Leuchtreklamen blinken um die Wette, eine Bar reiht sich an die nächste, aus den Läden schallt Musik. Durch enge Straßen schieben sich Touristenströme auf der Suche nach einem passenden Souvenir. Nur einige Schritte weiter herrscht andächtige Stille. Hier erhellt der Schein unzähliger Kerzen die Nacht in Lourdes, dem südfranzösischen Marienwallfahrtsort am Fuß der Pyrenäen. Eine Gruppe italienischer Pilger stimmt gemeinsam ein Marienlied an. Auch hier bleiben Touristen stehen - und fallen in den Gesang mit ein.
Es ist die Zeit der Soldaten. In farbenprächtigen Uniformen marschieren die Truppen durch die Straßen, begleitet von der Musik ihrer Heerescorps. Die militärisch laute Atmosphäre schlägt jedoch um, wenn die Truppen den "Heiligen Bezirk" erreichen. Hier, rund um die Grotte im Felsen Massabielle, wo dem Hirtenmädchen Bernadette vor gut 150 Jahren die Jungfrau Maria erschienen sein soll, werden die Soldaten still.
"Eine ganz intensive Erfahrung"
"Nachts die Grotte zu besuchen, wenn dort absolute Ruhe herrscht, das ist eine ganz intensive Erfahrung", sagt Sergej Schander. Der 20-Jährige aus Freyung bei Passau ist gemeinsam mit sieben Kameraden nach Lourdes gepilgert. "Als ich von der Wallfahrt gehört habe, war für mich sofort klar, dass ich teilnehmen will", erzählt Sergej. In seiner evangelischen Heimatgemeinde betreut er Jugendliche, die sich auf die Konfirmation vorbereiten. "Religion spielt für mich eine wichtige Rolle", sagt er. "Ich glaube zwar nicht alles, was in der Bibel steht. Aber es gibt im Alltag immer wieder Momente, die mit dem Gott zu tun haben."
Gemeinsam mit seinen Kameraden ist Sergej der lebende Beweis für das, was Militärgeneralvikar Walter Wakenhut, der die Soldaten anstelle des zurückgetretenen Militärbischofs Mixa begleitet, "echte ökumenische Gemeinschaft" nennt. Sie mache den "Charme der Wallfahrt" aus. Neben einigen katholischen Soldaten zählt auch Richard Kukshaus, ein russisch-orthodoxer Christ, zur Truppe aus Freyung. "Das macht hier in Lourdes überhaupt keinen Unterschied", sagt Kukshaus. "Es ist einfach wunderschön, die vielen Kameraden aus allen Nationen zu sehen, die gemeinsam beten."
So wie er nehmen viele Soldaten den religiösen Aspekt der Wallfahrt sehr ernst. Der 20-jährige Patrick Adrien Scheller, der während eines feierlichen Gottesdienstes, an dem alle 700 deutschen Soldaten teilnehmen, getauft und gefirmt wird, ist sich sicher, dass Religion und Glaube besonders für Soldaten im Auslandseinsatz eine wichtige Rolle spielen. "Für die Kameraden im Einsatz ist der Glaube ein wichtiger Halt. Sie verlieren oft ihre gesamte Lebensbasis, verlassen Freunde und Familie, wenn sie ins Ausland gehen", sagt er.
Die beste Zeit ist die Nacht
Davon kann auch Annabelle Oechsler berichten. Sie gehört zur KFOR-Truppe und ist seit Januar im Kosovo im Einsatz. Zwar steht ihre Familie hinter ihr. Trotzdem gab es für sie während des Einsatzes auch schwere Momente. "Der erste Eindruck vom Kosovo war einfach traurig", sagt sie. "Vieles ist zerstört, man spürt überall die Nachwirkungen des Krieges." In Lourdes begeistert sie vor allem die Gemeinschaft mit anderen Soldaten aus allen Nationen. "Es ist toll, hier mit so unterschiedlichen Menschen zusammen zu sein", sagt sie.
Die beste Zeit für dieses Zusammensein ist in Lourdes die Nacht. Bei Bier und Wein kommen die Soldaten in der Stadt oder im Zeltlager miteinander ins Gespräch, feiern und tanzen gemeinsam zu den Klängen irischer Dudelsäcke. "Man muss sich das mal überlegen", sagt Oechsler. "Vor 70 Jahren wäre das doch alles überhaupt nicht möglich gewesen. Da hätten wir uns hier gegenseitig die Köpfe eingeschlagen."
Die Soldatenwallfahrt nach Lourdes
Laute Spelunken und eine stille Grotte
Rund 14.000 Armeeangehörige aus über 30 Nationen nahmen an der an Pfingstmontag zuende gegangenen Soldatenwallfahrt in Lourdes teil, aus Deutschland rund 700 gemeinsam mit Militärgeneralvikar Walter Wakenhut die kleine Stadt. Gegensätze bestimmten in den vergangenen Tagen das Bild. Aus Lourdes berichtet Inga Kilian.
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