Totenschändung in Afghanistan: Kirchenvertreter äußern sich besorgt

Jung verspricht rasche Aufklärtung

Die Bundesregierung will den Skandal um die mutmaßliche Totenschändung durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan rasch aufklären. Das versicherte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Donnerstag vor dem Bundestag in Berlin und kündigte zugleich harte Konsequenzen gegen die Beteiligten an.

 (DR)

Die Bundesregierung will den Skandal um die mutmaßliche Totenschändung durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan rasch aufklären. Das versicherte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Donnerstag vor dem Bundestag in Berlin und kündigte zugleich harte Konsequenzen gegen die Beteiligten an. Unterdessen konnten sechs Tatverdächtige ermittelt werden, von denen zwei noch im aktiven Dienst stehen. Ihnen droht die Entlassung. Der katholische Militärbischof Walter Mixa macht fehlende Gottesfurcht für die Taten verantwortlich. Ein gläubiger Mensch tue so etwas nicht, sagte der katholische Geistliche der "Berliner Zeitung". Mixa rief die Militärseelsorger auf, künftig noch stärker auf die ethische und sittliche Verantwortung der Soldaten einzuwirken.

Jung: "Gerechte Strafe" für Täter
Den Soldaten wird vorgeworfen, 2003 in Afghanistan mit einem Totenschädel in teilweise obszönen Posen gespielt zu haben. Fotos des Vorfalls waren am Mittwoch in der „Bild"-Zeitung veröffentlicht worden. Zwei der vom Verteidigungsministerium identifizierten Soldaten gehören noch der Bundeswehr an, mindestens einer der Berufssoldaten stammt aus dem bayerischen Gebirgsjägerstandort Mittenwald. Hier ermittelt bundeswehrintern der Wehrdisziplinaranwalt. Jung betonte, die Täter sollten ihrer „gerechten Strafe" zugeführt werden. Für die aktiven Soldaten gelte: „Wer sich so verhält, der hat in der Bundeswehr keinen Platz."

Dieser Einzelfall dürfe jedoch nicht zu einer Generalverdächtigung gegen jene 200. 000 Bundeswehrsoldaten führen, die bislang in Auslandseinsätze gegangen seien. Sie hätten sich korrekt verhalten und das Ansehen der Bundesrepublik gestärkt.


Mixa: "Fehlende Gottesfurcht" führte zu Schändung in Afghanistan
Der katholische Militärbischof Walter Mixa hat "mit Entsetzen und Abscheu" reagiert und sich zugleich gegen vorschnelle Verurteilungen gewandt. Er hält fehlende Gottesfurcht für eine mögliche Ursache der Taten. Ein gläubiger Mensch tue so etwas nicht, sagte der katholische Geistliche der "Berliner Zeitung". Mixa rief die Militärseelsorger auf, künftig noch stärker auf die ethische und sittliche Verantwortung der Soldaten einzuwirken.

Zugleich warnte Mixa vor einer pauschalen Verurteilung der Bundeswehr. Der Vorfall stelle eine absolute Ausnahme dar. Die deutschen Soldaten leisteten hervorragende Arbeit in Afghanistan und würden von der einheimischen Bevölkerung respektiert. Im ZDF-Morgenmagazin forderte Mixa auch eine bessere Vorbereitung der Truppe auf Auslandseinsätze. Er habe den Eindruck, dass junge Soldaten zum Teil nicht mehr "die innere, klare Einstellung" hätten, um sich angemessen in einem Konfliktgebiet zu verhalten.

Evangelischer Militärbischof verurteilt mutmaßliche Totenschändungen
Auch der evangelische Militärbischof Peter Krug hat die mutmaßlichen Totenschändungen scharf verurteilt. „Ich bin entsetzt und traurig, wie schändlich dort mit dem Respekt vor den Toten und deren Angehörigen umgegangen wird", sagte er am Donnerstag in Oldenburg. Die Vorfälle seien nicht hinnehmbar. Die Militärseelsorge werde solche Fälle durch mehr Seelsorge oder lebenskundlichen Unterricht für Soldaten letztlich aber nicht verhindern können.

Auch Krug betonte, dass es sich um Einzelfälle handeln müsse. Die Militärseelsorge stehe in engem Kontakt mit den Verantwortlichen der Bundeswehr. Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass die Vorfälle typisch für die Grundhaltung von Soldaten seien. „Das Ansehen der Bundeswehr darf durch diesen ungeheuerlichen Vorgang nicht in Misskredit gebracht werden", sagte Krug. Der oldenburgische Landesbischof ist im Nebenamt Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Diese Entgleisung dürfe nicht auf die Militärseelsorge abgewälzt werden. Mehr Unterricht könne menschliche Defizite nicht wettmachen.
Die Forderung nach mehr Lebenskunde-Unterricht war unter anderem vom Reservistenverband der Bundeswehr und von katholischen Seelsorgern erhoben worden.


Bischof Huber: "erschütternde Begleiterscheinungen"
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, verurteilte die Handlungen. Diese seien aber keine unausweichliche Folge von Auslandseinsätzen, sondern „erschütternde Begleiterscheinungen". Huber sprach sich für die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan aus, mahnte aber grundsätzliche Kriterien friedenspolitischer und friedensethischer Verantwortung an.

Militärdekan: Seelsorger stehen beschuldigten Soldaten bei
Militärseelsorger sind nach den Worten des evangelischen leitenden Militärdekans Ulrich Brates bereit, beschuldigten Soldaten beizustehen. Die deutschen Soldaten, die der Leichenschändung in Afghanistan verdächtigt würden, stünden unter gewaltigem psychischen, disziplinar- und strafrechtlichen Druck, sagte Brates am Mittwoch in Mainz dem epd. Soldaten in einer Krisenregion befänden sich in einer Ausnahmesituation.

Menschen handelten in Ausnahmesituationen manchmal anders als im Alltag, unabhängig davon, ob sie Soldaten oder Zivilpersonen seien, sagte Brates. Die Militärseelsorger behandelten im ethischen Unterricht intensiv die Fragen nach Tod und Sterben sowie den Umgang mit fremden Kulturen. Aber der Einfluss der Seelsorger sei begrenzt.

Friedensbewegung zieht Parallelen zu Abu Ghoreib
Auch in der Friedensbewegung wurden die Bilder mit Empörung aufgenommen. Die Vorgänge erinnerten in fataler Weise an „ähnliche Untaten der US-Armee im Irak", erklärte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag in Kassel. Mit der Transformation der Bundeswehr in eine „Armee im Einsatz" sei ein neuer „Geist" in die Truppe eingezogen. Die Friedensorganisation bekräftigte ihre Forderung, den deutschen Einsatz in Afghanistan zu beenden.