Kirche muss laut Missbrauchsbetroffenen Verantwortung für Täter tragen

Verzicht auf Verjährung

Fälle von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche sorgen seit Jahren für Empörung. Verbände dringen auf einen anderen Umgang mit Betroffenen. Anlass ist ein bevorstehendes Treffen der mit Aufarbeitung befassten Kommissionen.

Autor/in:
Matthias Jöran Berntsen
Protest gegen kirchlichen Umgang mit Missbrauch (Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Protest gegen kirchlichen Umgang mit Missbrauch (Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Betroffene von Missbrauch fordern die katholische Kirche auf, mehr Verantwortung für die Taten von Priestern zu übernehmen und in Gerichtsverfahren auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Vor einem Treffen der Kommissionen zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch am Dienstag in Frankfurt haben die Initiative Eckiger Tisch und das Aktionsbündnis der Betroffeneninitiativen am Montag eine entsprechende Online-Petition vorgestellt.

Kerstin Claus (UBSKM)
Kerstin Claus / ( UBSKM )

Zugleich macht sich neben den Verbänden auch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, für eine stärkere Mitwirkung der Betroffenen stark: "Es ist entscheidend, dass die Aufarbeitung in engem Austausch mit den Betroffenen erfolgt und nicht ohne ihre Beteiligung über sie hinweg entschieden wird", sagte sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Zwar fielen in einigen Kommissionen keine Entscheidungen ohne Zustimmung oder gar gegen die Betroffenenvertretung. Ziel müsse es aber sein, dass sich alle Betroffenen auf vergleichbare Kriterien der Aufarbeitung verlassen könnten, so Claus weiter. In Teilen würden die Aufarbeitungskommissionen "gut von ihrem Bistum unterstützt". Allerdings gebe es auch Bistümer, in denen die Zusammenarbeit noch nicht optimal gelinge. Die Prozesse sollten verbessert und bundesweit vereinheitlicht werden.

Ziel: nachvollziehbare Entscheidungen

Der bundesweite Zusammenschluss der Betroffenenbeiräte forderte im Vorfeld der Sitzung mehr Transparenz, eine Begründungspflicht der Anerkennungsbescheide und eine sensiblere Erinnerungskultur. Das Handeln der Aufarbeitungskommissionen und der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen müsse nachvollziehbarer werden. Betroffene müssten mehr Mitwirkungsrechte und Zugang zu relevanten Dokumenten bekommen.

Vorstand der Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch mit (v.l.n.r.) Andreas Stiller; Matthias Katsch und Martin Schmitz in der neuen Geschäftsstelle in Berlin / © Gregor Krumpholz (KNA)
Vorstand der Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch mit (v.l.n.r.) Andreas Stiller; Matthias Katsch und Martin Schmitz in der neuen Geschäftsstelle in Berlin / © Gregor Krumpholz ( KNA )

Kritik äußerte auch die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch: "Neben der weiterhin notwendigen unabhängigen Aufklärung und Aufarbeitung brauchen die Opfer nach fast 15 Jahren endlich eine angemessene Entschädigung", forderte Sprecher Matthias Katsch. Ein Gremium außerhalb der Kirche müsse über die Höhe der Zahlungen entscheiden. Betroffene müssten die Möglichkeit haben, gehört zu werden und eine Begründung für die Höhe der Zahlungen zu erhalten.

Finanzielle Leistungen für Betroffene

Insgesamt sei die Situation schwierig, so Katsch weiter: "Die Kirche nutzt juristischen Spielraum im bürgerlichen Zivilrecht im Abwehrkampf gegen höhere Entschädigungszahlungen aus." Die Folgen seien oft "Retraumatisierungen, weitere Abkehr von der Kirche und Hoffnungslosigkeit". Die Kirche wolle sich oft auch nicht auf Verhandlungen mit Betroffenen einlassen.

In ihrer Petition fordern der Eckige Tisch und das Aktionsbündnis konkret, dass Bistümer und Ordensgemeinschaften für Missbrauchstaten ihrer Priester und Ordensleute haften und nicht argumentieren, die sogenannte Amtshaftung gelte nur für den dienstlichen Bereich. Auch sollten sie bei lange zurückliegenden Taten auf die Einrede der Verjährung verzichten, um Schmerzensgeldprozesse vor Gerichten nicht zu verhindern.

Die Initiativen weisen außerdem auf die Möglichkeit für Betroffene sexuellen Missbrauchs hin, von den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften finanzielle Leistungen zu erhalten. Die Deutsche Bischofskonferenz kündigte auf Anfrage an, sie wolle sich in den nächsten Tagen zu dem Thema äußern.

MHG-Studie der Bischofskonferenz und ForuM-Studie der EKD

Die vor fünf Jahren veröffentlichte MHG-Studie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und die ForuM-Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen. Ziel ist es jeweils, Umfang und Strukturen des Missbrauchs in katholischer und evangelischer Kirche zu ermitteln. Die Kirchen sind auch Auftraggeber der Studien.

MHG-Studie / © Harald Oppitz (KNA)
MHG-Studie / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA