DOMRADIO.DE: Wie lauten die wichtigsten Kernpunkte des neuen Gesetzes zur Vermögensverwaltung in den Pfarreien, das die fünf Bistümer in NRW erarbeitet haben?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW sowie stellvertretender Generalvikar im Bistum Münster): Bei dem neuen Gesetz geht es darum, dass wir dieses ursprünglich staatliche Gesetz aufheben und durch ein kirchliches Gesetz ersetzen. Das Wichtigste ist, dass der eigentliche Inhalt vom bisherigen staatlichen Gesetz in das kirchliche Gesetz überführt worden ist.
Das heißt vor allem, dass wir auch weiterhin in den Kirchengemeinden gewählte Gremien, Kirchenvorstände haben, die nicht nur beratendes Organ sind, sondern auch Beschlussrecht haben. Das heißt, der Kirchenvorstand ist das Gremium, das die Vermögensverwaltung regelt und zwar für alle Fragen des kirchlichen Vermögens in der Kirchengemeinde.
Ein Großteil des kirchlichen Vermögens insgesamt ist ja in Kirchengemeinden gebunden. Die Kirchengemeinden haben Grundstücke, Immobilien und Einrichtungen. Darüber befindet der Kirchenvorstand.
Das Wesentliche ändert sich auch gar nicht. Die gewählten Gremien wird es auch so wie bisher geben. Es gibt eine demokratische Wahl in den Kirchengemeinden, in denen diese Kirchenvorstände gewählt werden. Es ist uns zunächst einmal ganz, ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass es da keine Rechtsverkürzung gibt, weder für den Kirchenvorstand selbst noch für die Gläubigen in der Kirchengemeinde.
DOMRADIO.DE: Es gab Kritik von SPD und FDP an dem neuen Gesetz. Bisher seien die staatlichen Instanzen letztlich für die Belange der Kirchenvorstände verantwortlich gewesen, hieß es da. Nun würden die Bischöfe und die kirchlichen Behörden viel mehr Macht bekommen, weil sie nun im Zweifelsfall entscheiden müssten, wenn es Streit oder Unstimmigkeiten im Kirchenvorstand gebe.
Hamers: Nein, das stimmt so nicht. Es bleibt weiterhin so, dass der Kirchenvorstand das beschließende und das vertretende Organ ist. Es war auch bislang so, dass die kirchliche Behörde, sprich das Generalvikariat, manche Dinge genehmigen musste. Und das bleibt selbstverständlich auch so.
Wenn wir jetzt von einem staatlichen Gesetz zu einem kirchlichen Gesetz übergehen, dann wird der Diözesanbischof in seinem Bistum der Gesetzgeber. Das heißt, er setzt dieses Gesetz um. Rein theoretisch könnte der Bischof nun natürlich hingehen und sagen, man verändert die Rechtsposition des Kirchenvorstandes. Aber die fünf Bischöfe in NRW haben sich in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Ministerpräsidenten darauf verständigt, dass das so nicht erfolgt, sondern dass sie auch weiterhin daran festhalten wollen, dass es gewählte Gremien gibt, dass es gewählte Kirchenvorstände gibt, die eben nicht nur beraten, sondern auch beschließen.
Insofern wird es nicht zu einer Rechtsverkürzung kommen. Darauf haben sich die Bischöfe verständigt. Insofern besteht die Gefahr nicht.
DOMRADIO.DE: Aber die Kirchenvorstände können laut neuem Kirchenvorstandsgesetz in Zukunft auch durch das jeweilige Bistum entlassen werden. Das würde doch auch eine größere Machtfülle der Bischöfe bedeuten?
Hamers: Wenn den Kirchenvorständen grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen sind, wenn es zum Beispiel um eine schlechte Vermögensverwaltung geht oder wenn es darum geht, dass die Kirchenvorstände bestimmte Befangenheitsregeln nicht eingehalten haben, und wenn dadurch das Vermögen der Kirchengemeinde beschädigt werden könnte, dann kann bei solchen groben Pflichtverletzungen der Kirchenvorstand abgesetzt werden. Das stimmt. Das war aber auch schon vorher möglich. Die kirchliche Behörde hatte auch da die Möglichkeit, den Kirchenvorstand abzusetzen.
Das Problem liegt im innerkirchlichen Bereich, denn es gibt keine Verwaltungsgerichtsbarkeit, die eine gerichtliche Kontrolle durch das Bistum möglich macht. Deswegen muss es eine eigene Verwaltungsgerichtsbarkeit geben, die eine stärkere, auch gerichtliche Überprüfung von strittigen Entscheidungen der bischöflichen Oberbehörde ermöglicht. Das steht außer Frage, dass das ein wichtiger Punkt ist. Aber diesen Mangel gibt es bislang auch. Insofern ändert sich nichts.
DOMRADIO.DE: Das neue Kirchenvorstandsgesetz soll ehrenamtsfreundlicher und auch digitaler sein. Wie wird das umgesetzt?
Hamers: Das ist für uns sein ganz wichtiger Aspekt. Wir haben uns gefragt, wie ein solches Gremium heutzutage arbeiten kann. Dazu gehören zum Beispiel auch digitale Sitzungsformate, digitale Einladungen, auch veränderte Wahlmöglichkeiten, also eine digitale Wahl. Das war bislang so nicht möglich. Alles das ist heute mit dem neuen Gesetz möglich.
Jetzt kann man natürlich sagen, dann hätte man das alte Gesetz auch anpassen können. Das Problem dabei ist aber, dadurch, dass es ein staatliches Gesetz war, hätte jede Änderung immer wieder in den Landtag gemusst. Und das ist ein sehr langes und aufwendiges Verfahren.
Deswegen haben wir jetzt gesagt, wir nehmen dieses Gesetz aus der Verantwortlichkeit des Staates in die Verantwortlichkeit der Kirche, um auch dann zukünftig schneller auf Veränderungen reagieren zu können. Jetzt kann zum Beispiel auch digital eingeladen werden. Durch solche Möglichkeiten wird die Mitarbeit in diesem Gremium erheblich erleichtert.
DOMRADIO.DE: Die Kirchenvorstände sollen in Zukunft kleiner werden. Ist das sinnvoll, weil es ja auch immer schwerer fällt, überhaupt noch engagierte Kandidatinnen und Kandidaten für dieses Amt zu gewinnen?
Hamers: Ja, diese Verkleinerung ist geplant. Dazu kommt ein weiterer wichtiger Aspekt. Bislang galt das Ortsprinzip, das heißt, sie können nur dann in den Kirchenvorstand gewählt werden oder den Kirchenvorstand wählen, also das aktive und das passive Wahlrecht zum Kirchenvorstand ausüben, wenn sie in der jeweiligen Kirchengemeinde leben.
Aber auch das entspricht nicht mehr der Lebenswirklichkeit, besonders in Städten, wo Gläubige sich einer Kirchengemeinde zugehörig fühlen, in deren Territorium sie aber nicht wohnen, aber sich dort engagieren. Dort sollen sie dann auch die Möglichkeit haben, im Kirchenvorstand tätig zu werden. Das ist dann ähnlich wie beim Pfarrgemeinderat auch. Wir haben also das Territorialprinzip überarbeitet bzw. geöffnet.
DOMRADIO.DE: Nun hat es sehr lange gedauert, bis das neue Gesetz zur Verwaltung der Kirchenvermögen verabschiedet werden konnte. Warum hat das so lange gedauert?
Hamers: Wenn ein solches Gesetz erneuert werden soll, dann müssen sich die fünf Bistümer in NRW und die Justitiare, also die Rechtsverantwortlichen in den Bistümern einig sein. Die haben in den vergangenen Jahren wirklich hervorragende Arbeit geleistet, indem sie gemeinsam überlegt haben, wie ein solches Gesetz zukünftig aussehen kann. Wie können wir das, was sich bewährt hat, erhalten und gleichzeitig das, was an Neuerungen erforderlich ist, mit implementieren? Das war der erste Aspekt.
Der zweite Aspekt ist, dass sich die fünf Bistümer natürlich auch einig sein müssen. Die pastoralen Strukturen in den Bistümern verändern sich gerade enorm - in allen fünf Bistümern. Essen hat vor vielen Jahren schon damit angefangen, Kirchengemeinden zusammenzulegen, um größere Einheiten zu schaffen und der Prozess, der in Essen, in Münster und in Paderborn teilweise schon abgeschlossen ist, ist im Bistum Aachen und auch im Erzbistum Köln noch im Gange. Das heißt, wir müssen gucken, wie wir ein Gesetz schaffen können, das diesen unterschiedlichen Strukturen auch gerecht wird.
Der dritte Aspekt ist folgender: Bislang gibt es zwei Gremien. Es gibt einen Vermögensverwalter, das Gremium Kirchenvorstand und ein pastorales Gremium, den Pfarreirat. Wie können eventuell auch in Zukunft diese Gremien stärker miteinander zusammenarbeiten? In einigen Bistümern gibt es nur ein Gremium. Und auch da mussten die Bistümer überlegen, wie sie ein Gesetz so anlegen können, dass dann eventuell auch eine bessere Zusammenarbeit dieser beiden Gremien ermöglichen kann?
Schließlich gab es auch die öffentliche Diskussion, die Änderungsvorschläge und Kritik von engagierten Laien aus den Bistümern. Diese Kritik hat uns insbesondere im letzten Jahr noch mal sehr beschäftigt. Gerade aus einigen Gremien im Erzbistum Köln und auch aus dem Bistum Aachen kamen Vorbehalte im Blick auf die pastoralen Veränderungen, die in diesen Bistümern anstehen.
Da gab es die Sorge, ob die Laien auch zukünftig noch als Laien entsprechend gehört werden und welche Entscheidungsbefugnisse sie haben. Das hat noch einmal eine längere und intensivere Diskussion ausgelöst, sowohl innerkirchlich wie auch im politischen Bereich, also dann auch im Landtag. Alles das hat dazu beigetragen, dass dieser Prozess sehr lange gedauert hat.
DOMRADIO.DE: Wie geht es nun weiter? Wann tritt das neue Gesetz zur Vermögensverwaltung in Kraft?
Hamers: Wir gehen davon aus, dass es zum 1. November in Kraft treten kann. Das Gesetz ist nun verabschiedet und nun können die fünf Bistümer das staatliche Gesetz aufheben und für die Bistümer die fünf kirchlichen Gesetze in Kraft setzen.
DOMRADIO.DE: Also noch weit vor den nächsten Kirchenvorstandswahlen?
Hamers: Ja, wir haben extra die Kirchenvorstandswahlen in das nächste Jahr verschoben, weil wir gesagt haben, wir brauchen einen gewissen Vorlauf, um diese neuen Wahlkriterien vorzubereiten. Deswegen haben wir ganz bewusst die nächsten Wahlen sowohl für den Pfarreirat wie für für den Kirchenvorstand in das nächste Jahr verlegt.
Das Interview führte Johannes Schröer.