Benin feiert die alte Religion Voodoo

Rückständig und altmodisch, jetzt Touristenspektakel

Rund um den Jahreswechsel häufen sich im westafrikanischen Benin die Feiertage. Der wohl ungewöhnlichste wurde am 10. Januar begangen: der Voodoo-Tag. Jetzt gibt es einige Änderungen für das Fest mit seinen zahlreichen Touristen.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Benin: Viele Menschen sind Anhänger der Voodoo-Religion / © N.N. (KNA)
Benin: Viele Menschen sind Anhänger der Voodoo-Religion / © N.N. ( KNA )

Es sind gute Nachrichten für Arbeitnehmer im westafrikanischen Benin. Nicht nur der 10. Januar ist ein offizieller Feiertag. Auch der 9. Januar ist arbeitsfrei, wie Arbeitsministerin Adidjatou Mathys laut beninischer Medien am Montagmorgen bekanntgab. Die Botschaft ist deutlich, denn sie zeigt, welche Bedeutung die Regierung von Patrice Talon dem Feiertag für traditionelle Religionen - so heißt der Voodoo-Tag offiziell - mittlerweile zumisst.

Hauptschauplatz ist wie jedes Jahr der Strand von Ouidah 40 Kilometer westlich der Wirtschaftsmetropole Cotonou. Dort finden vom 9. bis zum 11. Januar zum zweiten Mal die Voodoo-Tage statt. Es gibt Konzerte, Umzüge, eine offizielle Feier sowie die Möglichkeit, Einblicke in Zeremonien zu erhalten. In aller Regel finden diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Voodoo ist zwar in Benin wie Christentum und Islam auch eine anerkannte Religion; doch es war lange verpönt, sich offiziell zu ihr zu bekennen.

Voodoo lieber im Verborgenen praktizieren

Das machen knapp zwölf Prozent der gut 14 Millionen Einwohner. Die tatsächliche Zahl dürfte weitaus höher liegen, denn vor allem Christen - etwa jeder zweite Beniner gehört einer christlichen Kirche an - praktizieren oft beide Religionen, Voodoo jedoch im Verborgenen. Weniger Überschneidungen gibt es mit dem Islam, der stärker im Norden verbreitet ist. Voodoo-Praktizierende leben hingegen vor allem im Süden.

Frauen singen und tanzen gemeinsam beim Voodoo-Tag / © Katrin Gänsler (KNA)
Frauen singen und tanzen gemeinsam beim Voodoo-Tag / © Katrin Gänsler ( KNA )

Doch auch Muslime übernehmen Traditionen, die mit Voodoo in Verbindung stehen. Dazu gehört Radji Saïbou aus Porto Novo, der sich als Generalsekretär der Organisation "Religion für den Frieden" für den interreligiösen Dialog einsetzt. Der Muslim betont: "Bei wichtigen Lebensfrage konsultiere ich das Fa-Orakel. Das ist kein Widerspruch."

Viele Interpretationen anstelle schriftlicher Quellen

Fa-Orakel, Mamiwata oder Revenants, die Geister des Todes: Wer nicht mit der Religion großgeworden ist, für den sind schon viele Begriffe verwirrend. Dazu kommt, dass es keine schriftlichen religiösen Quellen gibt, dafür aber viele Interpretationen, die mitunter schon von einem Dorf zum nächsten abweichen.

Das Wort Voodoo stammt aus der Sprache Fon und bedeutet Geist oder Gottheit. Der Schöpfergott heißt Mawu-Lisa. Er ist jedoch laut der Überlieferung zu weit entfernt, um mit ihm zu kommunizieren. Deshalb nehmen Gläubige Kontakt über seine Kinder auf. Je nach Vorstellung werden sie als Heilige, Gottheiten oder göttliche Wesen bezeichnet. Vielen werden, ähnlich wie bei Schutzheiligen in der katholischen Kirche, besondere Eigenschaften zugesprochen. Der Gottheit Mamiwata werden beispielsweise Opfergaben gebracht, wenn eine Frau nicht schwanger wird. Dabei ist genau geregelt, welche Getränke welche Gottheit mag und welche Farben die Opfergaben haben müssen.

Über den Sklavenhandel gelangte die Religion bis nach Haiti. Traditionell besuchen viele Menschen aus Haiti Benin anlässlich der Voodoo-Feierlichkeiten, auch um nach ihren Wurzeln zu suchen oder mehr über die Familiengeschichte zu erfahren.

Langes Wochenende für Feierlichkeiten

Touristen stehen längst im Zentrum der Voodoo-Tage. Seit dem Ende der Corona-Pandemie wächst die Besucherzahl. Längst gibt es spezielle Reiseangebote, und einmal pro Jahr sind Hotels und Restaurants in Ouidah proppenvoll. Um ausgiebig zu feiern, entschied die Nationalversammlung Mitte des Jahres außerdem, dass der Voodoo-Tag künftig am zweiten Freitag im Januar gefeiert wird, was ein langes Wochenende garantiert.

Die Feiern am Strand von Ouidah, von dem aus einst Sklavenschiffe in Richtung Amerika ablegten, finden aber auch bei Beninern Anklang. Die Religion galt lange als altmodisch und rückständig, verbunden mit einer riesigen Portion Angst, dass durch Zeremonien womöglich Geister geweckt werden, die Schaden anrichten können.

Über die Voodoo-Tage kam auch Lucrece Tossou erstmals mit dem Glauben ihrer Vorfahren in Kontakt. Zur öffentlichen Feier am Strand zu gehen, war viel leichter als zu einer Zeremonie. "Ich wollte mir das unbedingt ansehen. Mit Voodoo hatte ich bisher nichts zu tun. Ich bin Christin", sagt sie. Gefallen habe ihr das Fest dennoch. Zu Voodoo gehören auch Tänze und viel Musik.

Fa-Orakel für wichtige Entscheidungen

Voodoo, das betonen Priester und jene, die mit der Religion aufgewachsen sind, ist jedoch viel mehr als ein großes Fest. Nur wenige Kilometer entfernt in Adjarra an der Grenze zu Nigeria lebt Achedyi Ados. Er machte zunächst eine Ausbildung zum Schneider - bis das sogenannte Fa-Orakel entschied, dass er Voodoo-Priester werden solle, als Nachfolger seines Vaters. Für das Orakel werden Kaurimuscheln in den Sand geworfen, die ein Bokonon, ein Medium, anschließend interpretiert.

Heute empfängt Achedyi Ados Menschen, die vor Entscheidungen stehen und alleine nicht mehr weiter wissen. Diskretion ist wie bei Ärzten und Psychologen für ihn selbstverständlich. Die Kunden kommen zu ihm, wenn sie etwa Ratschläge für ihre Ehe brauchen. Ados ist überzeugt: "Voodoo zeigt auch jenen den Weg, die in ihrem Beruf nicht erfolgreich sind." Voodoo ist für ihn vor allem eins: eine wichtige Handlungsanweisung für das eigene Leben.

Quelle:
KNA