In Berlin geht das Ringen um eine neue Regierung weiter

Warten auf schwarz-roten Rauch

Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen Union und SPD gibt es noch einige offene Punkte, auch kirchliche Themen spielen eine Rolle, berichtet Anna Mertens, Hauptstadtkorrespondentin der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Autor/in:
Tobias Fricke
Markus Söder, (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender, und SPD-Fraktionsvorsitzender sowie Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, nehmen an einer Pressekonferenz nach den Sondierungsgesprächen von Union und SPD im Bundestag teil. / © Michael Kappeler (dpa)
Markus Söder, (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender, und SPD-Fraktionsvorsitzender sowie Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, nehmen an einer Pressekonferenz nach den Sondierungsgesprächen von Union und SPD im Bundestag teil. / © Michael Kappeler ( (Link ist extern)dpa )

DOMRADIO.DE: Die Koalitionsverhandlungen sind in der heißen Phase, könnte man sagen. Wie ist der aktuelle Stand?

Anna Mertens, KNA-Hauptstadtkorrespondentin (privat)
Anna Mertens, KNA-Hauptstadtkorrespondentin / ( privat )

Anna Mertens (Hauptstadtkorrespondentin der Katholischen Nachrichten-Agentur): Die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen, an denen etwa 250 Parteipolitiker gearbeitet haben, liegen seit letzter Woche vor. Seit vergangenem Freitag sind die Hauptverhandler, also die Parteivorsitzenden, am Werk. Und da gibt es noch einiges zu tun. Wie Friedrich Merz sagte, gebe es noch große Brocken, denn teilweise hätte in den Arbeitsgruppe das Prinzip "Wünsch dir was" vorgeherrscht. Es geht jetzt darum, zu schauen, was finanzierbar und realisierbar ist. Aber der Wille, zu einem Ergebnis zu kommen, ist da - das hört man auch von der SPD. Es gab auch Lob für diesen Willen zur Einigungen, etwa vom Deutschen Caritasverband. 

Heute gab es erste Nachrichten, dass klar sei, wer welchen Ministerposten bekommen soll. Auch über Zuschnitte der Ministerien. Es ist aber wahrscheinlich noch ein bisschen früh, das wirklich zu sagen. 

DOMRADIO.DE: Steht denn etwas zu Kirchen und Religionen in den Ergebnissen der Arbeitsgruppen? 

Mertens: Ja, man findet etwas, aber nicht sehr viel. Es gibt das grundsätzliche Bekenntnis zu den Kirchen und die Aussage, dass sie zum Gemeinwohl beitragen. Die Kirchen werden also wertgeschätzt. Auch der interreligiöse Dialog und die Religions- und Weltanschauungsfreiheit, sowohl national als auch international, sollen weiter gefördert werden. Also Bekenntnisse zu den Dingen, die es bereits in der Gesellschaft gibt und die fortgeführt werden sollen. 

Es ist aber zum Beispiel noch offen, ob das Amt des Bundesbeauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit weiterhin vergeben wird und er in der schon gestarteten Legislaturperiode seine Arbeit fortsetzen kann. Denn die Union möchte sehr viele dieser Bundesbeauftragten einsparen und ihre Anzahl halbieren. 

Die SPD hat beispielsweise noch einen Passus, in dem sie das Arbeitsrecht der Kirchen reformieren möchte. Da geht es unter anderem um das Streikrecht oder Sanktionsmöglichkeiten bei Tarifflucht. Das ist aber etwas, was sie bereits in der letzten Legislaturperiode im Koalitionsvertrag stehen hatten und was letztlich ergebnisoffen geblieben ist. 

DOMRADIO.DE: Sind ethische Themen bei den Verhandlungen gerade auch noch strittig?

Mertens: Ja, unter anderem hat die SPD hier teils umfassende Forderungen und es ist anzunehmen, dass die Union diese nicht alle mitträgt. Zum Beispiel geht es um die Frage, wie mit Schwangerschaftsabbrüchen umgegangen wird. Und um die Möglichkeit, diese, anders als bislang, komplett außerhalb des Strafrechts zu regeln. Das war auch in der vergangenen Legislaturperiode ein strittiges Thema und wird mit der Union wahrscheinlich nicht durchkommen. 

Die SPD möchte darüber hinaus auch eine Reform des Abstammungsrechts. Dabei geht es zum Beispiel um Mehrelternschaft. Dann gibt es auch einen relativ allgemeinen Passus zur Organspende, wo es eigentlich nur heißt, dass die Zahl erhöht und die Voraussetzungen verbessert werden sollen. Ich denke, gerade bei diesen strittigen Punkten ist es ist sehr fraglich, ob das letztlich im gemeinsamen Koalitionsvertrag mit der Union drinsteht. 

DOMRADIO.DE: Dann ist noch die Abschaffung des Entwicklungsministeriums im Gespräch. Das bedeutet aber nicht, dass Entwicklungshilfe komplett eingestellt wird, oder?

Mertens: Nein, das bedeutet es auf keinen Fall. Es gibt hier einen Vorschlag von CDU/CSU, das bestehende Entwicklungsministerium ins Auswärtige Amt zu integrieren. Das ist kein neuer Vorschlag. Vor allem die FDP war vor Jahren sehr daran interessiert. Damals ist der Vorschlag nicht durchgekommen. Die Union möchte aber Entwicklungshilfemittel deutlich kürzen. Das ist etwas, was die SPD so nicht mittragen möchte. 

Es gibt nämlich eine international vorgeschriebene Quote, die sogenannte ODA-Quote, wonach 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufgebracht werden sollen. Die SPD möchte daran festhalten. Und es gab für diesen Vorschlag der Union auch sehr viel Kritik von den Kirchen und namhaften Politikern. Auch ehemalige Entwicklungsminister haben gesagt, dass es keine gute Idee ist, gerade in diesen Zeiten bei der Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen. 

13. März 2013 - weißer Rauch über der Sixtina (dpa)

DOMRADIO.DE: Friedrich Merz hatte sich nach der Wahl gewünscht, dass bis Ostern eine Regierung steht. Wie sieht es aus: Wie ist die Stimmung zwischen den Verhandlern? 

Mertens: Am Freitag, als die Parteispitzen gemeinsam vor die Presse getreten sind, schien die Stimmung ganz gut zu sein. Es wurde mehrfach betont, dass das Vertrauen zwischen den Verhandlern in den Gruppen, aber auch bei der Parteispitze gewachsen sei. Und es ist in der Tat so, dass definitiv der Wille erkennbar ist, zu einem Ergebnis zu kommen. Das sagt auch die SPD ganz offen. Es gibt aber viele Wünsche und nicht so viel Geld, denn trotz des Sondervermögens ist das Geld endlich. Und am Ende, das betonen beide Seiten, muss eben das Ergebnis für beide Seiten stimmen. 

Ein ganz schönes Bild hat Markus Söder, CSU-Chef, gestern gemalt: Er sagte, es sei ein bisschen wie bei einem Konklave. Am Ende muss es keinen weißen, sondern schwarz-roten Rauch geben. Und auf den müssen wir jetzt warten. Ob das bis Ostern klappt, werden wir sehen. 

Das Interview führte Tobias Fricke. 

FDP-Fraktionschef will Entwicklungshilfe effizienter machen

Eine Zusammenlegung von Entwicklungsministerium und Auswärtigem Amt könnte Entwicklungshilfe nach Worten von FDP-Fraktionschef Christian Dürr effizienter machen. Damit reagierte er auf einen Vorstoß aus seiner eigenen Fraktion. "Mittelfristig kann das absolut Sinn machen", sagte Dürr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch in anderen EU-Staaten sei die Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium angesiedelt.

Entwicklungshilfeprojekt in Ruanda / © Jesko Johannsen (dpa)

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