DOMRADIO.DE: War das Ergebnis der Wahl für Sie überraschend?
Claudiu Nicusan (Mitarbeiter der griechisch-katholischen Erzdiözese Alba-Iulia-Făgăras und Direktor des rumänischen "RadioBlaj"): Ja, sehr überraschend. Viele Menschen wollten wohl einfach gegen das alte System stimmen, ohne genau zu überlegen, wer Călin Georgescu ist und was er vertritt. Das zeigt, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen, bevor man wählt.
DOMRADIO.DE: Wer ist denn dieser Călin Georgescu? Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Nicusan: Georgescu hat viele mit seiner nationalistischen Sprache und seinen Fürsprechern erreicht. Er gibt den Menschen das Gefühl, dass er gegen die alten Strukturen kämpft und dass er einfache Lösungen hat. Meiner Meinung nach reicht das nicht, um ein guter Kandidat zu sein.
DOMRADIO.DE: Er schmückt sich oft mit Bibelzitaten. Wie steht denn die orthodoxe Kirche zu ihm und zu seiner Religiosität?
Nicusan: Wie sie sich zu ihm verhält, ist nicht ganz klar. Bisher hat sie zu ihm noch nichts Konkretes gesagt. Aber es stimmt: Georgescu redet viel über traditionelle Werte, verwendet auch religiöse Zitate oder Zitate aus der Bibel. Aber ob er wirklich christliche Werte vertritt, ist fraglich. Seine Verbindung zu Russland macht es für die Kirche auch nicht einfach.
DOMRADIO.DE: Inwiefern?
Nicusan: Georgescu ist ein radikaler Politiker mit gefährlichen Ansichten. Er ist zum Beispiel Anhänger von Corneliu Zelea Codreanu, dem Führer der Eisernen Garde, die eine extrem rechte, antisemitische Bewegung in Rumänien war. Das zeigt, dass er spaltet, anstatt zu vereinen. Diese Gruppe war stark antisemitisch und nationalistisch. Sie gab vor, an orthodoxe christliche Werte zu glauben, so wie Georgescu das jetzt auch tut, sie hasste Minderheiten und wollte eine autoritäre Regierung.
In allen Interviews, die er jetzt im Fernsehen macht, lobt er Codreanus Führung, obwohl die Eiserne Garde gewalttätig war und politische Morde und Angriffe auf Juden begangen hat. Codreanu ist heute ein Symbol für Extremismus und Intoleranz. Ich als rumänischer Bürger kann niemanden wählen, der so ein Vorbild hat. Und dann ist da auch noch seine Nähe zu Russland.
DOMRADIO.DE: Rumänien ist in der NATO. Wie gefährlich ist denn diese Nähe gegenüber Putin und Russland?
Nicusan: Das ist ein Problem. Rumänien ist ein wichtiger Teil der NATO, und die Front verläuft auch vor unserer Grenze, nur wenige Kilometer entfernt. Seine Aussagen könnten das Vertrauen der Verbündeten beschädigen. Es ist schwer zu sagen, wie sicher unser Platz in NATO mit einer politischen Person wie Georgeescu ist.
DOMRADIO.DE: Die Situation ist angespannt, das Land scheint auch gespalten zu sein. Welche Rolle kann da die griechisch-katholische oder die katholische Kirche in diesem Zusammenhang spielen?
Nicusan: Sie kann den Gläubigen zeigen, wie wichtig Demokratie, wie wichtig Respekt und die Rechte aller Menschen sind. Sie könnte deutlich machen, besonders vor dem zweiten Wahlgang am 8. Dezember, warum es wichtig ist, Kandidaten zu wählen, die diese Werte unterstützen.
Die Kirche kann natürlich nicht einfach einen Kandidaten vorstellen oder die Menschen mal schnell überzeugen. Aber sie kann einen Kandidaten beschreiben oder mindestens eine Orientierung für Demokratie, Respekt und die Rechte aller Menschen geben.
DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie das ein? Wird Ceausescu gewinnen?
Nicusan: Das wird spannend. Die Gegenkandidaten Elena Lasconi ist nicht perfekt, aber sie steht klar für Europa und die NATO. Es liegt jetzt an den Menschen, ob sie für Stabilität und eine demokratische Zukunft stimmen oder nicht. Ich kann nur sagen, wie ich wähle: Klar für Europa und für ein demokratisches Leben. Ich will nicht allein sein, falls jemand aus dem Osten an unsere Türe klopft.
Und wenn ich hier eine Nachricht mitgeben darf: Als griechisch-katholischer Gläubiger und überzeugter Liberaler glaube ich an die Werte von Demokratie, Respekt und Toleranz. Unsere Stimmen sind mehr als nur ein Zeichen der Unzufriedenheit. Sie sind eine Entscheidung für die Zukunft unseres Landes.
Ich würde Kandidaten wählen, die für Europa, für NATO und für die Rechte jedes Einzelnen stehen. Lassen wir uns von den Herausforderungen nicht entmutigen, sondern verwandeln wir sie in eine Chance für ein besseres und geeignetes Rumänien.
Das Interview führte Johannes Schröer.