Auch wenn etwa 95 Prozent der Katholiken in Deutschland sonntags lieber zu Hause bleiben als die Heilige Messe in einer der Kirchen mitzufeiern, so gilt nach wie vor die Sonntagspflicht.
Grundgelegt ist diese in einer langen Tradition, die von der Urkirche herrührt und von der das Zweite Vatikanische Konzil schreibt, dass an diesem Tag des Herrn, an dem die Kirche das Pascha-Mysterium feiert, die Christgläubigen zusammenkommen müssen, "um das Wort Gottes zu hören, an der Eucharistiefeier teilzunehmen und so des Leidens, der Auferstehung und der Herrlichkeit des Herrn Jesus zu gedenken und Gott dankzusagen" (Sacrosanctum Concilium 106). Andere Feiern sollten dem Sonntag nicht vorgezogen werden, wenn sie nicht wirklich von höchster Bedeutung sind. Der Herrentag sei "Fundament und Kern des ganzen liturgischen Jahres".
Bischofskonferenzen können modifizieren
Neben dem Sonntag gibt es aber noch weitere kirchlich gebotene Feiertage – eben jene "von höchster Bedeutung" –, an denen der Kirchgang für Katholiken Pflicht ist. Dazu zählen laut Kirchenrecht Weihnachten, Erscheinung des Herrn, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam sowie die Marienhochfeste der Gottesmutter (Neujahr), ihrer Unbefleckten Empfängnis und ihrer Aufnahme in den Himmel. Weiter aufgezählt werden noch die Heiligenhochfeste Josef, Peter und Paul sowie Allerheiligen (Can. 1246 § 1 CIC).
Die Bischofskonferenzen haben jedoch die Möglichkeit, in Abstimmung mit dem Heiligen Stuhl einige dieser gebotenen Feiertage aufzuheben oder auf einen Sonntag zu verlegen (§ 2). Ein bekanntes Beispiel ist das Hochfest Christi Himmelfahrt, welches in Italien in Ermangelung eines gesetzlichen Feiertags auf den Sonntag darauf verlegt wird.
Geprägte Sonntage verdrängen auch Hochfeste
Was aber passiert, wenn nicht der Sonntag dem Feiertag weicht, sondern umgekehrt? Unter den Sonntagen des Kirchenjahres ragen die meisten geprägten – die der Advents-, Fasten- und Osterzeit – in besonderer Weise heraus und stehen im liturgischen Rang zum Teil höher als viele Hochfeste. Im vergangenen Kalenderjahr war das Hochfest Mariä Empfängnis, das immer in die Adventszeit fällt, von einer Sonntagskollision betroffen und wurde daher auf den nachfolgenden Montag verlegt.
Die Bischöfe in den USA, wo das Hochfest zu den Feiertagen mit Pflicht zum Kirchgang zählt, hatten entschieden, dass die Gläubigen sowohl am Sonntag als auch am Montag die Heilige Messe mitfeiern müssen.
Offensichtlich hat diese Vorgehensweise in anderen Ländern Fragen aufgeworfen, denn am 24. Januar veröffentlichte das Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung eine am Vortag von Arthur Kardinal Roche unterzeichnete offizielle Note in italienischer, spanischer, französischer und portugiesischer Sprache. Demnach entfällt die Verpflichtung zum Kirchgang an einem gebotenen Feiertag, der durch einen Sonntag verdrängt und verschoben worden ist.
Frage nach Sinnhaftigkeit der Note
Es lässt sich darüber spekulieren, ob das Dokument nun als Korrektur der Entscheidung der US-Bischöfe zu verstehen ist. Es wirft aber auch die Frage auf, warum es nicht in englischer Sprache erschienen ist. Überhaupt stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Note: Sie scheint es den Gläubigen ersparen zu wollen, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in die Heilige Messe gehen zu müssen. Doch genau das müssen die Gläubigen auch nach dieser Note tun, wenn ein Hochfest, das zugleich gebotener Feiertag ist, auf einen Samstag oder auf einen Montag fällt.
Für die Katholiken in Deutschland ist die jüngste Veröffentlichung des Dikasteriums ohne Relevanz. In der Partikularnorm Nr. 15 der Deutschen Bischofskonferenz zu Can. 1246 § 2 CIC wird festgehalten, dass Mariä Empfängnis – wie auch die Hochfeste des heiligen Josef sowie Peter und Paul – in keiner deutschen Diözese ein gebotener Feiertag ist. Hochfestlich begangen werden muss es natürlich.
Liturgische Ordnungswidrigkeit
Wiederum eine andere Lösung haben hinsichtlich des Hochfests Mariä Empfängnis Länder wie Italien und Österreich gefunden. In beiden Ländern ist der 8. Dezember ein gesetzlicher Feiertag und ermöglicht somit eine Gottesdienstordnung wie an Sonntagen. Fällt der Tag aber nun auf einen der Adventssonntage, hat das Hochfest hier Vorrang.
Diese liturgische Ordnungswidrigkeit, dass ein geprägter Sonntag im höheren Rang durch ein Hochfest im niedrigeren Rang verdrängt wird, hängt eben mit dem gesetzlichen Feiertag zusammen und der Gewohnheit, an diesem Tag frei zu haben. Denn anders als es manche Gewerkschaften fordern und wie es auch die liturgische Ordnung der Kirche vorsieht, wird das Hochfest hier nicht verschoben und der Montag ist wieder ein normaler Arbeitstag.
Daher kann die Note nur so verstanden werden, dass es den Gläubigen nicht zuzumuten ist, an einem regulären Arbeitstag zum Gottesdienstbesuch verpflichtet zu werden.