar der Rochuskapelle in Bingen (KNA)
Bildnis von Hildegard von Bingen am Altar der Rochuskapelle in Bingen / ( KNA )
Quelle:
KNA