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DOMRADIO.DE: Sir Kardinal. Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Anrede. Sie sind Ritter der britischen Krone und römisch-katholischer Kardinal. Das ist ziemlich ungewöhnlich, oder?
Sir John Kardinal Ribat (Erzbischof von Port Moresby, Papua-Neuguinea): Absolut, ich bin mir selber auch nicht sicher, welcher Titel eigentlich zuerst kommt. Das konnte mir bis jetzt noch niemand beantworten. Ich hatte schon die Ankündigung, dass ich von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen werden sollte, da kam völlig überraschend die Ernennung zum Kardinal. Ich habe also beides fast gleichzeitig bekommen.
DOMRADIO.DE: Was bedeuten diese zwei Ehrentitel denn für Sie?
Ribat: Das ist für mich eigentlich gleichbedeutend. Den Ritterschlag habe ich bekommen für mein Engagement gegen den Klimawandel in meiner Heimat. Eine Stimme der Betroffenen des Klimawandels zu sein. Aber auch dafür, dass ich mich im ökumenischen und interreligiösen Dialog engagiere.
Den Titel des Kardinals habe ich 2016 von Heiligen Vater verliehen bekommen. Das interessante ist: Wenn man zum Bischof ernannt wird, wird man vorab informiert. Der Vatikan fragt, ob man die Weihe auch annehmen würde. Beim Kardinal ist das anders. Der Nuntius hat das mir das gesagt und dann war das ausgemachte Sache.
DOMRADIO.DE: Ihre Heimat sieht für uns in Deutschland aus wie das perfekte Urlaubsparadies. Blaues Meer, Palmen, weißer Strand. Ist das ein Kulturschock, jetzt ins kalte, graue Deutschland zu kommen?
Ribat: Was mich wirklich überrascht hat, ist die Farbe der Blätter an den Bäumen. Das ist völlig neu für mich. Vorher habe ich den Begriff Herbst nur gehört, aber nie verstanden, was das heißt. Wir haben in meiner Heimat nur zwei Jahreszeiten: Regenzeit und Trockenzeit. Dass hier die Blätter ihre Farbe ändern, später abfallen und nur noch der nackte Baumstamm da steht, das ist für uns schwer begreiflich.
DOMRADIO.DE: Das ist ein großer Unterschied. Was uns verbindet, ist, dass unsere Länder beide unter dem Klimawandel leiden. Wir merken das durch Stürme und Fluten, in Ihrer Heimat gehen ganze Inseln im Meer unter. Was bedeutet das für Sie?
Ribat: Wir sind immer und überall umgeben vom Wasser. Nicht nur Papua-Neuguinea, sondern der ganze Pazifikraum. Sie in Europa erleben den Klimawandel anders, weil Sie eine große Landmasse sind. Für uns sind die Folgen viel direkter und immer präsent. Es stimmt, wir verlieren ganze Inseln an das Meer. Das ist eine ernste Frage für unsere ganze Gesellschaft, da wir den Klimawandel schlicht und einfach nicht ignorieren können.
Wir verlieren unsere Heimat. Unsere Küsten werden von den Überschwemmungen erodiert, gleichzeitig steigt der Meeresspiegel von unten konstant. Das größte Problem dabei ist, dass viele Inseln es schwer haben, Süßwasser zu produzieren. Durch den steigenden Pegel wird das Grundwasser versalzen. Wir merken das an den Anbaupflanzen, die beim Ernten total versalzen sind.
DOMRADIO.DE: Das ist also kein Problem der Zukunft, sondern heute schon nicht mehr zu ignorieren.
Ribat: In der Tat. Es sieht nicht gut aus. Wir fragen uns, was wir dagegen tun können, die Frage hat keine einfache Antwort. Immer häufiger sehen wir das Problem von Klimaflüchtlingen. Die Menschen können auf ihren Inseln nicht mehr leben und ziehen weiter auf größere Inseln. Aber auch die sind auf lange Sicht vor diesem Problem nicht sicher. Wir sind alle umgeben vom Wasser, das kann niemand aufhalten.
DOMRADIO.DE: Schauen wir auf das katholische Leben in Ihrem Land. Papua-Neuguinea hat zehn Millionen Einwohner, davon sind etwa ein Viertel katholisch. Wie ist bei Ihnen das Miteinander zwischen den Religionen?
Ribat: Das sieht ganz gut aus. Früher gab es immer wieder mal Probleme im Dialog. Wir haben es aber geschafft, aufeinander zu hören und uns gegenseitig Wertschätzung zu zeigen. Das betrifft nicht nur die Ökumene, sondern auch den Dialog mit Muslimen, Hindus und anderen Religionen. Wir leben zusammen und setzen uns gemeinsam für den Frieden ein.
Was uns sehr bewegt, sind die Kämpfe zwischen den Religionen im Mittleren Osten. Wir sprechen darüber viel mit den Muslimen bei uns im Land, um den Konflikt zu verstehen. Dieser Dialog ist uns sehr wichtig, auch um zu sehen, dass das Miteinander mit den Muslimen bei uns ganz anders aussieht. Wir setzen uns gemeinsam für den Frieden und zeigen gegenseitigen Respekt.
DOMRADIO.DE: Und da spielen auch die Religionsführer eine große Rolle. 2016 wurden Sie von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt, als erster Kardinal überhaupt aus Papua-Neuguinea. Franziskus legt sehr großen Wert darauf, Bischöfe aus marginalisierten Ländern in diesen Rang zu erheben. Merken Sie, dass das die Stimme der Katholiken aus Ihrer Heimat gestärkt hat?
Ribat: Das kann man sagen. Ich werde zu einer Stimme unserer Kirche, noch mehr als sonst. So hört man auch im Ausland mehr auf die Stimme unserer Kirche. Wir liegen an der Peripherie, weiter ab von den Machtzentren der Welt kann man kaum sein. Trotzdem hört die katholische Welt jetzt ein klein wenig auf unsere Wünsche und Nöte. Auch der Besuch des Heiligen Vaters hat da eine große Rolle gespielt. Dadurch fühlen wir uns mit der katholischen Welt sehr verbunden, egal wie viele tausend Kilometer wir von anderen entfernt sind.
DOMRADIO.DE: Sie werden auch voraussichtlich an der nächsten Papstwahl teilnehmen. Es gibt große Diskussionen, ob Franziskus mit den Kardinalsernennungen seine Nachfolge sichern will. 2013 sagte er zum Amtsantritt: Die Kardinäle mussten bis ans Ende der Welt, um einen neuen Papst zu finden. Sollte der nächste Papst auch vom Ende der Welt kommen?
Ribat: Ich habe schon rund um die Wahl von Papst Franziskus Gerüchte gehört, der nächste Papst könne aus Asien kommen. Es ist dann anders gekommen, aber trotzdem haben wir einen Papst "von den Rändern". Jetzt sehen die Gerüchte ähnlich aus, aber am Ende entscheidet der Heilige Geist, wer der nächste Papst wird.
Für mich wird es das erste Mal werden, dass ich an einem Konklave teilnehme. Deshalb kann ich noch gar nicht sagen, was ich davon erwarte. Wir müssen abwarten, was kommt. Das geht aber nicht nur mir so, es gibt viele neue Kardinäle, die diesen Prozess noch nicht kennen. Das wird also für viele sehr aufregend.
DOMRADIO.DE: Das ist ja auch Teil der Kritik an der Kardinalsauswahl von Franziskus. Wenn es so viele Kardinäle von allen Ecken der Welt gibt, kennen die sich untereinander gar nicht mehr, und wissen nicht, wen sie zum Papst machen sollen. Dieses Argument hört man immer wieder. Was denken Sie darüber?
Ribat: Natürlich, da ist was dran. Wir kennen uns kaum. Das wird eine der Herausforderungen beim Konklave, dass wir uns erst bei der Papstwahl so richtig kennenlernen werden.
DOMRADIO.DE: Im Moment tagt die Weltsynode in Rom und diskutiert über Reformen der Kirche. Hier in Deutschland sind Fragen zu Frauen, Homosexualität oder Laien von großer Bedeutung. Was wünschen sich die Katholiken aus Ihrer Heimat?
Ribat: Das sind ganz andere Themen. Für uns spielt der Klimawandel auch auf dieser Ebene eine große Rolle, zum Beispiel, wenn es um die Frage des Tiefseebergbaus geht. Das sind ganz neue Technologien, deren Konsequenzen wir noch gar nicht absehen können.
Die Frage der Frauen spielt bei uns auch eine große Rolle, aber anders als bei Ihnen. Wir müssen ihre Rolle in der Gesellschaft stärken, dass sie sicher und respektiert werden. Besonders alte Frauen fallen bei uns in einigen Regionen vermehrt Gewaltverbrechen zum Opfer, weil sie der Hexerei beschuldigt werden. Da versuchen wir auch als Kirche vor Ort eine Unterstützung zu sein, das ist ein wichtiges Thema.
DOMRADIO.DE: Sie sind auf Einladung des katholischen Hilfswerks missio zum Weltmissionsmonat Oktober in Deutschland. Was bedeutet Ihnen diese Unterstützung aus Deutschland?
Ribat: Dies ist nicht mein erster Besuch zum Weltmissionsmonat, das erste Mal war ich 2012 zum Weltmissionsmonat hier. Ich bin sehr fasziniert, wie die Kirche in Deutschland sich wirklich für die abgelegensten Ecken der Welt einsetzt. missio ist uns da eine große Hilfe, wenn es zum Beispiel um die Gesundheitsbildung geht.
Gerade mit Deutschland sind wir als Katholiken in unserer Heimat besonders verbunden, weil es damals deutsche Missionare waren, die uns den Glauben gebracht haben. In gewissem Sinne kann man sagen, dass ich dieses Geschenk mit meiner Reise wieder zurücktrage. Wir haben den gleichen Glauben – und das verbindet uns über Kontinente und Ozeane hinweg.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.