Kölner Domorganist nimmt Versagen der Henrichs-Figur locker

"Der Propst ist wohl ein bisschen eingerostet"

Im Gottesdienst zur Sessionseröffnung für Kölns Karnevalisten wird traditionell das "Loss Jonn"-Register der Orgel gezogen. Doch in diesem Jahr versagte die Technik, was für Domorganist Winfried Bönig eine peinliche Überraschung war.

Autor/in:
Uta Vorbrodt
Screenshot: Domregister mit Jeck / © domradio.de (DR)
Screenshot: Domregister mit Jeck / © domradio.de ( DR )

DOMRADIO.DE: Ökumenischer Gottesdienst in Köln für Närrinnen und Narren im Kölner Dom: Sessions-Einsegnung. Alle Welt wartet gespannt auf DEN einen Moment. Herr Bönig, was ist das für ein Moment, auf den alle warten? 

Kölner Domorganist Professor Winfried Bönig / © Tomasetti (DR)
Kölner Domorganist Professor Winfried Bönig / © Tomasetti ( DR )

Winfried Bönig (Domorganist im Kölner Dom): Normalerweise freut man sich als Musiker darauf, wenn alle Augen und Ohren auf einen warten, dass man was spielt. Aber das hat sich dann als eine ziemlich peinliche Nummer erwiesen. Es wechselte von "sehr schön" auf "peinlich".

DOMRADIO.DE: Dröseln Sie uns das mal auf. Worum geht es und was ist dieses berühmte "Loss Jonn"-Register?

Bönig: Das "Loss Jonn"-Register erinnert an Dompropst Bernard Henrichs. Unter dessen Ägide ist die Schwalbennestorgel gebaut wurde. Das Register ist ein kleines Gimmick, das die Firma da untergebracht hat. Es ist eine Geste als kleiner Dank für die Unterstützung des Dompropstes, der immer für Scherze zu haben war. Wenn das Register gespielt wird, sieht man eigentlich eine kleine Henrichs-Figur, mit einer Narrenkappe, die aus der Orgel herauskommt. Und dann spielt die Orgel die Melodie von "Mer lasse de Dom in Kölle". Die Melodie hat die Orgel gestern noch gespielt, aber der Henrichs kam nicht heraus. Deswegen war es peinlich.

Winfried Bönig

"Da gibt es eine Verschalung, die geht auf und dann kommt der Dompropst da raus."

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie sitzen an der Orgel, drücken auf einen bestimmten Knopf und dann kommt diese Figur aus der Orgel und die spielt eine Melodie? 

Bönig: Ja, genau. Da geht eine Klappe auf. In der Orgel ist ein Motor, der die Klappe aufmacht. Und diese Figur ist gar nicht so klein. Dieser Kopf ist lebensgroß und der befindet sich an der Unterseite der Orgel. Da gibt es eine Verschalung, die geht auf und dann kommt der Dompropst da raus. Und das kann ich mit einem Knopf machen.

Die Schwalbennestorgel hängt seit 1998 über dem Mittelschiff des Domes / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Schwalbennestorgel hängt seit 1998 über dem Mittelschiff des Domes / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Und das funktioniert ein bisschen wie eine Spieluhr. Die Figur kommt heraus, dreht an etwas und dann ertönt die Melodie. Und Sie sitzen da oben und denken sich: Jetzt ist die Zeit für "Mer losse de Dom in Kölle" und das "Loss Jonn"-Register und drücken den Knopf. 

Bönig: Gestern habe ich das Register sogar noch ausprobiert, vor dem Gottesdienst. Ich war mir meiner Verantwortung den Karnevalisten gegenüber natürlich sehr bewusst. Ich habe aber nur die Melodie gehört und dachte deswegen, dass das Register funktioniert. Von dort, wo ich sitze, kann ich nicht sehen, ob die Klappe aufgeht. Dass die Klappe nicht aufgehen würde, damit habe ich nicht gerechnet.

Winfried Bönig

"Ich kann ja auch nicht dahinkrabbeln und schauen, ob ich die Klappe aufkriege."

DOMRADIO.DE: Und im Gottesdienst haben Sie nicht gesehen, dass die Klappe nicht aufgeht, oder? Was haben Sie dann gemacht? 

Bönig: Ich habe nur gehört, dass Domdechant Kleine ins Mikrofon sagte: "Na, jetzt wird es gleich schon aufgehen." Meiner Rechnung nach hätte sie aber schon längst auf sein müssen. Ja, was habe ich gemacht? Ich habe dumm aus der Wäsche geguckt. Natürlich. Was soll ich denn machen? Ich kann ja auch nicht dahinkrabbeln und schauen, ob ich die Klappe aufkriege. Das geht ja nicht.

DOMRADIO.DE: Und wie ist es dann weitergegangen? Nachdem der Herr Domdechant gesagt hat, dass die Klappe sicherlich gleich aufgeht?

Bönig: Er machte schon eine kleine Andeutung. Er sagte: "Wenn es funktioniert, erscheint gleich der Dompropst Henrichs." Diese kleine Einschränkung hat er gemacht. Geklappt hat es dann aber nicht. Und dann gab es einen kleinen Wink an die Kapelle, damit sie das Lied spielen. Das hat die auch gemacht.

Winfried Bönig

"Das hört man eigentlich nur am Karnevalssonntag, und da bin ich eigentlich nie in der Kirche."

DOMRADIO.DE: Dieses Register wird auch nicht so häufig benutzt, oder? 

Bönig: Das hört man nur am Karnevalssonntag, und da bin ich eigentlich nie in der Kirche. Da bin ich eigentlich immer unterwegs. Jahrelang war ich zum Gottesdienst nicht da und ich weiß nicht, ob die Kollegen kontrollieren, ob der Dompropst herauskommt. Er wurde wahrscheinlich zu wenig benutzt. Man muss wahrscheinlich feststellen, dass der Propst eingerostet ist.

DOMRADIO.DE: Wird nach dieser Katastrophe von gestern dann direkt der Orgelbauer angerufen? Oder was passiert jetzt?

Bönig: Genau das habe ich gemacht. Ich habe gleich Bescheid gesagt, noch am Abend in der Werkstatt, bei einem Mitarbeiter und ich habe gesagt, dass es nicht funktioniert hat. Der hatte dann gleich die Vermutung, dass bei dem Gestänge was nicht funktioniert. Das ist ein Garagentormotor. Das ist dasselbe Prinzip wie bei einer Garagentür und dieses Garagentürdings hat eben nicht funktioniert. Ob da jetzt ein Tropfen Öl fehlt, oder ob es einfach eingerostet ist, muss man jetzt rauskriegen. Da wird natürlich massiv nachgeforscht. Das ist klar.

Winfried Bönig an der Orgel / © Beatrice Tomasetti (DR)
Winfried Bönig an der Orgel / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Das ist ja auch ein sehr emotionaler und erwartungsvoller Moment. Jeder guckt hoch zur Orgel. Sie haben sonst keine Möglichkeit zu reagieren? Sie haben kein Mikrofon, mit dem Sie das hätten auffangen können und sagen: "Ich drücke jetzt nochmal" oder so?

Bönig: Nein, ich würde auch nicht in den Gottesdienst mit Worten eingreifen. Man hat die Melodie ja gehört. Man hat gehört, dass da was läuft, aber gesehen, dass da was nicht richtig funktioniert. Ich habe da oben ein Mikrofon. Das ist für diesen Kantorengesang, wenn der Kantor während der Messe Psalmen singt, aber da würde ich jetzt nicht mit meiner Stimme in den Gottesdienst reinsprechen. Nach einer Weile war es ja auch klar, dass das nicht funktioniert. Dann ist es eben so. Da kann man nichts machen und dann läuft es eben weiter; dann hat eben die Kapelle gespielt und dann war es auch, glaube ich, vergessen. 

Winfried Bönig

"Ich war in der Sakristei und na klar, alle haben gefragt: Was war denn los?"

DOMRADIO.DE: Sind Sie nach dem Gottesdienst von irgendwem angesprochen worden?

Bönig: Ich war in der Sakristei und na klar, alle haben gefragt: Was war denn los? Was war? Und so weiter. Ich war nicht im Dom bei den Karnevalisten, aber in der Sakristei haben wir natürlich darüber gesprochen. Der ganze Dom hat darauf gewartet. Alle schauen nach oben und da kam nichts und das ist blöd, aber da kann man nichts machen.

DOMRADIO.DE: Hat es möglicherweise auch was mit den Temperaturen im Dom zu tun? Dass der Dompropst nicht rausgeklappt ist?

Bönig: Dafür ist es noch nicht kalt genug. Als ich angefangen habe im Dom zu arbeiten- das ist ja jetzt auch schon ein paar Jährchen her - da gab es noch diese richtig kalten Winter. Da hatte es null Grad und da ist das Weihwasser am Eingang eingefroren, so kalt war es. Das hatten wir schon lange nicht mehr, dass es so eine richtige Grabeskälte gab. Davon war das noch weit entfernt. Da oben bei der Orgel ist es ja sowieso wärmer als unten. Vielleicht so ein oder zwei Grad. Nein, eingefroren kann er nicht sein. Eingerostet kann er sein.

DOMRADIO.DE: Und jetzt kommt Öl auf den Garagentormotor. Was haben Sie für eine Prognose für den Karnevalssonntag?

Bönig: Bis dahin muss das wohl gemacht sein. Da muss man hinterher sein. Dann können wir ja auch noch mal darüber sprechen.

DOMRADIO.DE: Gibt es da irgendeinen Code, den man drücken muss, damit man da nicht aus Versehen mal draufdrückt, irgendwann zwischendurch im Jahr?

Bönig: Genau. Es gibt zwei Dinge an der Orgel, die man nicht sofort einschalten kann. Nur dann, wenn man Bescheid weiß. Das sind die Trompeten, im Westen über dem Eingang, diese lauten Fanfaren. Und das "Loss Jonn"-Register. Da geht es auch darum, dass einer nicht versehentlich im Gottesdienst mal drauf drückt und auf einmal der Propst erscheint. Ein Fremder, der weiß ja nicht, was heißt "Loss Jonn"-Register? Und dann drückt der da drauf und schaut mal, was passiert. So einen Code gibt es. Damit der nicht ständig heraushüpfen muss, der Propst. Deswegen ist das gesperrt worden.

Winfried Bönig

"Ich habe dann nochmal telefoniert, mit der Werkstatt, und habe nachgefragt."

DOMRADIO.DE: Und den Code haben Sie natürlich im Kopf. 

Bönig: Ja, das haben wir ja am Nachmittag noch geprobt. Ich habe dann noch mal mit der Werkstatt telefoniert und gefragt: "Wie ist das mit dem Code?" Ich habe ja gesagt, ich habe das lange nicht mehr gemacht und mir war das nicht mehr ganz klar mit dem Prozedere und dann habe ich mich da erkundigt. Und dann hat es der Herr Henrichs geschafft, dass ich doch dumm dastehe.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR