Pilgerexpertin blättert in der Geschichte

Wer war die "Mutter aller Pilgerinnen"?

Heutzutage laufen viele Frauen auf dem Jakobsweg, früher aber waren Pilgerinnen dort eher selten zu sehen. Die Pilgerexpertin Beate Steger wirft einen Blick in die Geschichte und stellt zwei bekannte Pilgerinnen vor.

Symbolbild Frau mit Rucksack im Wald / © Infinity Time (shutterstock)
Symbolbild Frau mit Rucksack im Wald / © Infinity Time ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wer war denn die "Mutter aller Pilgerinnen", wenn man das so sagen kann? 

Beate Steger (DR)
Beate Steger / ( DR )

Beate Steger (Pilgerexpertin): So wird die Kaiserin Helena genannt. Das war die Mutter des Kaisers Konstantin des Großen. Sie wurde um 250 nach Christus geboren und kam eigentlich aus einfachen Verhältnissen. Ihr Sohn wurde aber vom Kaiser als Sohn anerkannt, und so wurde der dann irgendwann Kaiser. Deshalb ist sie dann höher gestellt gewesen und hat wohl am Hof in Trier gelebt. 

DOMRADIO.DE: Warum wird sie denn "Mutter aller Pilgerinnen" genannt? 

Steger: Es gibt da eine Geschichtsschreibung von einem gewissen Eusebius, die aber erst einige Zeit nach ihrem Tod entstanden ist. Da wurde ein bisschen an der Helena-Legende gestrickt und auch erzählt, dass sie ins Heilige Land gepilgert wäre. An anderer Stelle steht sogar, das wäre historisch verbürgt.

Sie muss schon ziemlich alt gewesen sein, also Ende 70. Sie wäre dann also ins Heilige Land gereist und hätte da auch besondere Sachen gefunden. Man schildert sie als einfache Frau, die in einer einfachen Kleidung und sehr gottesfürchtig unterwegs war. Das wurde dann auch ein bisschen ein Vorbild für diejenigen, die dann nach ihr gepilgert sind. 

Schraudolph-Fresken im Historischen Museum der Pfalz. Bild: Heilige Helena. 1850, Fresko aus der östlichen Wandkapelle des Südquerhauses.
Schraudolph-Fresken im Historischen Museum der Pfalz. Bild: Heilige Helena. 1850, Fresko aus der östlichen Wandkapelle des Südquerhauses.

DOMRADIO.DE: Was war das Besondere, was sie entdeckt haben soll? 

Steger: Sie hat einmal das wahre Kreuz Christi entdeckt und hat davon auch Teile zu ihrem Sohn geschickt. Es wird auch berichtet, sie hätte diesen Heiligen Rock gefunden. Der Heilige Rock wird ja in Trier ausgestellt. Er ist angeblich ein Untergewand von Jesus.

Ich habe den auch schon live gesehen in Trier. Jedes Jahr werden da die Heilig-Rock-Tage abgehalten – auch nächstes Jahr wieder im Mai.

Die Heilige Ursula und ihre Gefährtinnen, dargestellt auf einem Gemälde von Niccolo di Pietro / © Everett - Art (shutterstock)
Die Heilige Ursula und ihre Gefährtinnen, dargestellt auf einem Gemälde von Niccolo di Pietro / © Everett - Art ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Es gibt auch eine bekannte Heilige aus Köln, die Heilige Ursula. Die war nicht alleine unterwegs, sondern mit so unglaublich vielen jungen Frauen, dass man sich kaum vorstellen kann, wie das gegangen sein soll. 

Beate Steger

"Im Jahr 383 soll sie mit 11.000 Jungfrauen von Cornwall aus Richtung Rom aufgebrochen sein".

Steger: Heute wird immer gesagt, dass auf dem Jakobsweg so viele unterwegs seien, aber da hat die Ursula offenbar alles geschlagen. Der Legende nach war sie im vierten Jahrhundert eine bretonische Königstochter. In Kirchen wird sie oft mit Pfeil und Schutzmantel über diesen besagten Jungfrauen dargestellt, mit denen sie unterwegs gewesen sein soll. 

DOMRADIO.DE: Wohin soll sie denn gepilgert sein in dieser unvorstellbar großen Gruppe? 

Steger: Im Jahr 383 soll sie mit tatsächlich 11.000 Jungfrauen von Cornwall aus Richtung Rom aufgebrochen sein. Das Ganze hatte allerdings geschichtliche Hintergründe. 

Die römische Herrschaft ging damals in Britannien ihrem Ende entgegen und der damalige Herrscher hatte sich überlegt, dass man vielleicht ein neues Britannien in Gallien gründen könnte. So sollte die Ursula als Tochter des Königs von Cornwall für dieses neue Königreich eben Frauen aus Britannien schicken. 

DOMRADIO.DE: Die Geschichte mit den 11.000 Jungfrauen findet sich auch im Kölner Stadtwappen. Da sind elf Tränen zu sehen. Was hat es damit auf sich? 

Steger: Die Pilgerschaft führte erst mal per Schiff nach Basel und dann auf dem Landweg Richtung Rom. Die sind auf ihrem Weg in Köln vorbeigekommen. Da sind demnach die Pilgerinnen von den Hunnen getötet worden, die die Stadt gerade belagert haben. 

Der Prinz der Hunnen soll sich in Ursula verliebt haben. Er hat ihr angeboten, sie zu verschonen und zu heiraten. Das hat sie allerdings abgelehnt, also hat er sie durch einen Pfeilschuss getötet – und auch die ganzen Begleiterinnen. Deswegen gibt es im Kölner Stadtwappen diese elf Tränen.

DOMRADIO.DE: Da ist bestimmt viel ausgeschmückt an der Geschichte oder gibt es Quellenangaben? 

Steger: Gar nicht. Es wird da viel rumsymbolisiert und es gibt keine geschichtlichen Hintergründe, dass das so stattgefunden hat. Man sagt auch, 11.000 Jungfrauen sei ein bisschen viel. Da geht man auf einen Lesefehler zurück und sagt, es wären nur elf Jungfrauen gewesen. Es ist aber fraglich, ob die Sache überhaupt stimmt.

DOMRADIO.DE: Pilgernde Frauen gab es so einige im Laufe der Geschichte. Sie haben auch einen Buchtipp dazu. 

Steger: Kathrin Köhl hat ein wirklich lesenswertes Buch zum Thema geschrieben. Es heißt "Frauen unterwegs – Pilgerinnen von der Antike bis heute". Es ist im Verlag Bibelwerk erschienen und beginnt mit Helena.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR