Die jüngsten Äußerungen des Papstes zu den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 5. November spiegeln die Spaltung innerhalb der katholischen US-Kirche wider. Und tragen offenbar wenig dazu bei, diese zu überbrücken.
Während die US-Bischöfe in ihrem aktualisierten Wählerleitfaden ("Forming Consciences for Faithful Citizenship") Abtreibung zum alles überragenden Thema erklärt haben, "weil mehr als eine Million Leben im Jahr in unserem Land zerstört werden", sehen das laut einer aktuellen Umfrage des Pew Research Center weniger als die Hälfte der Gläubigen (44 Prozent) so.
Unterschiede bei den Ethnien
Dagegen sagen fast drei von vier weißen Katholiken (72 Prozent), dass ihnen die Begrenzung der Einwanderung besonders am Herzen liegt. Das könnte erklären, warum sich im Endeffekt die Gewichte leicht in Richtung des "Make-America-Great-Again"-Kandidaten verschoben haben. Der Erhebung zufolge wollen 47 Prozent aller US-Katholiken die Demokratin Kamala Harris wählen, 52 Prozent den Republikaner Donald Trump.
Nach Ethnien aufgeteilt unterstützen 61 Prozent der weißen Katholiken Trump, während 65 Prozent der hispanischen Gläubigen für Kamala Harris sind. Diese Befunde liefern die Kulisse, vor der die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus auf dem Rückflug seiner Asien-Pazifik-Reise einzuordnen sind.
Reizthemen Abtreibung und Migration
Nach Ansicht einiger Beobachter folgte der Papst den Ausführungen der US-Bischofskonferenz, die Abtreibung für das wichtigste Thema hält, nicht ganz. Vielmehr rückte er am Freitag die persönliche Wahlentscheidung in einen größeren Kontext.
"Beide sind gegen das Leben", sagte Franziskus über die Präsidentschaftskandidaten, ohne sie namentlich zu nennen. Wer Migranten zurückweise, mache sich ebenso schuldig wie jemand, der Abtreibung befürworte. Der Papst riet katholischen Wählern, ihrem Gewissen zu folgen: "Man muss das geringere Übel wählen. Und wer ist das geringere Übel: Jene Dame oder jener Herr? Ich weiß es nicht."
Bischöfe reagieren unterschiedlich
Diese Worte lassen freilich großen Spielraum für verschiedene Sichtweisen. Bereits in der Vergangenheit hatten Abtreibungs-Gegner gegen das protestiert, was sie für eine moralische Gleichsetzung von Abtreibung und Einwanderung durch Franziskus halten. Dagegen dürften sich Reformer in der Bischofskonferenz - wie die Kardinäle Robert McElroy und Blase Cupich - ermutigt fühlen, für eine sorgfältigere Abwägung zu plädieren.
Trump hat für den Fall seiner Wiederwahl eine restriktive Migrationspolitik mit der größten Massenausweisung der US-Geschichteangekündigt. Millionen Einwanderer ohne gültige Papiere sollen so mithilfe lokaler Polizeibehörden und der Nationalgarde außer Landes gebracht werden.
Harris erregt indes mit ihrer liberalen Haltung in Sachen Abtreibung Anstoß in konservativ-katholischen Kreisen. So hat sie das Werben für "reproduktive Freiheit" zu einem Kernelement ihres Wahlkampfs gemacht, um insbesondere Wählerinnen anzusprechen.
Gegen Fremdenhass
Der Erzbischof von Miami, Thomas Wenski, äußerte sich derweil ablehnend zur Hetze Trumps und seines katholischen Vize-Kandidaten J.D. Vance gegen haitianische Einwanderer in Springfield (Ohio). Trump hatte kürzlich in der Präsidentschaftsdebatte das Gerücht verbreitet, illegal eingereiste Migranten würden in der Stadt Katzen, Hunde und Gänse der Einheimischen stehlen und essen.
Belastbare Belege gibt es dafür nicht. Wenski wies die Behauptung zurück und verteidigte die Einwanderer als hart arbeitende Menschen. Sie seien nicht illegal in den USA, sondern hätten einen legalen Aufenthaltsstatus. Die Katholiken des Landes rief der Geistliche auf, sich entschieden gegen Fremdenhass zu stellen.
Hetze hat Folgen
Nachdem sich das Haustier-Gerücht rasant verbreitet hatte, gingen in Springfield Bombendrohungen gegen öffentliche Einrichtungen ein. Auch katholische Hilfseinrichtungen Ohios berichteten über Hassanrufe. Der republikanische Gouverneur des Bundesstaates, Mike DeWine, selbst ein Katholik, hielt es für angebracht, die Äußerungen von Trump und Vance als "Müll" zurückzuweisen.
Eine Spaltung der Wählerschaft zeigt sich auch bei anderen Religionsgemeinschaften. Laut der Pew-Umfrage unterstützen 82 Prozent der weißen Evangelikalen und 58 Prozent der übrigen weißen Protestanten Trump. Harris dagegen erhält Unterstützung von 86 Prozent der schwarzen Protestanten, 85 Prozent der Atheisten und 65 Prozent der jüdischen Wählerschaft.
"Wege des Friedens und der Versöhnung"
Die gesellschaftliche Polarisierung im US-Wahlkampf scheint unterdessen zusehends außer Kontrolle zu geraten. Zu Wochenbeginn bestimmt ein mutmaßlicher weiterer Attentatsversuch auf Trump die Schlagzeilen. Die Bundespolizei FBI geht davon aus, dass ein Mann den Ex-Präsidenten beim Golfspielen mit einem Sturmgewehr erschießen wollte.
Der Vorsitzende der katholischen Bischöfe in den USA, Erzbischof Timothy Broglio, hatte sich schon nach dem misslungenen Attentat in der Kleinstadt Butler Mitte Juli zu Wort gemeldet. Damals rief er dazu auf, trotz aller politischen Differenzen "Wege des Friedens und der Versöhnung einzuschlagen". Bisher verhallt der Appell weitgehend ungehört.