Zentralrat der Muslime wünscht mehr Miteinander nach Magdeburg

"Es liegt in unserer Verantwortung"

Magdeburg schockiert auch Muslime in Deutschland. Der Interimsvorsitzende des Zentralrats der Muslime spricht über die Folgen des Anschlags, seine Hoffnungen für eine Gesellschaft und seinen Blick auf Weihnachten.

Autor/in:
Moritz Dege
 Abdassamad El Yazidi / © Peter Förster (dpa)
Abdassamad El Yazidi / © Peter Förster ( dpa )

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat tiefe Wunden hinterlassen. Fünf Menschen kamen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt. Während Deutschland trauert, blickt Abdassamad El-Yazidi, Interimsvorsitzender des Zentralrats der Muslime, auf die tiefgreifenden gesellschaftlichen Folgen. "Es ist erschütternd, wie sich antimuslimischer Rassismus in Deutschland entwickelt hat. Diese Tat hat uns erneut vor Augen geführt, wie gefährlich es ist, wenn Hass und Hetze Platz in der Mitte der Gesellschaft finden."

Im Gespräch mit DOMRADIO.DE fordert El-Yazidi, dass Politik, Medien und Gesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen, um den wachsenden antimuslimischen Rassismus einzudämmen. "Es ist nicht allein die Aufgabe der Muslime, gegen diese Art von Menschenfeindlichkeit zu kämpfen. Es ist eine Aufgabe für uns alle."

Die doppelte Belastung der muslimischen Gemeinschaft

El-Yazidi beschreibt, wie sich die muslimische Gemeinschaft in Deutschland häufig in einer schwierigen Lage befindet: "Wenn ein muslimischer Täter eine Tat begeht, wird unsere gesamte Gemeinschaft unter Generalverdacht gestellt. Man verlangt von uns nicht nur Verurteilung, sondern eine Distanzierung, als ob eine Verbindung zu diesen Tätern bestünde. Solche Forderungen sind verletzend und entmenschlichend."

Doch wenn Muslime selbst Opfer von Gewalt werden, bleibe die gesellschaftliche und politische Reaktion oft aus. "Der Täter in Magdeburg war kein Muslim, sondern ein bekannter Islamhasser, der über Jahre hinweg Hetze in sozialen Medien betrieben hat – ohne, dass etwas unternommen wurde. Das macht uns Angst und zeigt, wie salonfähig antimuslimischer Rassismus inzwischen geworden ist."

Laut El-Yazidi hat die Bundesregierung zwar Maßnahmen ergriffen, etwa durch die Einsetzung einer Expertengruppe zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit, doch die Ergebnisse würden weder ausreichend diskutiert noch umgesetzt. "Eine 400-seitige Studie voller konkreter Empfehlungen verstaubt auf einer Webseite. Wir brauchen eine ernsthafte Debatte und mutige Schritte, um diese Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen."

Politik und Medien in der Pflicht

Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl mahnt El-Yazidi an, dass Religion und insbesondere die muslimische Gemeinschaft nicht länger nur im Kontext von Extremismus thematisiert werden dürfen. "In vielen Wahlprogrammen taucht der Islam nur als Problem auf. Es ist erschreckend, wie wenig Wertschätzung unsere Gemeinschaft erfährt. Wir leisten so viel für dieses Land – das sollte sich auch in der politischen Debatte widerspiegeln."

Er fordert von allen demokratischen Parteien, sich klar gegen Hass und Hetze zu positionieren und die muslimische Gemeinschaft als integralen Teil der Gesellschaft anzuerkennen. "Die Muslime in Deutschland sind nicht nur Mitbürger, sondern Mitgestalter unserer Demokratie. Das muss sich auch im politischen Diskurs widerspiegeln."

Religion als Ressource für Zusammenhalt

Für El-Yazidi spielt Religion eine zentrale Rolle, um Brücken zu bauen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. "Religiöse Gemeinschaften haben das Potenzial, Werte wie Toleranz, Mitgefühl und Solidarität zu fördern. Wir müssen als Muslime offen bleiben für den Dialog und Vorurteile abbauen – das tun wir bereits seit Jahren durch Initiativen wie 'Meine Stimme zählt', bei der wir Muslime zur politischen Partizipation aufrufen."

Doch auch die Politik müsse mehr tun, um den Dialog zu fördern. "Es braucht mehr Unterstützung für Bildungsinitiativen, die den interreligiösen Dialog stärken. Der Islamische Religionsunterricht an Schulen ist ein wichtiger Schritt, um jungen Menschen Wertschätzung und Anerkennung zu zeigen – und gleichzeitig Vorurteile abzubauen."

Eine Botschaft der Hoffnung zur Weihnachtszeit

Trotz der schwierigen Lage bleibt El-Yazidi optimistisch. Für ihn ist die Weihnachtszeit eine Gelegenheit, innezuhalten und den Fokus auf das Gemeinsame zu legen: "Weihnachten erinnert uns daran, dass wir als Gesellschaft Verantwortung füreinander tragen. Egal, ob wir Christen, Juden, Muslime oder Atheisten sind – wir teilen die gleichen Werte von Mitmenschlichkeit und Respekt."

Er ruft dazu auf, eine Allianz gegen Hass und Hetze zu bilden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. "Wir müssen gemeinsam gegen die Ewiggestrigen stehen, die unser Land spalten wollen. Es liegt an uns allen, die Demokratie zu schützen und unsere Werte zu verteidigen."

El-Yazidi sieht auch in der muslimischen Gemeinschaft eine Verantwortung: "Wir dürfen uns nicht abschotten, sondern müssen den Dialog suchen und aktiv mitgestalten. Denn nur so können wir Vorurteile abbauen und die Zukunft positiv gestalten."

Verantwortung für die Gesellschaft

Abdassamad El-Yazidi macht deutlich, wie wichtig es ist, sich Hass und Hetze entschieden entgegenzustellen. Seine Botschaft zur Weihnachtszeit ist ein Appell an die Verantwortung jedes Einzelnen: "Unsere Demokratie lebt von Vielfalt und Zusammenhalt. Lassen Sie uns daran arbeiten, diese Werte zu bewahren – für eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seinen Platz hat."

Mit Blick auf die Bundestagswahl ruft er dazu auf, genau hinzuschauen, welche Parteien sich für den Schutz aller Bürgerinnen und Bürger einsetzen. "Die Zukunft unseres Landes liegt in unseren Händen. Nutzen wir diese Chance, um ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Respekt zu setzen."

Quelle:
DR