Baden-Württembergs Ministerpräsident blickt dem Katholikentag entgegen

Der doppelte Kretschmann

Winfried Kretschmann ist beim Katholikentag in doppelter Hinsicht Gastgeber: Als baden-württembergischer Ministerpräsident und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken freut sich der Grünen-Politiker auf die fünf Tage von Mannheim.

 (DR)

KNA: Herr Ministerpräsident Kretschmann, an welchen Veranstaltungen des Katholikentages wollen Sie teilnehmen, worauf freuen Sie sich?

Kretschmann: Auf den Eröffnungsgottesdienst, die Konzilsgala, die an die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnert, weil es bei meiner religiösen Entwicklung eine überragende Rolle gespielt hat, und auf den biblischen Impuls, den ich geben darf.



KNA: Erhoffen Sie sich auch gesellschaftspolitische Impulse, wie sie in der Vergangenheit von einigen Katholikentagen ausgingen?

Kretschmann: Ja, wenn auch keine spektakulären. Solche Kirchentage sollen uns ja zur Mission in einer modernen säkularen Gesellschaft befähigen können. Allerdings sehe ich die Kirche in einer schwierigen Situation - wenn ich schon allein an den Priestermangel denke. Ich erwarte mir deshalb, dass der initiierte Dialogprozess offen geführt wird und dass die Hierarchie dann auch darauf hört. Dialog macht nur Sinn, wenn nicht von vornherein feststeht, was rauskommen darf und was nicht. Ich wünsche mir, dass meine Kirche nicht - was sie gerne tut - Kritik als Illoyalität auffasst, sondern als Besorgnis begreift.



KNA: Welche konkreten Ergebnisse halten Sie beim Dialogprozess für möglich?

Kretschmann: Was umgesetzt wird, entscheidet bei uns nun einmal die Hierarchie. Aber das Wort der vielen engagierter Laien - und für die ist ein Katholikentag das Forum - sollte mit dem Herzen und nicht nur mit den Ohren gehört werden.



KNA: Damit ist für Sie klar, dass Reformen notwendig sind.

Kretschmann: Ecclesia semper reformanda. Die Kirche kann nur stark und mitten in der Gesellschaft präsent sein, wenn sie ihren Glauben zeitgenössisch verbreitet. Der Impuls des Konzils, das für meine Kirche epochal war, muss wieder aufgenommen werden. Wir sind als Kirche nicht nur für uns selber da, sondern für die Menschen und die Welt.



KNA: Den Entweltlichungs-Appell des Papstes verstehen manche anders.

Kretschmann: Ich bin nicht der Exeget des Papstes. Aber ich habe die Rede so verstanden, dass die Kirche durchaus in der Welt wirken soll. Das ist auch der Auftrag von Jesus Christus. Doch die Kirche muss in ihrer Botschaft authentisch bleiben und darf nicht einem gefälligen Zeitgeist hinterher rennen. Sie muss den Glauben zeitgenössisch machen. Und zwischen Zeitgeist und Zeitgenossenschaft besteht ein gewaltiger Unterschied.



Das Gespräch führte Michael Jacquemain.