Münchner Pfarrer Schießler hofft auf friedvolles Oktoberfest

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen

Das Münchner Oktoberfest steht vor der Tür. Der Münchner Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler hat jahrelang dort gekellnert. Er kennt das bunte Treiben auf der "Wiesn" und sieht den Sicherheitsaspekt nach Solingen noch mehr im Fokus.

Autor/in:
Carsten Döpp
Lebkuchenherzen auf dem Oktoberfest / © katjen (shutterstock)
Lebkuchenherzen auf dem Oktoberfest / © katjen ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Nach dem Messeranschlag beim Stadtfest in Solingen vor einigen Wochen, ist dieser Spruch "Auf eine friedliche Wiesn" diesmal sicherlich mehr als nur eine traditionelle Begrüßungsformel, oder?

Pfarrer Rainer Maria Schießler / © Dieter Mayr (KNA)
Pfarrer Rainer Maria Schießler / © Dieter Mayr ( KNA )

Rainer Maria Schießler (Stadtpfarrer in München): Das war es eigentlich auch noch nie. Seit dem Wiesnattentat 1980 war es immer der große Wunsch, der Antrieb aller Beteiligten, dass dies ein friedliches Fest bleibt. Aber Solingen mit dem Messerangriff, hat eine neue Dimension der Gewalt gezeigt. 

Man kann großflächig sicherlich so eine Veranstaltung schützen, wie man es ja auch mit Security, Taschenkontrolle und anderen Dingen tut. Aber wenn jemand wirklich irgendjemanden persönlich verletzen will, gelingt das irgendwie immer. Deswegen hat man hier sofort nach Solingen reagiert und strengt sich jetzt noch mehr an.

DOMRADIO.DE: Die Polizei wird die Sicherheitsmaßnahmen in München noch erhöhen. Mit welchem Gefühl werden Sie persönlich dann über die Wiesn gehen?

Rainer Maria Schießler

"Du gehst hinaus, weil du das Leben feierst."

Schießler: Ich habe es ja die zehn Jahre erlebt, in denen dabei war. Diese Gefühle darf man gar nicht zulassen, dann braucht man nicht hinausgehen. Man geht hinaus, weil man das Leben feierst. Es ist ja nicht nur auf der Wiesn so, sondern in vielen Orten unseres Lebens, ob im Fußballstadion oder bei einem Konzert. Alles kann passieren. Wenn man diesen Gedanken hat, dann muss man sich zu Hause einschließen.

Polizisten beim Oktoberfest 2019 in München  / ©  Karl-Josef Hildenbrand/dpa (dpa)
Polizisten beim Oktoberfest 2019 in München / © Karl-Josef Hildenbrand/dpa ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im Verlauf der ersten Wiesn Woche gibt es einen ökumenischen Gottesdienst. Der ist diesmal am 25. September. Er hat eine lange Tradition. Es gibt ihn seit Mitte der 50er Jahre. Auch da wird für eine friedliche Wiesn gebetet. War das auch schon immer so?

Gottesdienst in einem Zelt auf dem Oktoberfest in München / © Dieter Mayr (KNA)
Gottesdienst in einem Zelt auf dem Oktoberfest in München / © Dieter Mayr ( KNA )

Schießler: Ja, das ist zunächst mal aus der Schaustellerseelsorge heraus entstanden. Es gibt einen Schaustellerseelsorger, der mit den Schaustellern umher reist und einen zentralen Gottesdienst hält. Da werden Kinder getauft, da werden Firmungen gespendet und so weiter. Der Gottesdienst findet in einem Bierzelt statt, im jetzigen Marstall, im früheren Hippodrom. 

Da dieses Thema der friedlichen Wiesn immer deutlicher geworden, hat man es natürlich erst recht in den Gottesdienst mit aufgenommen. Da geht es auch nicht um eine Spielerei.

Es gefällt mir sehr gut an dem Gottesdienst, dass sehr viele Bürger teilnehmen. Aber es geht eigentlich um diese Übereinstimmung: das eucharistische Mahl, wo sich Menschen allen verschiedenen Standes zusammenfinden und das Leben feiern sowie das profane Mahl, das in die Bierzelten stattfindet. Das soll natürlich eine Parallele darstellen.

Rainer Maria Schießler

"Vielleicht müssen wir die ganze Welt mit Oktoberfesten überziehen, dass wir endlich mal begreifen, wozu wir bestimmt sind."

DOMRADIO.DE: Sie haben eine sehr intensive Wiesnvergangenheit. Zehn Jahre lang haben Sie dort gekellnert und schwere Bierkrüge gestemmt. Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt, außer 14 Maß Bier auf einmal zu tragen?

Schießler: Dass mir Menschen, die feiern, tausendmal lieber sind als andere, die irgendwelche Pläne spinnen oder - wie wir es zurzeit erleben -, politische Eskapaden lostreten. Ich habe mir manchmal gedacht, dass wir vielleicht die ganze Welt mit Oktoberfesten überziehen müssten, damit wir endlich mal begreifen, wozu wir bestimmt sind, nämlich das Leben zu feiern. Das habe ich da gelernt.

Rainer Maria Schießler

"Keiner ist gezwungen - auch nicht über die Wiesn zu schimpfen."

Und bitte die Wiesn nicht in eine Schublade reinstecken, als wäre es nur eine Besäufnis-Veranstaltung, der jeder unterliegen muss. Es gibt keine Pflicht da hinauszugehen und schon gar keine, sich zu besaufen.

Aber es ist ein schönes Kulturgut, man kann ein gutes Maß Bier, ein gutes Essen genießen. Klar, das hat seinen Preis. Es hat ein Alleinstellungsmerkmal, was da draußen stattfindet. Aber wie gesagt, keiner ist gezwungen - auch nicht über die Wiesn zu schimpfen.

DOMRADIO.DE: Die Wiesn sind international, die Menschen kommen aus aller Welt und feiern und verstehen sich ja auch in der Regel ganz gut. Kann dieses Miteinander auf dem Oktoberfest auch dann Vorbildcharakter für andere Situationen und Bereiche haben?

Rainer Maria Schießler

"Ich habe gesehen, wie Menschen da einander begegnen, wie alle Schranken fallen."

Schießler: Für mich hat es immer Vorbildcharakter gehabt. Ich habe wirklich unter den Menschen gelebt und gearbeitet. Ich habe gesehen, wie Menschen da einander begegnen, wie alle Schranken fallen. Wo es völlig wurscht ist, wenn eine Firma miteinander feiert, ob der Vorstandsvorsitzende mit der Sekretärin auf der Bierbank steht oder ob der Tourist aus Neuseeland und Italien da auf einmal miteinander können. 

Maßkrüge auf dem Münchner Oktoberfest / © Matthias Balk (dpa)
Maßkrüge auf dem Münchner Oktoberfest / © Matthias Balk ( dpa )

Das wäre eigentlich etwas, das wir lernen müssten: Wieder neu aufeinander zuzugehen. Zuhören ist die Voraussetzung für ein Gespräch. Bevor ich was rede, kann ich vielleicht dem anderen zuhören und vor allem Platz machen, gerade auf der Wiesn, wo der Platz so begehrt und so rar ist.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR