Zuletzt hatte es der Kirchenrechtler Georg Bier in der "Herder-Korrespondenz" (September) gefordert: Die deutschen katholischen Bischöfe sollten rasch präzise Normen für den (arbeitsrechtlichen) Umgang mit Vertretern der AfD im kirchlichen Bereich erlassen:
"Darin ist festzulegen, welche Betätigungen, Haltungen oder gegebenenfalls auch Parteizugehörigkeiten mit der Mitgliedschaft in kirchlichen Räten unvereinbar sind." Dabei mahnte er zugleich Verhältnismäßigkeit an, insbesondere auch mit Blick auf ehrenamtlichen Dienste.
So eindeutig und klar im Februar das Papier der Deutsche Bischofskonferenz zur Unvereinbarkeit von völkischem Nationalismus und Christentum war, so rasch zeigte sich schon bald, dass es in den Bistümern auch große Unsicherheiten gibt, wie denn nun konkret arbeits- und dienstrechtlich damit umgegangen werden kann, wenn Mitarbeitende - Haupt- wie Ehrenamtliche - etwa Mitglied der AfD sind oder offen mit extremistischem Gedankengut sympathisieren.
Fälle mehren sich
Mehrere Fällen waren in den vergangenen Monaten bekannt geworden: Im April wurde der saarländische AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Schaufert vom Generalvikar des Bistums Trier aus dem Verwaltungsrat einer Pfarrgemeinde entlassen.
Im März untersagte ein Pfarrer im Erzbistum Freiburg einer Rentnerin, die bei der Kommunalwahl für die AfD kandidierte, die ehrenamtliche Tätigkeit als Vorleserin im katholischen Kindergarten der Pfarrei. Im Juli untersagte ein Pfarrer im Erzbistum Paderborn einem AfD-Funktionär Ehrenämter in der Pfarrei als Messdiener, Lektor und Organist.
Die Frage nach einheitlichen Kriterien für einen Ausschluss aus Diensten und Ämtern der Kirche und einer Verhältnismäßigkeit der Sanktionen blieb indes bestehen. Welche Konsequenzen hat etwa eine bloße AfD-Mitgliedschaft, ohne weitere Aktivitäten für die Partei?
Die jetzt veröffentlichten Erläuterungen der Deutschen Bischofskonferenz sind als eine Art Orientierungs- oder Interpretationshilfe in dieser Frage zu verstehen: Wie ist die kirchlichen Grundordnung rechtssicher anzuwenden, damit sie mit den Aussagen der Bischöfe in ihrer Unvereinbarkeits-Erklärung vom Februar im Einklang steht?
Verhältnismäßigkeit als Gradmesser
In den Erläuterungen wird gleich zu Beginn betont, dass niemand automatisch von Ämtern und Diensten der Kirche ausgeschlossen oder stigmatisiert werden soll. Vielmehr soll es stets eine Einzelfallprüfung geben, die auch eine Verhältnismäßigkeit der Sanktionen berücksichtigt:
"Ein offenes und aufklärendes Gespräch soll dazu beitragen, der Person die Unvereinbarkeit rechtsextremistischen Gedankenguts mit tragenden Grundsätzen der katholischen Kirche zu verdeutlichen und kann sie zu einer Neuorientierung oder einem Richtungswechsel ermutigen."
Ziel sei immer eine Einigung mit dem Betroffenen, erläuterte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing.
Die Erläuterungen, so heißt es, sind im Grundsatz auf alle Parteien und Organisationen mit extremistischer Ausrichtung übertragbar.
Gleichwohl wird die Anwendung der Norm am Beispiel der AfD durchdekliniert, da der Zulauf zu dieser in Teilen rechtsextremistischen Partei ja auch Anlass für das Februar-Papier der Bischöfe war und Bistümer, Pfarreien sowie Verbände derzeit konkret beschäftigt. Ergänzend heißt es: "Mögen bei anderen Parteien ohne extremistische Grundhaltung zwar Einzelpositionen mit der kirchlichen Lehre divergieren, so steht aber nicht deren Grundausrichtung im Widerspruch zur kirchlichen Werteordnung."
Bei der Grundausrichtung der AfD sei das jedoch der Fall. Im Engagement für diese Partei sehen die jetzigen Erläuterungen eine kirchenfeindliche Betätigung, die im gravierendsten Fall eine Kündigung oder den Ausschluss von einem Ehrenamt nach sich ziehen kann. Dass die gesamte AfD im Widerspruch zur katholischen Werteordnung zu sehen ist, begründen die neuen Erläuterungen auch unter Rückgriff auf das Urteil des Oberverwaltungsgericht Münster vom Mai, wonach der Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall führen darf.
Wo die roten Linien für kirchliche Mitarbeitenden verlaufen, richtet sich nach mehreren Kriterien. Mitentscheidend ist etwa, ob jemand in leitender kirchlicher Position tätig ist oder in einem wertevermittelnden Job wie Pädagogen. Relevant ist auch die Form des politischen Engagements für oder in der AfD oder des Sympathisierens mit extremistischen Positionen. Entscheidend ist hier, ob dieses Engagement öffentlich wahrnehmbar ist. Mit zu berücksichtigen ist ferner, ob der Verfassungsschutz den entsprechenden AfD-Landesverband als gesichert rechtsextrem einstuft.
Drei Kategorien für eine Bewertung
Dreh- und Angelpunkt bei der Bewertung ist als Erstes der Grad der geforderten Loyalität und Identifikation des Angestellten oder Ehrenamtlichen mit den Zielen und Werten der katholischen Kirche.
Hier unterscheiden die Erläuterungen drei Kategorien je nach Tätigkeit: Die höchsten Anforderungen werden naturgemäß an Personen in leitender Tätigkeit gestellt, die Vorbildfunktion nach innen haben und die Kirche nach außen repräsentieren. Hier kann schon das öffentliche Bekanntwerden einer AfD-Mitgliedschaft Grund für Sanktionen sein.
In die zweite Kategorie fallen alle, von denen ein "gesteigertes Maß" an Identifikation mit Zielen und Werten der Kirche verlangt wird. Das sind Personen, die das katholische Profil einer Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen mit repräsentieren.
Darunter fallen auch jene, die im pastoralen, katechetischen oder liturgischen Bereich tätig sind oder eine wertevermittelnde Tätigkeit etwa als Pädagoge oder Erzieherin ausüben. Auch Mitarbeitende in Pfarrbüros sind laut Erläuterungen in Kategorie 2 einzuordnen ebenso die Mitglieder in kirchlichen Gremien mit juristischer Verantwortung, etwa im Diözesansteuerrat, Verwaltungsrat, Kirchenvorstand, aber auch im Pfarrgemeinderat.
Eine bloße AfD-Mitgliedschaft ist hier noch kein Grund für unmittelbare Sanktionen, hinzukommen müssen weitere Umstände, die "berechtigte Zweifel an der Loyalität festigen". Eine Distanzierung von kirchenfeindlichen Aussagen der AfD durch den Mitarbeitenden kann in diesem Fall ausreichend sein, um von weiteren Konsequenzen abzusehen.
Zur dritten Kategorie gehören alle, von denen aufgrund ihrer kirchlichen Tätigkeit nur eine "einfache Loyalität" gefordert wird. Verstöße können hier nur dann Folgen nach sich ziehen, "wenn sie die tragenden Grundsätze der Kirche nach außen bekämpfen oder verächtlich machen".
Keine einheitliche Rechtsauslegung
Bemerkenswert ist noch folgender Fakt: Die Erläuterungen sind nicht rechtsverbindlich für die einzelnen Bistümer. Jeder Bischof kann selbst entscheiden, ob er sie in seinem Bistum so anwendet und entsprechende Passagen in den Satzungen und Ordnungen für sein Bistum ergänzt.
Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die Bischöfe nicht auf eine verbindlichere Form einigen konnten, weil es in den Bistümern doch noch zu unterschiedliche Ansichten und Beurteilungen in der Frage gibt.
Dem Wunsch nach einer einheitlichen Rechtsauslegung, der aus einigen Bistümern kam, ist mit den jetzt veröffentlichten Erläuterungen wohl nur in einem ersten Schritt Genüge getan.
Vermutlich wird die Thematik über kurz oder lang staatliche Gerichte beschäftigen, etwa wenn jemand, dem im kirchlichen Dienst aufgrund eines AfD-Engagements gekündigt wurde, dagegen klagt.
Für die Kirche wäre das im Zweifelsfall nicht das Schlechteste, da dann noch einmal eine juristische Instanz von außen objektiv klären würde, ob die jetzt veröffentlichten Leitlinien rechtssicher so angewandt werden können.