DOMRADIO.DE: Was bekommen Sie in Düsseldorf von der Wohnungsnot unter Studierenden mit?
Stefan Wißkirchen (Pfarrer der katholischen Hochschulgemeinde Düsseldorf): Man spürt sie an allen Ecken und Enden. Vor allem unser E-Mail-Postfach läuft mit Anfragen über, ob wir nicht ein Wohnheim oder Kontakte hätten. Wir versuchen Kontakte herzustellen, eigene Wohnungen oder eigene Zimmer haben wir leider nicht. Man spürt die große Not.
DOMRADIO.DE: Können Sie denn konkrete Hilfen anbieten, wenn jemand zu Ihnen kommt und nicht weiter weiß?
Wißkirchen: Die konkreteste Hilfe sind unsere guten Kontakte. Das ist unser größter Vorteil. Wir haben ein gutes Netzwerk in die Kirchen und in andere Organisationen hinein, die an der einen oder anderen Stelle helfen können. Es sind aber wirklich alle am Limit. Und selbst die Notschlafplätze laufen schnell voll.
DOMRADIO.DE: Was raten Sie denn?
Wißkirchen: Tröstlich ist, dass es irgendwann besser wird. Es ist auch so, dass nach ein paar Monaten viele Studenten schon aufgeben und dann wieder Wohnungen frei werden. Das ist natürlich keine schöne Botschaft, weil man weiß, dass diejenigen, die aufhören, häufig in größeren Problemen stecken. Viele der Studenten sind am Ende der Skala der Solidarität angekommen.
DOMRADIO.DE: Sie sind mit Ihrem Team derzeit auf dem Campus unterwegs, um sich vorzustellen und um mit den Studierenden in Kontakt zu kommen. Wie genau machen Sie das?
Wißkirchen: Das Wichtigste ist, dass wir wahrgenommen werden. Wir stehen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern da. Viele Studierende aus den letzten Semestern, die sich bei uns engagieren und gefunden haben, sind auch dabei.
4.500 Erstsemestler stehen hier in Düsseldorf vor der Tür und einige haben noch nie was von der katholischen Hochschulgemeinde gehört. Aber viele von denen finden dann auch bei uns eine Beratung, Begegnungen oder auch Gottesdienste. Wir müssen erstmal präsent sein.
Und für die, die vorbeikommen, gibt es ein schönes Präsent. Es war beispielsweise mal ein Flaschenöffner, dieses Jahr sind es viele unterschiedliche Dinge, die man als Studierender gut gebrauchen kann. Diese kleinen Geschenke sind oftmals Türöffner. Häufig ist aber auch ein Lächeln der erste Kontakt.
DOMRADIO.DE: Wenn es über diesen ersten Kontakt hinaus weitergeht, was können Sie als Hochschulseelsorger und als Hochschulgemeinde anbieten?
Wißkirchen: Wir stehen auf drei großen Säulen. In der Begegnung lernt man viele Studierende kennen. Das Schöne und das Besondere daran ist, dass man nicht im eigenen Studiengang gefangen ist. Eine Erfahrung, die Erstsemester häufig machen, ist, dass sie alle Chemiker kennen, darüber hinaus aber noch niemanden.
Die zweite Säule ist die Beratung. Wir versuchen in all den Situationen, die im Studium auf einen zukommen können, beratend zur Seite zu stehen.
Die dritte Säule ist unser Gottesdienst. Viele junge Leute suchen einen Gottesdienst, der ihnen angemessen ist, wo ihre Themen angesprochen werden.
DOMRADIO.DE: Was bekommen Sie denn von den Themen mit, die die Studierenden belasten?
Wißkirchen: Viele Studierende sind von sozialen und finanziellen Problemen geprägt. Laut neuer Untersuchungen sind 77 Prozent aller Studierenden zurzeit von Armut bedroht. Das ist der Wahnsinn, das sind drei Viertel.
Das ist kaum auszuhalten für unsere Gesellschaft, dass wir denen, die unsere Gesellschaft in der Zukunft stützen sollen, die Ausbildung so schwierig machen. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass der BAföG-Satz jetzt wieder erhöht wurde.
DOMRADIO.DE: Immer mehr junge Leute können mit der Kirche heute kaum noch was anfangen. Bemerken Sie diesen steten Abwärtstrend?
Wißkirchen: Bei uns gibt es tatsächlich einen anderen Trend. Bei uns wächst die Gemeinde. Die jungen Leute kommen ganz gerne hierher. Ich glaube, das liegt daran, dass sie hier finden, was man woanders vielleicht nicht mehr so finden kann. Sie finden eine Gruppe von jungen Leuten, bei denen sie sich wohlfühlen und angenommen werden und wo sie auch über ihre Sorgen und Nöte sprechen können und wo auch das Gute, was sie mitbringen, gewertschätzt wird.
Ich glaube, das wir das den jungen Leuten hier deutlich vermittlen, dass wir eine Hoffnung für sie und ihr Leben haben. Das ist etwas, was sie oft gar nicht mehr hören.
DOMRADIO.DE: Worauf freuen Sie sich persönlich in diesem neuen Wintersemester?
Wißkirchen: Es gibt zwei Dinge, auf die ich mich riesig freue. Das eine ist etwas Persönliches. Heute habe ich mich für die Seminare der Gastprofessorin Charlotte Knobloch angemeldet, weil ich da unbedingt hingehen möchte. Das ist eine faszinierende und tolle Frau, die ich gerne mal live erleben möchte.
Damit verbunden ist der zweite Wunsch und die große Hoffnung, dass ich dort vielen jungen Menschen der Universität und der Hochschulgemeinde begegne. Das ist jedes Jahr ein großes Geschenk.
Das Interview führte Hilde Regeniter.