Gennet Patt ist gleich bereit, die Einladung zu dieser Sendung anzunehmen. Obwohl sie schon im Vorgespräch betont, wie anstrengend es für sie ist, von den vielen, vielen großen und kleinen Verletzungen zu erzählen, die die sie im Laufe ihres jungen Lebens verschmerzen musste. Und in der Tat: in der Vorbereitung für die Sendung stoße ich immer wieder auf die Klage, dass weiße Menschen von nicht-weißen Menschen deren schmerzliche Erfahrungen einforderten. Aktivist*innen nennen das „Racism porn“, also Rassismus-Pornographie.
Daran will ich mich nicht beteiligen, als weiße Moderatorin schon gar nicht. Eigentlich. Uneigentlich aber haben wir doch präzise das vereinbart, nämlich über die so schmerzlichen Dinge sprechen? Gennet Patt beruhigt mich, die Debatte sei in Amerika viel weiter, da gäb es viel "Racism porn". In Deutschland stünden wir erst am Anfang der Debatte, deswegen entscheidet sie zu reden: „Für mich überwiegt die Möglichkeit, Menschen mit weißer Hautfarbe zu sagen, wie unterschiedlich mein Leben ist, weil ich keine weiße Hauptfarbe habe“. Also auf! Sprechen wir über Rassismus.
Warum eine Deutsche junge Frau Afrodeutsche genannt werden möchte
Rassismus. Was für ein großes, tiefes, komplexes Thema. Und fängt schon direkt da an, wie Gennet Patt sich selbst bezeichnet. Die Frage scheint so einfach - schließlich ist sie eine deutsche junge Frau. Aber als solche, als junge Deutsche werde sie in Wirklichkeit nicht wahrgenommen: „weil in der Vorstellung deutsche Menschen immer noch in der weiß sind“. Deswegen nennt Gennet Patt sich selbst: Afrodeutsche.
„Mit Afrodeutsche wird meine Herkunft vollkommen dargestellt. Ich habe afrikanische Wurzeln, aber bin Deutsche, vor allem innerlich, weil ich mein ganzes Leben in Deutschland gelebt habe, hier aufgewachsen bin und weil ich deutsche Werte vertrete.“ Der Begriff afrodeutsch beschreibe sie so gut, sagt Gennet Patt, weil in diesem Begriff: „diese beiden Welten, die oft als getrennt angesehen werden, in einem verbunden werden.“
Exit Racism. Ein Buch verändert alles.
Manchmal kann ein Buch alles im Leben ändern. Gennet Patt ging es so mit dem Buch „Exit racism“ von Tupoka Ogette, einer deutschen Autorin und Aktivistin mit einem schwarzen Vater und einer weißen Mutter.
„Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, ich werde verstanden, dass jemand anders weiß, was ich tagtäglich durchmache“, sagt Gennet Patt, der vor allem die Einsicht geholfen hat: „Ich bin nicht allein."
In die Haare packen. Und mit Essen verglichen werden
Natürlich will ich wissen, womit Gennet Patt nicht alleine ist. So erzählt die junge Afrodeutsche von ihrem Aufwachsen im Bergischen Land. Wie sie als kleines Kind mit positivem, als größerem Kind mit negativem Rassismus konfrontiert wurde, hören Sie in der Sendung.
Hören Sie auch, dass die Zeiten nicht vorbei sind. Z.B. wenn Gennet Patt heute, als Erwachsener, Menschen immer und immer wieder ungefragt in die Haare fassen. Hören Sie auch, wie ungeheuer schwer es ist, dann als einzige junge schwarze Frau in lauter weiße Gesichter zu schauen und die Grenzüberschreitung zu benennen.
In der Sendung geht es aber auch um Gennet Patt, jenseits allen Rassismus. Was für eine Geschichte! Wunderbar lebendig und bildreich erzählt Gennet Patt, in Äthiopien in einem Slum geboren, von ihrer einzigartigen Familie, in der sie gemeinsam mit acht Adoptivgeschwistern aus drei Kontinenten aufwuchs. Ich kann es wirklich sehr empfehlen: Hören Sie selbst!
Erstsendung: 28.06.2020