Ausstieg aus der Atomenergie wird zum Wahlkampfthema - SPD-Vordenker Eppler im domradio-Interview

Zurück, marsch, marsch, Genossen?

Der Wahlkampf ist eröffnet: Nachdem Erhard Eppler am Wochenende angedeutet hatte, dass die SPD einer Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken unter bestimmten Bedingungen zustimmen könne, ist die Debatte um die Nutzung der Atomkraft voll entbrannt. In Zeiten hoher Energiepreise scheint die Aussicht auf billigen Atomstrom verlockend. Im domradio-Interview erläutert Eppler mögliche Szenarien.

 (DR)

domradio: Warum dieser Vorschlag?
Erhard Eppler: Die Union propagiert ja im Augenblick sozusagen den Wiedereinstieg. Aber sie sagt nicht genau, ob sie nur die alten Meiler länger laufen lassen will, oder ob sie wirklich wieder neue bauen will ob, sie wieder voll einsteigen will. Und mit meinem Vorschlag hab ich deutlich gemacht, wenn sie nur das eine will, nämlich länger laufen lassen, dann kann man über solche Dinge reden, wenn sie das andere nicht will, nämlich den totalen Wiedereinstieg.

domradio: Sie sagen selbst: In Zeiten des globalen Terrorismus ist Atomenergie höchst gefährlich. Da könnten doch ein paar Jährchen genau die Jahre zu viel sein...
Erhard Eppler: Nein, wenn ich vom Terrorismus rede, dann meine ich weniger Deutschland, dann meine ich den Versuch, die ganze Erde mit Atomkraftwerken voll zu pflanzen. Auch in Staaten in denen es eben keinen Rechtstaat, kein Gewaltmonopol gibt, sondern bewaffnete Banden, organisierte Kriminalität. Stellen Sie sich mal bitte vor in Sao Paulo kommen jedes Jahr durch Gewalt mehr als 5000 Menschen um. Und in solchen Ländern, wo die Gewalt eben nicht mehr unter staatlicher Kontrolle ist, eine so gefährlichen Energie zu installieren, dass ist in der Tat leichtsinnig. Und bei der Frage, ob Deutschland, einem relativ geordnetem Land, ein paar gut gesicherte Atommeiler noch ein paar Jahre länger laufen sollen, das ist unter diesem Aspekt zu verantworten.

domradio: Weltweit hat Atomenergie Hochkonjunktur, gerade auch in aufstrebenden Industrienationen wie China oder Indien. In Europa  ist Deutschland umgeben von Ländern, die auf Kernkraft setzen, auf dem G8- Gipfel steht Deutschland mit seiner Atompolitik isoliert da - wie viel Sinn macht ein deutscher Alleingang überhaupt?

Erhard Eppler: Also das kann ja auch ein Signal sein. Ein einziger Unfall irgendwo und plötzlich kippt die Stimmung um, möglicherweise ein schwerer Unfall, dann sind hunderte von Milliarden, die investiert worden sind plötzlich für die Katz, weil die Bevölkerung sagt, weg mit dem Zeug. Die Berechnungen, die da immer gemacht werden die stehen auf sehr schwachen Füßen.

domradio: Also Deutschland könnte hier eine Vorreiterroller übernehmen?
Erhard Eppler: Ja natürlich und im Übrigen in Mitteuropa, zum Beispiel in Österreich oder auch in der Schweiz, da gibt es überall eine ganz starke Anti-Atombewegung und übrigens auch in Italien. Da will zwar der Herr Berlusconi jetzt wieder was bauen, aber ob die Italiener da mitmachen ist eine große Frage. Ich will damit nur sagen, so isoliert sind wir gar nicht. Und die Frage ist eben, wer die richtige Politik für das 21. Jahrhundert hat und wie da die bisherige Politik der deutschen Bundesregierung ist. Wir setzen auf ungefährliche erneuerbare Energien. Und das einzige Problem über das man wirklich reden kann ist: Wie läuft der Übergang und geht der Übergang glatt? Oder muss man da noch ein paar Atomkraftwerke weiter laufen lassen?

domradio: Ein ganz wichtiges Argument ist auch der Klimawandel. Die Internationale Energieagentur sagt, dass pro Jahr 32 neue Meiler ans Netz gehen müssten, um den CO2-Ausstoß bis 2050 halbieren zu können…
Erhard Eppler: Das sagt die Internationale Energieagentur, aber ich meine: Wir Deutschen sind ja dabei, den CO2-Ausstoß durch erneuerbare Energien zu reduzieren. Und ich meine, dass man sich eine Gefahr einhandelt, um die andere zu bekämpfen das ist eigentlich keine gute Politik.

domradio: Vielen sagen aber, wir können trotz allem mit diesem erneuerbaren Energien unseren Energiebedarf gar nicht abdecken.
Erhard Eppler: Ja, aber das stimmt nicht. Das ist eine Behauptung hinter der auch Interessen stehen. Ich habe mich jetzt gerade auch mal wieder kundig gemacht und mal einige Berechnungen von Hermann Scheer angesehen. Das ist durchaus möglich, wenn man will. Man darf nie vergessen, dass hinter einer solchen Auseinandersetung nicht nur die Vernunft sondern auch massive Interessen stehen. Und ich verstehe ja, dass wenn man Atommeiler praktisch abgeschrieben hat, das man dann viel Geld verdienen kann, wenn man weiter Strom verbraucht. Ob dieses verdiente Geld dann bei dem Konsumenten ankommt oder auch nicht, darüber wäre dann noch einmal zu reden. Nur deshalb habe ich ja gesagt: "Wenn ihr wirklich aussteigen wollt und bereit seit, das mit uns ins Grundgesetz einzuschreiben, damit das auch Niet- und Nagelfest ist - wir bauen nichts Neues - dann kann man über ein weiterlaufen auch reden."

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