DOMRADIO.DE: Im Frühjahr haben Sie noch ein Buch über den Fußballhimmel und die schönsten Geschichten vom "heiligen Rasen" geschrieben. Jetzt kommt ein Buch über Weihnachten und die schönsten Geschichten zum "Fest aller Feste". Was bedeutet Weihnachten für Sie?
Rainer Maria Schießler (Pfarrer in Sankt Maximilian in München und Buchautor): Es erinnert mich daran, dass niemand von uns alleine ist. Selbst wenn ich mich alleine fühle, ist einer immer da, Gott selber, der Mensch geworden ist. Einer von uns. Er ist neben mir, er ist bei mir.
Weihnachten macht deswegen so viel Spaß, weil sich keiner diesem Feste entziehen kann. Da geht es nicht um die Glaubensschwere, die jemand an den Tag legt, sondern um das, was dieses Fest an Gefühl und Empathie vermittelt. Ich konnte diese Jammerei nie vertragen, dass da ja auch alle mitmachen würden, die an nichts glauben. Da können wir unsere Kirchen gleich zusperren, wenn wir auf dieselbe Art und Weise den Menschen gegenübertreten.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn Weihnachten in der Kindheit erlebt? Haben Geschenke auch eine Rolle gespielt?
Schiessler: Eine geringe. Geschenke waren, wie bei vielen aus meiner Generation, nicht das Wesentliche, das Schenken war wesentlich und das was damit vermittelt wird. Meine Eltern wollten uns nahebringen was an Weihnachten passiert, nämlich dass Gott sich selbst den Menschen geschenkt hat und das haben wir dann nachgespielt. Es war nicht die Masse an Geschenken und es war nicht der finanzielle Wert des Geschenks, es war die Geste und die Überraschung.
Es war dieses dieser Wow-Effekt. Ich fühlte mich wie die Hirten, die in den Stall reingehen. Man hat ihnen gesagt: Es ist der Heiland der Welt geboren. Und was sehen sie? Ein Baby. Wow! Dies ist ein ganz intensives Gefühl des Miteinanders, des Miteinanders untereinander und mit Gott. So habe ich das erlebt. Es war ein Hausfest. So wie es in der Geschichte immer schon war. Erst als die Christen keine Angst mehr in der Öffentlichkeit haben mussten, ist es in die Kirchen hineingekommen.
DOMRADIO.DE: Für die einen ist es der Wow-Effekt, für die anderen das Weihnachtswunder. Hält Weihnachten auch heute noch Wunder bereit?
Schiessler: Ja, das erleben wir ja in vielen Beiträgen und Weihnachtsgeschichten, die erzählt werden. Es sind diese kleinen Missionen, diese kleinen Blumen am Wegesrand, diese kleinen Momente der Menschlichkeit, die die Menschen verändern. Diese Momente wird es immer geben und die werden niemals verloren gehen.
Was mir mit dem Buch wichtig ist, ist zu erzählen. Glaubensverkündigung ist immer Erzählen. Und die Weihnachtsgeschichte ist ja, wie der Name schon sagt, eine Geschichte. Diese Geschichte von Josef, Maria und Jesus muss erzählt werden. Die Nähe Gottes kann nur vermittelt werden, wenn Menschen sich gegenseitig davon erzählen und das weitergeben.
DOMRADIO.DE: Weihnachten ist oft auch mit Stress verbunden. Geschenke kaufen, Weihnachtsfeiern im Job, die letzten Tage vor dem Jahreswechsel. Sie schreiben auch darüber, dass man diesen Stress vermeiden könnte oder sollte.
Schiessler: Es ist wie mit der Wiesn, du musst ja nicht hingehen. Ich kenne Weihnachtsstress nicht. Ich versuche gezielt zu schenken. Dem kleinen Kreis, der mir auch sonst, das ganze Jahr über, nahe ist, möchte ich diesen Wow-Effekt überbringen und ansonsten nehme ich nur an Veranstaltungen teil die mir gut tun. Und ich habe ein Kapitel im Buch, über das Frauentragen zum Beispiel, dieses gegenseitige Besuchen, bei der eine Madonna von Tag zu Tag von Haus zu Haus zieht. Es geht um das, was mir in meinem Leben hilft, mich zu erden und mir bewusst zu werden. Und das geht nur mit Gott an der Seite.
DOMRADIO.DE: Man kann Ihr Buch auch sehr gut als Adventskalender nutzen, also jeden Tag eine Geschichte. Aber dann sind es doch mehr als 24 Geschichten.
Schiessler: Ja, so war es eigentlich gedacht. Bei uns zu Hause, als wir Kinder waren, hatten wir dieses tägliche Date. Da haben wir uns nachmittags getroffen, eine Kerze angezündet und die Mama hat eine Geschichte vorgelesen. Später, als wir selber lesen konnten, durften wir dann eben selber lesen und genau das wollte ich hier auch tun. Den Menschen jeden Tag eine Geschichte geben, die etwas über die adventlichen Gestalten erzählt, die erheitert, die aber auch nachdenklich machen dürfen.
Aber ich möchte nicht am Heiligabend aufhören, weil dann ja erst die Weihnachtszeit beginnt. Deswegen erzähle ich weiter. Und zwar bis zum Ende der Weihnachtszeit. Bis zum Fest der Taufe Jesu.
Das Interview führte Carsten Döpp.