Vize des Jüdischen Weltkongresses kritisiert leere Floskeln

"Wenn es drauf ankommt, bedeuten sie nichts"

"Nie wieder" - in diesen beiden Wörtern sehen nicht wenige Juden eine Floskel, die, wenn es drauf ankommt, aus ihrer Sicht keine Folgen hat. Ein hoher jüdischer Repräsentant sagt, er erwarte von Deutschland viel mehr.

Eine schmutzige Kippa liegt in einer Pfütze / © Harald Oppitz (KNA)
Eine schmutzige Kippa liegt in einer Pfütze / © Harald Oppitz ( KNA )

Der geschäftsführende Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, Maram Stern, beklagt Floskeln im Zusammenhang mit dem Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. "Ich bin schon lange genervt von diesen Floskeln. Ich höre sie tagein, tagaus. Wenn es drauf ankommt, bedeuten sie nichts", sagte Stern im "Zeit"-Interview (Donnerstag). "Ich erwarte als Deutscher von Deutschland viel mehr." Er nannte den Stopp von Geld, "das als Hilfe für Kriegsopfer gedacht ist, aber bei der Hamas ankommt".

Stern äußerte sich in der Debatte um eine Antisemitismus-Resolution, auf die sich die Ampelfraktionen und die Union im Bundestag nach einem Jahr Streit kürzlich geeinigt hatten. Sie trägt den Titel "Nie wieder ist jetzt - Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken".

"Die Hilferufe kommen täglich bei mir an"

Die Resolution soll an diesem Donnerstag beraten und beschlossen werden. Der jetzt gefundene Kompromiss bleibt jedoch weiterhin umstritten. Kritiker befürchten eine Einschränkung der Meinungs-, Kunst-, Wissenschafts- und Versammlungsfreiheit - insbesondere, wenn es um Kritik an Israel geht.

Mit Blick auf grassierenden Antisemitismus nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 betonte Stern, dass fast jede jüdische Gemeinde weltweit derzeit Angst habe. "Deutschland behauptet zwar, hier seien Juden sicher, aber das stimmt nicht. Die Hilferufe kommen täglich bei mir an."

Antisemitismus in Deutschland

Antisemitische und antiisraelische Straftaten nehmen in Deutschland wieder zu. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden unter anderem 434 Fälle von Volksverhetzung, 15 Gewaltdelikte sowie 70 Fälle, die Sachbeschädigung betreffen, gezählt. Weitere Delikte betreffen etwa die Störung der Totenruhe oder Nötigung. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden von deutschen Staatsangehörigen verübt. Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. 312 von 339 Tatverdächtigen waren Deutsche.

Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
KNA