Bistum Aachen widerspricht Laien-Kritik an Missbrauchsaufarbeitung

Bistum begründet Vorgehen mit Sachzwängen

Die Kritik an der Missbrauchsaufarbeitung im katholischen Bistum Aachen reißt nicht ab. Die Laienvertretung wirft der Diözese mangelhaften Einsatz und "wohlfeile Lippenbekenntnisse" vor. Das Bistum verteidigt sein Vorgehen.

Der Aachener Dom vor grauem Wolkenhimmel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Der Aachener Dom vor grauem Wolkenhimmel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der sexuelle Missbrauch im Bistum Aachen wird aus Sicht der dortigen Laienvertretung mangelhaft aufgearbeitet. "Wohlfeile Lippenbekenntnisse zum menschlichen Anstand helfen hier nicht weiter. Die Empörung in der Öffentlichkeit zeigt, dass Taten folgen müssen, um neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen", erklärte der Diözesanrat am Montag. Kritisiert wird insbesondere, dass das von Bischof Helmut Dieser geleitete Bistum als erste Diözese in Deutschland auf Verjährung bestanden hat, um die Klage von zwei Missbrauchsbetroffenen auf Schmerzensgeld abweisen zu lassen. Das Bistum weist die Vorwürfe zurück.

"Die Einrede der Verjährung ist für den Diözesanrat nur die Spitze eines Eisbergs bei einer mangelhaften Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen", erklärte der Rat. Die Kirche trage für sexualisierte Gewalt und ihre Folgen moralische Verantwortung. Es zeuge aber von Verantwortungsvergessenheit, mit der Einrede eine hohe Entschädigungszahlung zu vermeiden.

Bistum mit Gegendarstellung

Das Bistum weist den Vorwurf gegen Bischof Dieser und die Diözese zurück. Der Bischof sei kirchenrechtlich verpflichtet, bei Zahlungen über 100.000 Euro den Vermögensrat und das sogenannte Konsultorenkollegium anzuhören. Die geforderten Schmerzensgelder fielen in diesen Bereich. "Beide Gremien hatten dafür votiert, die Einrede der Verjährung zu erheben", sagte eine Bistumssprecherin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Mit der Einrede sei zudem das Angebot eines Mediationsverfahrens verbunden worden, dem aber Gericht und Kläger zustimmen müssen. Das Aachener Gericht habe die Mediation aber aus Personalgründen nicht anbieten können.

Eine Sprecherin des Landgerichts wies diese Darstellung zurück. Das Verfahren sei nicht zur Mediation an einen Güterichter gegangen, weil schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung Möglichkeiten einer gütlichen Einigung besprochen worden seien.

Weiterhin kritisierte der Diözesanrat, dass das Bistum Aachen vier Jahre nach Veröffentlichung des Aachener Missbrauchsgutachtens zentrale Analysen der Gutachter nicht nachvollzogen habe. Die systemischen Ursachen von Missbrauch seien bei den strukturellen Neuordnungen im Rahmen des Reformprozesses "Heute bei dir" nicht berücksichtigt worden. Konkret werde klerikale Macht im Bistum eher verfestigt als aufgeteilt. Damit werde die wichtigste Lehre aus dem Missbrauchsgutachten nicht umgesetzt, «dass Klerikalismus und andere Überhöhungen im kirchlichen Alltag Räume für spirituelle und sexualisierte Missbrauchstaten öffnen».

Bistum reklamiert laufende Aufarbeitung

Auch dieser Einschätzung widerspricht das Bistum: Gremien wie der Diözesanrat seien laufend in Aufarbeitungsprozesse eingebunden. "Außerdem gab es auf Wunsch der diözesanen Räte im vergangenen November eine Synodalversammlung, die sich ausschließlich mit dem Thema Aufarbeitung befasst hatte", so die Sprecherin. Auch mit unabhängigen Gremien sei das Bistum in regem Austausch. Sich aus dem Missbrauchsgutachten ergebende Aufgabenstellungen seien konsequent umgesetzt worden, etwa durch eine Neuausrichtung der Priesterausbildung, Schutzkonzepte oder eine Stärkung von Frauen in Schlüsselpositionen des Bistums.

Der Betroffenenrat im Bistum Aachen ruft wegen der Einrede der Verjährung für den 18. November zu einer Demonstration gegen das Bistum auf dem Aachener Münsterplatz auf. Im Juli waren die Klagen der beiden Missbrauchsbetroffenen vom Landgericht Aachen abgewiesen worden. Beide Kläger wollen in Berufung gehen. Beim Oberlandesgericht Köln beantragten sie Prozesskostenhilfe. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Quelle:
KNA