Der CDU-Politiker Hubert Hüppe kritisiert den gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Nach Ansicht des ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sind ebenjene die gesellschaftliche Gruppe, die am meisten diskriminiert wird.
"Niemand muss aufgrund seines Geschlechts, seiner Herkunft oder seiner Religion in eine Sondereinrichtung; das gibt es nur für Menschen mit Behinderungen", sagte der Bundestagsabgeordnete der in Würzburg erscheinenden katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost" (Donnerstag).
Hüppe äußerte sich zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember. Nachdem Deutschland 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert habe, habe es einen regelrechten Inklusions-Schub gegeben, führte Hüppe aus. Mit der Ratifizierung hatte Deutschland sich verpflichtet, bestehende Sonderstrukturen für Menschen mit Behinderungen abzubauen.
Mittlerweile hätten sich die Sonderstrukturen aber wieder durchgesetzt. "Südtirol hat von heute auf morgen alle Sonderschulen abgeschafft und alle Ressourcen in die Inklusion gesteckt", erklärte er. In Deutschland hingegen würden sogenannte "Schutzräume für Menschen mit Behinderungen" aufgebaut, um Betroffene vor Nichtbehinderten zu schützen.
Inklusion vor und nach der Geburt
"Ich frage mich, wer schützt sich eigentlich vor wem? Sind es nicht oft mehr die Berührungsängste der Nichtbehinderten?", kritisierte Hüppe. Kinder mit Behinderungen müssten die Chance haben, zusammen mit nichtbehinderten Kindern aufzuwachsen. "Klar ist: Einmal Sonderwelt, immer Sonderwelt. Wer Menschen von Anfang an nicht trennt, muss sich nicht mehr anstrengen, sie mit teuren Maßnahmen zusammenzuführen." Menschen mit und ohne Behinderungen hätten oft nicht gelernt, miteinander umzugehen.
Er befürchte, dass bei einer Aufhebung des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen mehr ungeborene Kinder mit Behinderungen abgetrieben würden, sagte der Politiker weiter. Inklusion müsse allerdings vor wie nach der Geburt stattfinden: "Ich kann keiner Frau sagen: 'Lass bitte Dein Kind mit Down-Syndrom nicht abtreiben, aber bitte bilde Dir nicht ein, dass das Kind hinterher in unseren Kindergarten und in unsere Schule darf'."
Mehr Inklusion in der Kirche
Auch die Kirche müsse inklusiver werden, forderte Hüppe. Sie müsse "als Erste vorangehen. Dennoch ist die Kirche der Hauptträger von Werkstätten und anderen strukturellen Sondereinrichtungen." Es brauche auch inklusive katholische Schulen und inklusivere Gottesdienste. "Zum Beispiel gibt es zwar Gehörlosengottesdienste, aber eben auch nur für Gehörlose. Wenn aber ein Gehörloser an einer Taufe eines verwandten Kindes teilnehmen will, bleibt er ausgeschlossen."