Sankt Martin, Bischof von Tours

Bischof von Tours
Sankt Martin / © jorisvo (shutterstock)

Normalerweise ist der Todestag eines Heiligen automatisch auch sein Namenstag im Jahreskalender. Tatsächlich aber starb der Heilige Martin am 8. November während eines Pfarreibesuchs im Örtchen Candes am Loire-Ufer. Damals drängten die Bürger von Tours auf die Herausgabe ihres Bischofs - doch in Candes wollte man ihn behalten. Am Ende entführten die Tourains ihn bei Nacht und treidelten ihn den Fluss hinunter. Und überall am Ufer sprossen laut Überlieferung plötzlich weiße Blüten: der "Sommer des heiligen Martin" mitten im November! Drei Tage später, am 11., fand in Tours die Beisetzung statt.

Geboren wurde Martin 316/317 im heute ungarischen Szombathely. Als Jugendlicher trat der Sohn eines Offiziers der römischen Armee bei. Er wurde Christ und errichtete im heutigen Frankreich eines der ersten Klöster des Abendlandes. Später wählte ihn das Volk zum Bischof von Tours.

Schon zu Lebzeiten wurden Martin viele Wunder bis hin zur Wiedererweckung von Toten nachgesagt. Im Gedächtnis bis heute am meisten verhaftet ist jedoch eine Szene, die am Stadttor von Amiens stattgefunden haben soll: Martin sah am Straßenrand einen frierenden Armen, teilte mit einem Schwert seinen Mantel und schenkte dem Bettler die Hälfte. Heute gilt der halbe Mantel als ein Zeichen christlicher Barmherzigkeit. Im Mittelalter wurde er von den Frankenkönigen als Glücksbringer mit in die Schlacht geführt. Später verlieren sich seine Spuren.

Martin ist der erste Heilige der Kirche überhaupt, der kein Märtyrer ist. Er ist Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, Landespatron des Burgenlandes in Österreich, Patron der Bistümer Mainz und Rottenburg-Stuttgart sowie tausendfacher Namensgeber für Kirchen und Klöster weltweit. Katholiken verehren ihn ebenso wie Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner und armenische Christen.

Martinsgänse / © Stefan Sauer (dpa)

Seit jeher wird der Martinsabend mit seinen Martinsfeuern als ausgelassenes Fest gefeiert. Entsprechend sorglos-undiszipliniert agierte die Dorfjugend - erst recht, wenn sie sich nicht ausreichend beachtet fühlte. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wünschten sich die Preußen in ihren Rheinlanden mehr "Zucht und Ordnung"; und so kanalisierten sie das Brauchtum des Holens und Sich-Organisierens von Nahrungsmitteln in ein Geben und Zuteilen. Ein reitender Sankt Martin ging einem "ordentlichen" Fackelzug voran. An einem zentralen Feuer (statt vieler kleiner, unbeaufsichtigter) verteilte Martin an alle Kinder Süßigkeiten: einen Weckmann und/oder eine Martinstüte. Bis heute ist in manchen Regionen das "Singen", "Heischen", "Gripschen" oder "Kötten" von Tür zu Tür verpönt - während es anderswo fest zum Martinsbrauchtum dazugehört.

Der Martinstag war traditioneller Pacht- und Zahltag; es wurde geschlachtet und viel in Naturalien gezahlt. Gänse und frische Wurst waren im Umlauf - ein Grund, warum Landarbeiter und Kinder am Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres um die Häuser zogen, sangen, Segen wünschten und mit Naturalien belohnt wurden. Nach dem Martinstag begann die 40-tägige Fastenzeit vor Weihnachten ("Martinsquadragese"). Also wurde noch mal ordentlich hingelangt - wie noch heute an den Tagen vor Aschermittwoch. Und das, obwohl Martin selbst, der mönchische Einsiedler und Bischof, ein ausgemachter Asket war. In Frankreich gibt es sogar die Bezeichnung "Martinsschmerzen" ("mal de Saint-Martin") für Bauchweh und Kater nach einem Gelage.

In Frankreich kennt jedoch kaum jemand mehr seine Legenden und Geschichten. Ein Grund dafür ist auch, dass der fromme Oberkommandierende der Westalliierten im Ersten Weltkrieg, Marschall Ferdinand Foch, das Datum der deutschen Kapitulation auf den 11. November 1918 legte, den Martinstag. Für das Bewusstsein um den Heiligen Martin war das (ungewollt) ein Bärendienst. Denn bis heute ist der 11. November in Frankreich zwar ein Feiertag - aber als staatlicher "Tag des Waffenstillstands", an dem der Veteranen und Gefallenen gedacht wird und nicht des antiken Bischofs.

Zuletzt entstanden teils heftige Diskussionen, wenn Kindergärten, Schulen oder Stadtverwaltungen Martinsumzüge und Martinsfeste in "Lichterfest", "Laternenumzug" oder "Sonne-Mond-und-Sterne-Feiern" umbenennen wollten. Als Grund wurde oft eine Rücksichtnahme auf Nichtchristen genannt, insbesondere auf Muslime. Kritiker sprachen von unnötiger Verweltlichung oder gar von einem "Verrat am christlichen Abendland".

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